Bei LE GRAND GUIGNOL ist der Name Programm. Das Théâtre du Grand Guignol war im Frankreich des 19. und 20. Jahrhunderts eine einzigartige Erscheinung. In Paris ansässig brachte es das Groteske, das Gruselige und das fürchterlich Schockierende auf die Bühne – übersetzte Horror in Schauspiel, fernab zuvor bekannter Pfade. Bei den Luxemburgern verhält sich das sehr ähnlich – die Band nun aber voreilig als Horror abzustempeln, das würde ihnen keinesfalls gerecht. Ähnlich wie das Theater schaffen sie es allerdings, fernab ausgetretener Pfade das Publikum in den Bann zu ziehen. Das alles geschieht derart perfekt durchdacht, dass allein das einen fast schon gruseln möchte. Jeder einzelne Ton lässt gekonnte Planung durchschimmern – wie ein langweiliges Album vom Reißbrett wirkt „The Great Maddening“ wiederum zu keiner Sekunde.
Leicht machen LE GRAND GUIGNOL es dem Hörer wahrlich nicht; easy-listening ist das krasse Gegenteil ihrer Musik. Die Musik braucht Zeit, Konzentration und ein wirklich offenes Ohr; werden all diese Faktoren vom Konsumenten befolgt, geht es allerdings überwältigend los: eine Reise in ein dunkles Wunderland. Dem Kritiker, der sich kopfkratzend „Nach was klingt die Band eigentlich?“ fragt, und händeringend die richtigen Worte für das Review sucht, machen die Luxemburger es übrigens auch nicht leicht. Sie klingen nach sich selbst, möchte man sagen. Und damit liegt man im Grunde gar nicht so falsch: LE GRAND GUIGNOL wirkten früher als VINDSVAL und brachten „Imperium Grotesque“ heraus. „The Great Maddening“ ist nun der Groteske zweiter Teil, auch wenn man das nicht auf das musikalische, sondern vielmehr auf das Grotesque im Albentitel beziehen sollte. Ansonsten klingt die Band nach Klassik, nach Filmmusik und Soundtrack. Nach Black Metal und Gothic, Folk und Musical. Kurzum: nach vertontem Theater. Einflüsse auszumitteln fällt hierbei schwer; ein wenig von ANGIZIA meine ich zu erkennen, vielleicht etwas SUIDAKRA, und in folkig-bombastischen Parts eventuell sogar FINNTROLL. All das Vergleicheziehen ist und bleibt letzten Endes aber hinfällig, was nicht zuletzt das Interview mit der Band deutlich macht. LE GRAND GUIGNOL sind eben einfach LE GRAND GUIGNOL: ein groteskes Theater.
Schwebende Keyboardteppiche, erhabene Gitarrenmelodien, treibende Riffs, Orchesterbombast, folkige Akustikpickings, Choräle, beängstigendes Flüstern, Schreie der Angst – all das verwebt die Band mühelos miteinander. Hinzu kommt eine riesige Portion Wahnsinn, unterstützt von dominierenden Blackmetalscreams und einem Drumming, das mal im Midtempo subtil seinen Part beiträgt, mal mit Geprügel begeistert. Hinzu kommen Instrumente und Stilelemente, deren weitere Aufzählung ermüdend würde – somit sei Weiteres unter der Kategorie „Wahnsinn“ zusammengefasst. Keine Frage, dass LE GRAND GUIGNOL den Hörer, der geistig im bizarren Theater gefangen ist, mehr als ein mal überraschen. Einfach nur wunderbar ist es zum Beispiel, wenn bei „Degenesis (Amor & Seuche)“ sanfte Akustikgitarrenpickings, untermalt vom lieblichen Singen der Vögel, in erhabenen, epischen Black Metal münden, um dann letztlich – zur Überraschung aller – von einem völlig unerwarteten Part unterbrochen zu werden. Derer Momente gibt es auf „The Great Maddening“ so viele, dass eines bestätigt wird: Genie und Wahnsinn liegen dicht beieinander. Das Album vereint wohl beides in sich; ist wahnsinnig genial und genial wahnsinnig. Tatsächlich gibt es auch Stücke auf der Scheibe, die sofort ins Ohr gehen und dort hängen bleiben. „Lucilinburhuc“ etwa, das mich mit seinen singenden Gitarren und den keifenden Screams in Wechsel mit Chorgesang – pathetisch aber erhaben – an SUMMONINGs „Land Of The Dead“ erinnert. Herrliche Titel sind jedenfalls beide, der der Österreicher und der der Luxemburger. Trotz beschriebener Ähnlichkeit kristallisiert sich ein Unterschied heraus: „Land Of The Dead“ lässt den Hörer sanft entschweben, „Lucilinburhuc“ endet unerwartet, überrascht zuletzt doch.
Ich könnte ewig damit fortfahren aufzuzählen, was alles mir an dem Album hervorragend gefällt – zu einem Ende käme ich dabei aber wahrscheinlich nicht allzu zügig, somit will ich es nun dabei belassen. Erwähnenswert wäre noch, dass nebst perfekter Durchdachtheit der Musik auch der Sound auf voller Linie überzeugt. Die Produktion ist das optimale Gewand für dieses Werk, ein Kritikpunkt fällt mir nicht ein. Hörer, die von sich behaupten schwer verdauliche Musik zu lieben, sollten „The Great Maddening“ definitiv Beachtung schenken. Wenn das oberflächliche Nebenbeihören mit Konzentration überwunden wird, erschließt sich eine Welt voller Facetten: ein Kopfkino (oder Theater) des wunderbar Grotesken.
Coole Idee, aber scheußliche bis lachhafte Umsetzung. Selbst wenn sich die Band nicht ernst nimmt… ist es zumindest ein schlechter Witz. Ich zitiere mich mal selbst: "Sind das die Kneipenterroristen nach Ballettunterricht, Klassikstudium, kaltem Entzug und einer Überdosis Rooibos-Tee? Soll das nu ne Parodie sein? Schlümpfe und Teletubbies auf Halluzinogenen? Hobbits, die zu nah an Tschernobyl gewohnt haben?"
*Absolut* großes Theater! Anfänglich haben mich die Schrittgeräusche als Einleitung zu manchen Stücken etwas irritiert, aber mitlerweile höre ich sie nur noch als harmonischen Teil der Musik. Und was für einer Musik! Schräg? Mit Sicherheit. Verrückt? Sogar das. Aber vor allem (oder gerade deswegen) unwahrscheinlich intensiv und mitreißend. Mir jedenfalls gefallen insbesondere die \"verrückten\" Lieder besonders gut. Die Stücke im letzten Teil der CD werden dagegen fast schon normal und könnten vermutlich an die Pagan-Wurzeln der Band erinnern, die ich allerdings nicht kenne. Ich besitze die Scheibe nun schon einige Monate und sie macht beim hören immer wieder Spass!