Diese Schaffenskraft ist schon erstaunlich: Seit 20 Jahren macht Øystein G. Brun nun bereits BORKNAGAR und hat mit „Winter Thrice“ auch schon das zehnte Album fertiggestellt. Und das Beste daran: der Norweger schafft es immer wieder, faszinierend starke Alben zu schreiben. Die Frage ist daher, ob BORKNAGAR sich zu den vorherigen Werken „Urd“ und „Universal“ noch weiter haben steigern können?
Schon nach den ersten Songs von „Winter Thrice“ klappen die Kinnladen gehörig nach unten. Die norwegischen Epic Metaller setzen beim neusten Album wieder auf all ihre außerordentlichen Fähigkeiten, um ihre ureigenen pathetisch vorgetragenen Naturbetrachtungen stilvoll in Szene zu setzen. BORKNAGAR mischen harmonisch gekonnt Fragmente dunkler (Black Metal-)Raserei, komplexe und zugleich episch majestätische Melodien, 70er Jahre Rock sowie progressive Folk-Klänge zu einer originellen Mixtur. Krachende, einnehmende Riffwände treffen auf mächtige Soundverschachtelungen, Retro-Keyboards auf erhabene Chöre, schwebende Atmosphäre auf hymnische Kraft, orchestrale Arrangements auf markante Schroffheit, böses Gekeife auf charismatischen Klargesang. „Winter Thrice“ lebt insbesondere und noch mehr wie die Vorgänger von der puren, ungeheuren Gesangsmacht: die fantastischen Stimmgewalten des Gesangsdreigestirns Vintersorg, Bassist ICS Vortex und Keyboarder Lars A. Nedland sind bekannt, jetzt gesellt sich eine weitere dazu. Kristoffer „Garm“ Rygg (ULVER, Gründungsmitglied von BORKNAGAR) steuert als Gast bei zwei Stücken seinen unnachahmlichen Gesang bei, was „Winter Thrice“ noch einzigartiger und wertvoller macht, insbesondere der faszinierend betörende und fesselnde Titelsong sticht hervor. Aber auch musikalisch haben sich BORKNAGAR weiterentwickelt. Das neue Album ist noch ein wenig experimenteller und progressiver geraten als das auch nicht gerade unvielschichtige „Urd“, dafür ist der Folk-Anteil etwas geringer. Noch majestätischer, noch packender, noch bezaubernder. Und bei aller Komplexität und Dynamik bleibt die Melodieführung stets organisch, betört die extravagante Inszenierung durch schlichte Schönheit, ist die hohe künstlerische Musikalität in Songdienlichkeit verpackt. Weitere Höhepunkte sind das klassische, dezent folkige „The Rhymes Of The Mountain“, das zwischen Blastbeats und PINK FLOYD-Atmosphäre liegende „Terminus“, der zweite Gastbeitrag von Kristoffer „Garm“ Rygg, sowie das progressive „Panaroma“, das in sich alle Facetten zeigt, wofür BORKNAGAR heutzutage stehen. Gemixt wurde wieder von Jens Bogren im Fascination Street Studio (OPETH, KREATOR, AMON AMARTH).
Das episch mystische, progressiv fesselnde und filigrane „Winter Thrice“ ist ein anmutiges Meisterwerk aus dem Hause BORKNAGAR, verdammt nahe an der Perfektion.
Nun, da sich das Jahr 2016 so langsam gen Ende neigt, kann ich – falls nicht noch die Überraschung schlechthin kommt – sagen, dass Winter Thrice mit großem Abstand das beste Album ist, das dieses Jahr den Weg in mein Regal gefunden hat. Ausnahmslos jeder Song ist eine Klasse für sich und selbst nach dutzenden Durchläufen höre ich das Album noch gerne. Ich freue mich schon auf das nächste Meisterwerk von Borknagar!