Lange Zeit war ich äußerst gespannt auf ein neues Lebenszeichen in Form eines Albums von AGHORA, der Band um Ex-CYNIC-Drummer Sean Reinert (auch DEATH, GORDIAN KNOT). Womit wir gleich beim ersten wichtigen Aspekt wären. Der Fell-Oktopus war für das aktuelle Album nur noch als Studio-Drummer beteiligt und hat lediglich die Hälfte der Langrille eingetrommelt. Reinerts Nachfolger, Giann Rubio, ist aktuell für Live-Aktivitäten zuständig und hat die zweite Hälfte der Drum-Spuren auf „Formless“ eingeknotet. Ebenfalls (schon länger) nicht mehr mit von der Partie ist Bass-Fummelspezialist Sean Malone (CYNIC, GORDIAN KNOT), der durch den ebenso kompetenten Alan Goldstein ersetzt wurde. Nur noch Saiten-Maestro Santiago Dobles, auch der kreative Kopf der Band, ist als letztes verbliebenes Gründungsmitglied mit dabei und hält die Zügel des AGHORA-Sounds fest in der Hand. Der Mann ist ein Könner, was man auf „Formless“ sofort nach den ersten Tönen erkennt.
Zu meiner Überraschung unterscheidet sich die Musik auf „Formless“ nur geringfügig vom Debütalbum. Noch etwas metallischer gehen AGHORA zu Werke und lassen akustischen Spielereien nur einen recht geringen Raum. Es dominiert vielseitiger Progressive Metal, stark verspielt und verschnörkelt, jedoch stets mit einem gewissen Hauch an Feeling. Letzter Eindruck wird durch die klare Stimme der neuen Gesangsfrau Diana Serra unterstützt, deren Wahl mich allerdings überrascht, liegt sie doch nicht allzu weit entfernt von ihrer Vorgängerin Danishta Rivero. Sicher gibt es Unterschiede in den Feinheiten, die grundsätzliche Art des Gesangs, der Einsatz von Gefühl in der Stimme und der unterschiedlichen Tonlagen ist bei Beiden jedoch nahezu identisch. Ich habe gehofft, mit der neuen Sängerin eine Steigerung gegenüber dem Debüt zu hören, was ich allerdings ganz klar verneinen muss. Ich will hier nicht darüber sinnieren, ob es ohnehin schwer ist, zu derart komplexer Musik gute und eingängige Gesangsbögen zu entwickeln, aber „Formless“ leidet leider an exakt derselben Krankheit wie das Debüt. Beide Alben sind musikalisch absolute Hammer, eine Lehrstunde in Sachen Musik (wobei die Frickelei keineswegs übertrieben wirkt, sondern eher im Einklang mit musikalischer Harmonie steht), kränkeln jedoch ein wenig in punkto Abwechslungsreichtum eben beim Gesang. Die Engelsstimme singt und singt und singt, kommt aber irgendwie nicht ans Ziel. Es fehlt der große Refrain, das hervorstechende Etwas, der Moment, in dem man unwillkürlich aufhorcht und sich von einer Steigerung verzaubern lässt, der Kick. So schön die Stimme auch ist, so einschläfernd ist der ewig gleich akzentuierte Ausdruck. Die Dynamik fehlt, die Power, der besondere Augenblick.
AGHORA haben ein wahnsinnig gutes Gespür für Melodien und technisch nicht übertriebenen Anspruch, keine Frage. Jeder Song ist für sich eine wahre Perle, wenn man ihn rein instrumental betrachtet. Nimmt man aber den Gesang hinzu, wirkt alles wieder etwas glatter und gleichförmiger.
Mit Neil Kernon hat man sich auch noch einen guten Produzenten rangeholt, der dem Album sicherlich einen guten Tritt nach vorne verpasst hat. Zwar hätten die Drums, insbesondere die zu trockene Snare, etwas lebendiger ausgesteuert sein können, aber das soll hier nur am Rande Erwähnung finden.
Hier hätte sicherlich weitaus mehr drin sein können. „Formless“ wirkt auf mich tatsächlich auch etwas Formlos, aufgrund der fehlenden Höhepunkte. Etwas mehr Dynamik an den richtigen Stellen und das Album wäre deutlich stärker eingeschlagen. So aber begnügen wir uns mit einer guten Prog-Scheibe, die noch einiges an Raum nach oben offen lässt.
6 Punkte? Dem kann ich nicht ganz folgen. Finde, dass dieses Album eine deutiche Steigerung gegenüber dem Debütalbum darstellt, mir persönlich gefällt die Sängerin auch besser. Das Album ist gefüllt mit guten Songs und fesselnden Melodien, mangelnde Höhepunkte kann ich beileibe nicht feststellen, besonders beim Titeltrack "Formless". Ich für meinen Teil dudel das Album rauf und runter und kann das Werk wärmestens empfehlen.