Ossicles - Music For Wastelands

Review

Progressive Rock kann die schönste, aber auch die anstrengendste Musik sein, die es gibt. „Music For Wastelands“ ist schön anzuhören, verwirrt einen allerdings auch immer wieder und wird dann schnell anstrengend. OSSICLES wurde 2011 von den Cousins Sondre und Bastian Veland ins Leben gerufen. Ihr Debüt „Mantelpiece“ war Ende 2012 gleich ein Doppelalbum. Die meisten Songs darauf hatten die Beiden im Alter von 16, 17 Jahren geschrieben. Das Werk wurde von keinem Geringeren als Steven Wilson mit den Worten geadelt: „Ich kann nicht glauben, dass zwei so junge Burschen solche Musik machen können!“ Solche Aussagen schrauben die Erwartungen an den Nachfolger natürlich in schwindelerregende Höhen.

Spannungsarm, wie ich zuerst dachte, sind die 14 Nummern auf „Music For Wastelands“ keineswegs. Es kommt einem nur so vor, weil OSSICLES dazu neigen, sich in ihren Kompositionen zu verlieren. Hinzu kommt, dass der Gesang der Beiden häufig eher wie gesprochen oder melodiös erzählt als gesungen klingt. Das wirkt kühl, distanziert und weckt beim Hörer kaum Emotionen. „Music For Wastelands“ enthält vielleicht „Musik für Wüsten“, ist aber definitiv keine Platte für die Insel!

„Halfway Homes“ mit Anflügen von Prog Metal zu einem jazzigen Rhythmus ist gleich mal ein interessanter Einstieg in die 68 Minuten von „Music For Wastelands“. Das folgende „Darkroom“ zeigt zum Einen, dass die 14 Nummern von der außergewöhnlichen Musikalität der OSSICLES zusammengehalten werden, aber auch den großen Schwachpunkt dieses Albums: Trotz cooler Saxofon-Einlage plätschert der Song zu sehr dahin. Ein Problem, das sich bei „Tectonic“ sogar noch verstärkt: Das ist fast schon Lounge-Musik! Ganz anders „Will It Last“: Das Lied besticht mit einer Qualität, nach der sich mancher professionelle Pop-Act alle Finger lecken würde. „Family Tree“ ist dann wieder seltsam nichtssagend. Es bleibt verwirrend, denn bei „Exit Wound“ geht die Leistungskurve wieder steil nach oben. „Modern Rock mit Saxofon“ steht hier auf dem Etikett. Leider nicht einmal drei Minuten lang, schade. Das getragene „Pale Summer Nails“ wird durch Karin Mäkirantas Gesang deutlich aufgewertet. In der zweiten Hälfte von „Music For Wastelands“ geht das ständige Auf und Ab, das die Velands mit ihrem breitgefächerten Musikgeschmack und dem (sich mir nicht erschließenden) textlichen Konzept erklären, munter weiter: „Girl With The Glass Eye“ ist ein Hammer, ein Musterbeispiel für aufregenden Progressive Rock. Muss man gehört haben! Dagegen wirkt das Noise-lastige „In The Stereo“ richtungslos, wie ein Fragment. Das über zwölf Minuten lange „Pandemonium“ muss man SEHR oft hören, um seine Substanz zu erkennen. Auf dem langen Weg dahin begegnet einem neben abgehackten Rhythmen alle paar Meter Langeweile. Die muss man so lange beiseite schieben, bis sie irgendwann aufgibt. Sehr gelungen dann wieder das entrückte „Porcelain Doll“, in das immer wieder sehr geschickt kleine Melodien eingewebt wurden. Von dieser Stimmung profitiert das sphärische Instrumentalstück „Music For Wastelands“. Mike Oldfield lässt grüßen. Sehr erholsam nach dieser Tour de Force!

Es tut mir in der Seele weh, „Music For Wastelands“ nur sieben Punkte zu geben, weil es der musikalischen Leistung und der Mühe, die OSSICLES in diese Produktion gesteckt haben, nicht gerecht wird. Es ist aber nun einmal so, dass „Music For Wastelands“ nur auf eine Art hundertprozentig funktioniert: Kopfhörer auf, Augen schließen, wegfliegen. Bei jeder anderen Herangehensweise beeinträchtigen zu viel Licht und Schatten den Hörgenuss. Diesem Album mangelt es an echten Höhepunkten, die den Puls in die Höhe treiben.

Gegen eine höhere Bewertung sprechen außerdem die vielen einschläfernden Passagen auf „Music For Wastelands“. Böswillig könnte man auch sagen: Zu viel Gedudel. Dabei ist mir allerdings sehr wohl bewusst, dass man den wahren Wert dieses (über-)ambitionierten Werkes der OSSICLES vielleicht erst in einigen Jahren wird ermessen können. Doch die extremen Schwankungen kann und darf man nicht ignorieren.

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29.11.2015

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