Der Weg Einer Freiheit
Live in Frankfurt 2016
Konzertbericht
Wo sind sie hin, die Zeiten, zu denen sich auf Black-Metal-Konzerten ausschließlich langhaarige, mies gelaunte Menschen zusammenfanden? Ein kurzer Blick in den Spiegel der Herrentoilette im Frankfurter Das Bett und die anschließende Bestätigung durch AGRYPNIE-Sänger Torsten zeigt: Scheiße, ich gehöre ja auch nicht mehr dazu. Macht aber wohl nichts, schließlich sind die Langhaar-Fundamentalisten heute vor wie auch auf der Bühne deutlich in der Unterzahl.
Welche Haarpracht sich unter den Kapuzen von THE GREAT OLD ONES verbirgt, lässt sich im blau schimmernden Licht jedoch nicht erahnen, als das französische Sextett um 20:30 Uhr die Bühne betritt. Gut, natürlich legen die Cthulhu-Jünger im Gegensatz zu mir auch weniger Wert auf äußerliche Selbstinszenierung und bewegen sich vielmehr im Schatten des Krakens. „Boah geil, ist das ’ne Spinne?“, halt es angesichts der achtarmigen Bühnendeko durch den Raum. Starkes Stück, zumal aus sicherer Quelle bekannt ist, dass eben dieser Ruhestörer einen ausführlichen Lovecraft-Sammelband im Regal stehen hat.
Wie auch immer. Angesichts des nach wie vor bockstarken Materials der 2014er „Tekeli-li„-Platte, mit denen THE GREAT OLD ONES sogar unter den Post-Black-Hatern der Redaktion neue Fans erschließen konnten, ist es mit der gemütlich-bierseeligen Laune schnell dahin. Atmosphärisch für einen Opener bereits unfassbar dicht, umschlingt und erdrückt die dreifaltige Gitarrenfront ihre rund hundert Zuhörer und pendelt mit mal doomigen, mal ambientlastigeren Black-Metal-Grenzerkundungen zwischen Lovecraft’schen Untergangsvisionen und infernalem Höllenritt. Ein glänzender Einstand, der das Stimmungsbarometer schön in die Tiefe treibt.
HARAKIRI FOR THE SKY hingegen gehören zu jenen Truppen, bei denen Herrn Møller mal wieder „die Füße einschlafen“ würden – für mich ja seit jeher ein echtes Qualitätsmerkmal. Als vergleichsweise recht neue Band im üppig bestückten Black-Metal-mit-Post-Rock-und-so-Kosmos hat sich die österreichische Truppe dank zwei wohlwollend rezipierten Studioalben und erfolgreichen Touren mit AGRYPNIE seit 2011 bereits einen gewissen Status erarbeitet. Nach THE GREAT OLD ONES scheinen aber zunächst einige Lovecraft-True-Schooler entschwunden zu sein, weshalb HARAKIRI FOR THE SKY den Auftritt vor etwas lichteren Reihen beginnen.
Gemächlich geht vornehme Zurückhaltung beim Pausenbierchen dann aber doch in immer deutlicheres Kopfnicken über. Post-Black-Elegie geht eben auch mit zwei Gitarren – und ganz ohne endlose Delaykaskaden. Sänger J.J. performt weitestgehend mit dem Rücken zum Publikum, während er sich teils schon in DSBM-Manier die Seele aus dem Leib schreit. Textzeilen wie „Fuck my life“ mögen manch einem (z.B. mir) sicherlich als etwas zu plakativ erscheinen, aber die Stimmung passt hier auf jeden Fall.
Auch das gerne mal aufquietschende Melo-Black-Riffing birgt die nötige Portion Eigenständigkeit, erinnert bisweilen dann aber eben doch wieder an AGRYPNIE. Ehrensache also, dass deren Mastermind Torsten seine schon auf Platte verewigten Gastvocals zu „Burning From Both Ends“ hier und heute tourexklusiv live performt – und im Anschluss bereits wieder mit glitzernden Fanaugen in der ersten Reihe steht.
Die Ersten werden die Letzten sein – oder so ähnlich. Sicher ist, dass DER WEG EINER FREIHEIT mit routinierter Live-Professionalität ein saftiges Ausrufezeichen ans Ende eines blastbeatdominierten Abends zu setzen wissen. So oft das Quartett ja inzwischen auf deutschen Bühnen zu bestaunen sein mag – von Übersättigung sind Band wie Zuschauer weit entfernt.
Zumal Nikita Kamprad und Kollegen nach der umfangreichen „Stellar“-Releasetournee und Co-Headliner-Shows mit SHINING (SWE) im vergangenen Jahr erstmal amtliches Reinemachen der eigenen Setlist betrieben haben. Klar, Publikumslieblingen wie „Der stille Fluss“ und „Vergängnis“ geht es freilich nicht an den Kragen, dafür finden aber auch wieder alte Nostalgieschmankerl wie „Zum Abschied“ („Der Weg einer Freiheit„, 2009/10) ihren Weg auf die Bühnenbretter – nach dem Weggang von Originalsänger Tobias Jaschinsky im Jahre 2012 eine Premiere für Nikita am Mikro.
Bemerkenswert euphorisch nimmt das Publikum auch „Posthum“ von der sonst eher wenig berücksichtigten „Agonie„-EP auf. Kleine Überraschungen, die beweisen, dass sich DER WEG EINER FREIHEIT live nicht immer nur auf Aggrobrocken wie „Lichtmensch“ verlassen müssen – denn ihre nun auch als Vinyl-Box verfügbare Diskografie bietet zahlreiche Leckerbissen modernen, intelligenten Black Metals.
Setlist:
- Eiswanderer
- Der stille Fluss
- Zum Abschied
- Zeichen
- Posthum
- Vergängnis
- Repulsion
- Requiem
- Idyll (Outro)
Fotos: Alex Klug | 2 Right Make 1 Wrong
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