Varg - Das Ende Aller Lügen

Review

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Lügner! Verräter! Abschaum! Jawohl ja, endlich räumt mal jemand auf! Schon auf dem Coverartwork der fünften VARG-Platte schneidet Frontherr Freki den Doppelzüngigen verdientermaßen die Kehle durch. „Ihr Führer aller Länder, zittert vor den Massen!“ Geil ey, das Volk hat endlich wieder eine Stimme. Natürlich gelten Nazivorwürfe gegen VARG bereits seit einer halben Dekade als so haltlos und realitätsfern wie die Glaubwürdigkeit der Onkelz, aber wenn sich Angela Merkel schon an „Tage wie diese“ vergreifen darf, warum sollte dann nicht auch Lutz Bachmann Gefallen an Zitaten wie „Das Volk hat neue Kraft! Das Ende aller Lügen! Wir leisten einen Schwur! Steht auf und kämpft!“ finden?

Möglicherweise, weil VARG es nicht nötig haben, ihre süddoitsche Dichtkunst in ein für jedermann verdauliches Deutsch-Rock-Gewand zu packen. Warum auch, wo der 2012 auf „Guten Tag“ aufgenommene CALLEJON-Touch doch so gut funktioniert? So etwas erschließt einem als Band ja schließlich ganz neue Marktgruppen. Metalcore-Kiddies der weicheren Gangart dürften also durchaus ihren Gefallen an Stücken wie „Revolution“ finden, wenngleich die melodisch gar ansprechende Nummer nicht ganz dem samtig-weichen Usus des durchschnittlichen A DAY TO REMEMBER-Fans entsprechen dürfte. Kein Problem für die Coburger Kreativitätselite, die noch viel tiefere Schubladen zu öffnen weiß. Denn ebensolche Fans holen sich VARG in musikalischer Hinsicht mit einer ordentlichen Portion RAMMSTEIN natürlich wieder rein. „Dunkelheit“ pariert gekonnt und kombiniert abgewandelte „Rammlied“-Zitate („Kein Weg, kein Ziel!“) mit feinstem NDH-versus-Pagan-Riffing. Irgendwie dann aber doch schade, dass das Fremdschäm-Barometer es nicht wieder auf „Was nicht darf“-Werte („Guten Tag“, 2012) bringt.

Wem RAMMSTEIN aber schon immer zu kommerziell oder gar anbiedernd war, darf sich getrost am fünften Titel auf „Das Ende aller Lügen“ abreagieren. Hier lauert ein rohes, saftiges Stück OOMPH!-Resterampe namens „Achtung“, auf dessen primitives Niveau sich nicht einmal Joachim Witt nach drei Eimern Sangria herablassen würde. VARG hingegen nutzen die Gunst der Stunde, um mit dem völlig neuartigen Refrain-Ausruf „Wir sind die Wölfe“ gleich mal das interanthologische Lyrikkonzept der gesamten Bandgeschichte zusammenzufassen.

Dabei könnte doch alles so friedlich sein: Da sorgt die lieblos im Intro gesampelte Chaplin-Rede aus „Der große Diktator“ gleich mal für klare Fronten. Sicherheitshalber bedienen sich VARG dabei eben jener Zeilen, die DER WEG EINER FREIHEIT bereits 2009 auf ihrem eponymen Debüt verarbeitet haben. Sollen ja auch bitte alle den Wink verstehen, nicht umsonst wurde mit „Wintersturm“ ja auch ein waschechter Black-Metal-Paradetrack in die gut geschnürte Wundertüte gepackt. Und wo lässt sich jetzt bitteschön noch was holen? Ach ja: Frauen! Hier, DEADLOCK und so’n Zeug. Also kurz mal ELUVEITIEs Anna Murphy anklingelt. Läuft.

Scheiße ja, tatsächlich stehen VARG Ohrwurmmelodien wie in „Totentanz“ mittlerweile ebenso gut zu Gesicht wie das zuletzt über den eigenen Bandshop distribuierte Warpaint. Und bei allem Schmäh lassen sich kompositorisches und handwerkliches Geschick natürlich nicht über volle 38 Minuten leugnen. Aber wem nützen einwandfreie Modern-Metal-Pop-Songs à la „Streyfzug“, wenn ihnen Zeilen wie „Und wenn der Mond uns sieht, dann singen wir unser einsames Lied“ endgültig ein Plätzchen in den Kinderliederbüchern der kommenden Generationen garantieren?

VARG setzen auf „Das Ende aller Lügen“ alles daran, den Modern-Metal-Euter der deutschen Musiklandschaft bis zum allerletzten Tropfen zu melken. Sein eigenes Ding machen, das war einmal. Hands up für das unaufrichtigste Metal-Release des Jahres 2016. Aber nun ja: Viel Feind, viel Ehr.

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23.01.2016

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11 Kommentare zu Varg - Das Ende Aller Lügen

  1. metal-fan sagt:

    Wegen solcher Bands ist es mir manchmal peinlich zuzugeben, dass ich Metal höre…

  2. Christian sagt:

    Muss das nicht „inneranthologisches Lyrikkonzept“ heißen … ? Und „eponym“ als Adjektiv, ts-ts-ts, und das bedeutet ja gar nicht „gleichnamig“. – Vom Modern-Metal-Euter krieg ich heute Nacht bestimmt Alpträume!

  3. Dirk sagt:

    Ein beschissenes Review zu einem beschissenen Album. Gratulation.
    Nächstes Mal vielleicht die große Schwester korrekturlesen lassen.

    3/10
  4. Alex Klug sagt:

    @Googlehupf: Na ja, man mag sich sicher über die Gültigkeit von Wiktionary als Quelle streiten dürfen, aber dort ist „eponym“ als Synonym zu „eponymisch“ erlaubt. Und sorry für die Alpträume. 😉

    @Finq: Merci! Werde dich beim nächsten Mal vorher anklingeln. 🙂

  5. Natrius sagt:

    Ich finds eigentlich ganz witzig muss ich sagen 😀 Kannte die Band bisher gar nicht, aber diese Video…zum Heulen.

  6. OpiumHerz sagt:

    Wenn Metal ein Wolf ist, ist dieses Album ein Chihuahua.

  7. Lucas sagt:

    Würg…ach nein verlesen. VARG…na was soll man da erwarten. Rotkäppchen. Böser Wolf.

    1:57 Minute habe ich dieses Video über mich ergehen lassen…verschwendete Zeit.

    Die selben Phrasen wie immer: Wir-Gefühl stärken mit Wolfsgejaule, Wir sind die Wölfe etc….der selbe
    Müll nun im Gothic / Darkwave Gewand.

    Der einsame, verlassene Punkt ist für die Fähigkeit sich als Band so dermaßen selbstlos zu blamieren und absolut aussagelos und emotionslos „Musik“ herunterleiern zu können – ich durfte mich schon live davon überzeugen lassen: Neckbreaker’s Ball 2011

    \m/ Horns up – aber nicht für Varg

    1/10
  8. FnBlack sagt:

    Trotz kontroversen der Band, bis Wolfskult eine wirklich gute brachiale Pagan Metal Band. Aber dieses Album ist reinster Ausverkauf. Salat Metal für mehr Publikum gepaart mit wirklich Dummen Texten für alle Wochenend Hobby Revoluzzer.Aber die Kirsche obendrauf die Chaplin Rede im Intro verwursten… Toller kontrast zum gesammten Album… Sehr entäuschendes fragwürdiges Release

  9. Chris fehn sagt:

    Mir gefällts

    7/10
  10. Michaaa sagt:

    Wäre es ‚Salat Metal‘, FnBlack, dann wäre es wenigstens was anständiges wie Architects oder Deadlock. Nur mal so, wenn man schon mit seltsamen Wortkreationen ohne Kontext um sich wirft.

    Lustigerweise beginnt die Platte mit einer Rede über Frieden und Toleranz – wenige Augenblicke später wird besungen, dass man Kehlen aufschlitzen möchte. Amen! Der Rest ist ein Grabbeltisch von diversen Srilrichtungen. Ein Hauch Pagan, viel NDH da, eine Sack voll Nu Metal dort und Texte aus der Peinlichkeitsmottenkiste, die sooo nen Bart haben….

    1/10
  11. Alex sagt:

    Ich mag die Band, manche ihrer Songs sind regelrechte Hymnen, die bei mir lange auf repeat liefen, es teils noch immer tun.
    Aber mit diesem Album werd ich einfach nicht warm. Die Melodien lassen eben diesen repeat-Charakter vermissen, wirken zwanghaft und unstimmig.
    In der Rezension stand was von Rammstein, ja genau, beim Hören kann man sich dieses Gefühls nicht erwehren. Wer Rammstein nicht so mag wird dieses Album wohl auch nicht mögen.
    Na wird sicher auch wieder besser werden mit den Jungs!

    3/10