Trist - Hin-Fort

Review

Nachdem ich lange Zeit dafür gebraucht habe, mich nach dem “Abstieg in fünf Stufen” (man erinnere sich an dieser Stelle an das Debüt “Tiefenrausch”) wieder an die Oberfläche zu hieven, steht meinen Gehirnwindungen nun eine weitere Near-Death-Experience bevor: TRIST, nach dem Split von LUNAR AURORA musikalisches Hauptaugenmerk Tristans (aka Aran), hat ein neues (zweistündiges) Doppel-Album veröffentlicht, welches mit dem bedeutungsschwangeren Titel “Hin-Fort” bereits im Vorfeld das Gefühl in mir regte, dass ich es hier mit dem ewigen Kontrast Schwarz und Weiß, Licht und Schatten zu tun bekommen würde. Ich würde vielleicht sogar soweit gehen zu behaupten, dass das in zwei Seiten unterteilte Gesamtwerk (“Hin” und “Fort”) mit der schlicht gehaltenen, graufarbenen Gestaltung eben genau diese beiden Elemente bereits visuell einarbeitet, doch dazu später mehr.

Widmen wir uns zunächst “Hin”, dem Teil des Albums, der wohl mit den größten “Überraschungen” aufwartet, denn erstmals in der Geschichte von TRIST wurde auf Gitarren und einen Drumcomputer zurückgegriffen. Treffender hätte man den Titel des Songs sehr wahrscheinlich auch nicht wählen können, denn die einleitend wirkende, für das Projekt relativ typische Klangcollage scheint mich dabei zum “Ausbruch” (eben jenes schwarzmetallische Gesicht des Songs) hinzuführen. Obwohl durch die schwebende Monotonie der Ambientpassage irgendwie eine Art innere Ruhe in mir ausgelöst wird, wirkt das Ganze auf seine eigene Art beklemmend. Es fällt mir schwer auszudrücken, wodurch diese verstörende Gefühlsbasis erschaffen wird. Vielleicht liegt es an minimalen Tonerhöhungen, die zwar nur im Hintergrund vernehmbar sind, mich aber trotzdem dazu veranlassen, der ausgestrahlten Ruhe nicht zu trauen. Als die Klangcollage schließlich in den Hintergrund gefaded wird und ein Sprachsample (inhaltlich, wenn ich nicht irre, über die Gemeinsamkeit des Hellen und Dunklen sinnierend) den Ausbruch einleitet, ist es endgültig vorbei mit sinnlichen Ruhegefühlen: TRIST zeigt sich nun von der schwarzmetallisch orientierten Seite, und die Art und Weise, wie hier Ambient und Black Metal verbunden wurde, hat man sehr wahrscheinlich noch nie zu Ohren bekommen. Obwohl es mir an dieser Stelle eigentlich fern liegt, Vergleiche oder Beschreibungen heranzuziehen (ich denke, dass man das einfach Mal gehört haben sollte…) kann ich mich dem Eindruck nicht verwehren, dass PAYSAGE D’HIVER Einfluss auf diese stilistische Verknüpfung ausgeübt hat. Das meist monoton vor sich hin polternde Schlagzeug (wobei bei der präzisen Genauigkeit das Wort “poltern” wohl falsch gewählt ist) unterstützt die von einer zerreißenden Gitarrenmelodie und Keyboardeinsprengseln untermalten Ambientwand, sodass der beklemmende Eindruck ins Unermessliche ausgereizt wird. Mit zwei zugedrückten Augen könnte man der Instrumentation und Stimmung des Songs vielleicht sogar noch eine Parallele zu LUNAR AURORAs “Hier und Jetzt” unterstellen, was aber trotz Allem nicht der erzeugten Atmosphäre des Stücks nahe genug kommen würde, um sie treffend zu umschreiben.

Die zweite Seite des Werkes (und ich denke “Werk” ist hierbei ein durchaus zurecht gewählter Ausdruck) führt wieder “Fort” vom Ausbruch der ersten CD. Eingeleitet durch ein verstörendes Sample, in welchem eine offenbar bedrohte Frau gezwungen wird auf 60 (?) zu zählen, begibt sich TRISTan wieder auf die mir bekanntere Seite des Projekts: Reiner Dark Ambient, der ähnlich wie sein Vorgänger “Tiefenrausch” eine regelrechte Sogwirkung auf den Hörer ausübt. Diesmal ohne die Hilfe Timo Koellings auskommend (der auf dem Debüt die “Tonmassen” mit seiner nahezu roboterhaft anmutenden Vertonung seiner Gedichte untermalte), wird man auf eine musikalische (oder sollte ich besser sagen sinnliche) Reise geschickt. Obwohl die enthaltenen sieben Stücke allesamt gewohnt monoton und schwebend wirken, merkt man ihnen eine gewisse Unentschlossenheit an, ob sie nun der Hellen oder Dunklen Seite angehören. Man schwebt “Unter Den Wolken” und hat dabei den Eindruck, aufgrund der größtenteils dröhnenden Tonwand unter einem sich zusammenbrauenden Gewitter zu gleiten, um sich dann “Schlaflos” wieder einem eher ruhigen und ausgeglichenen Sog hinzugeben. Es wird, meiner Ansicht nach, sehr stark mit Kontrasten gearbeitet, die jedoch im Detail zu liegen scheinen.

Hier könnte ich nun den Bogen zu meiner eingangs erwähnten Behauptung schlagen, dass es sich bei “Hin-Fort” um ein Werk handelt, welches sich mit Licht und Dunkel und der jeweiligen Abhängigkeit des einen vom anderen beschäftigt. Entscheiden sollte das aber wohl jeder für sich selbst, was aber kein großes Problem darstellen sollte: Wer es zulässt, sich “Hin-Fort” hinzugeben, wird wahrscheinlich ohnehin seine ganz eigenen Erfahrungen mit diesem Album machen. Kopfkino sozusagen. Und was kann Musik größer machen, als wenn sie Bilder in Deinen Kopf zaubert?

31.05.2007

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1 Kommentar zu Trist - Hin-Fort

  1. hans sagt:

    Schöne und sehr passende Rezension. Der Song "Hin" ist wirklich ein wahnsinns-Trip trotz der eintönigkeit doch irgendwie extrem treibend.

    9/10