Raintime - Flies And Lies

Review

Man findet sie in letzter Zeit immer häufiger in der italienischen Metal-Botanik: Bands ohne Drachentick, Epilepsie-Anfall am Spinett und sanft säuselnden Beinahe-Schlagersängern. RAINTIME setzen sich gleich zwischen alle vorhandenen Stühle und beschreiten in gewissem Maße neue Wege. Auf ihrem Zweitwerk „Flies & Lies“ hauen sie den Fans eine gewagte Mischung aus Melodic Death und Power Metal mit zeitweiligen Hard-Rock-Elementen um die Ohren. Ab und an darf man sich an die Kollegen von SCAR SYMMETRY erinnert fühlen, die auf „Pitch Black Progress“ eine ähnlich leckere Mixtur aufzufahren wussten, aber RAINTIME klingen trotzdem sehr eigenständig und ungewöhnlich.

Die Band hat gleich mehrere Trümpfe in der Hand. Sänger Claudio Coassin ist ein wahres Goldkehlchen; statt den manchmal an den Haaren herbeigezogenen Pop-Refrains Marke SOILWORK verlässt sich der Fronter voll auf die Power in seiner Stimme und gibt in den Höhen richtig Gas, kann bei Bedarf aber auch räudig und brutal klingen. Spaß macht die Sache vor allem, wenn RAINTIME ihr selbst geschaffenes Terrain komplett verlassen und beispielsweise mit „Finally Me“ eine arenataugliche Powerballade raushauen, die mit ganz klassischen Metal- und Rockvocalarrangements zu punkten weiß. Die Gitarrensektion fühlt sich derweil sowohl im modernen Sektor mit von IN FLAMES und SOILWORK beeinflusstem Riffing genauso wohl wie beim Aufbauen epischer Mittelteile, wo dann fette, nackenzerfetzende Breakdowns gleichberechtigt neben ausufernden Twin-Guitar-Leads und klassischen Rocksoli stehen.

Nicht immer so gelungen sind die etwas penetranten und viel zu lauten Keyboards, die überdies mit teilweise technoiden Sounds nerven. Die Keys neigen dazu, viel zuzukleistern und klingen eher videospielartig als atmosphärisch. Hier wäre weniger wirklich mehr gewesen. Ansonsten gibt es am Gesamtsound nichts zu meckern, mit Tommy Hansen hat die Band eine sehr gute Produzentenwahl getroffen, denn die Platte tönt luftig, breit, natürlich und druckvoll. Bei allen spannenden und stimmigen Songaufbauten, die RAINTIME präsentieren, gibt es mit dem verzichtbaren Michael Jackson – Cover „Beat It“ einen amtlichen Totalausfall, der den Fluss des Albums erheblich stört und davon abgesehen als Metalsong so überhaupt nicht funktionieren will.

Außerdem gilt festzuhalten, dass RAINTIME trotz einiger vielversprechender Ideen keinen einzigen Übersong am Start haben. Das erwähnte „Finally Me“, das mit einem wunderbaren Solo und Mittelteil aufwartende „Rolling Chances“ und das von einem Zwischenspiel eingeleitete, hochdramatische „Matrioska“ sind zwar schon echte Perlen, denen aber der allerletzte Schliff und Glanz fehlt. Zu erwähnen ist noch, dass sich die Guestvocals, insbesondere die von Hatesphere-Frontsau Jacob Bredahl, ganz hervorragend in die jeweiligen Songs einfügen und nicht wie sonst so oft wie ein Fremdkörper wirken. Insgesamt geht der Daumen bei RAINTIME ganz weit nach oben, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass die Italiener noch viel mehr auf dem Kasten haben und mit ihrem nächsten Werk eine echte Überplatte aus dem Hut zaubern könnten. Fans von IN FLAMES, SOILWORK und SCAR SYMMETRY können „Flies & Lies“ dennoch beruhigt auf ihre Einkaufsliste setzen, denn das Album ist ein durchaus hochklassiger und eigenständiger Beitrag zum Melodic Death Metal.

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30.05.2007

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