Gazpacho - Møløk

Review

Mit „Møløk“ veröffentlichen GAZPACHO ihr neuntes Album. Die Norweger sind immerhin seit gut 20 Jahren im Geschäft und haben im Laufe ihrer Karriere einige Klassiker des modernen Prog aus der Taufe gehoben, zuletzt etwa das hoch gelobte „Demon“; Klassiker, an denen sich „Møløk“ zwangsläufig messen lassen muss. Müsste.

Dem eingefleischten Fan wird zunächst aufgefallen sein, dass GAZPACHO nach dem Vorgänger wieder deutlich kompaktere Songs bieten. Dann, nach den ersten Hördurchgängen von „Møløk“, wird ihm aufgefallen sein, dass die Musik von GAZPACHO etwas – sagen wir mal – zahmer geworden ist, und, dass der Gesang von Jan Henrik Ohme präsenter denn je ist. Tatsächlich gewinnt man den Eindruck, als ob Ohme ein Epos oder ein irgend ein lyrisches Werk rezitiert, während die Musik die adäquate Begleitung liefert. Diese ist über weite Strecken sehr spartanisch gehalten, sieht man mal von vereinzelten Ausbrüchen wie in „Bela Kiss“ oder den gelegentlichen Rock-Parts ab. Verrückt oder gar wild sind die nicht, aber es sind die seltenen Momente, in denen die Musik als solche in den Vordergrund tritt und Ohme eine Atempause bekommt.

Das könnte indirekt mit dem Konzept des Albums zu tun haben: „Møløk“ handelt von einem Mann in den 1920ern, der sich darüber auslässt, dass Menschen in Stein gemeißelte Götter verehren – Götter, die regelrecht in Steinen gefangen sind. Wie vertont man so etwas? GAZPACHO wählen einen sehr ursprünglichen, fast schon kruden Ansatz und setzen auf stoische, perkussionslastige Rhythmen und atmosphärische Klangteppiche, die für eine unglaublich melancholische Stimmung sorgen – beides steht sinnbildlich einerseits für die scheinbare Leblosigkeit des Gesteins, andererseits für das Mystische, Außerweltliche, das von so einem Bildnis auszugehen vermag respektive in dieses hinein gedeutet wird. Wie üblich wird das Ganze mit reichlich folkloristischen Elementen angereichert. Im Mittelpunkt stehen dabei – wie bereits angedeutet – die Äußerungen, der Kommentar der lyrischen Persona, die keine der großen Religionen zu verschonen scheint und im flehenden, wimmernden, erzählenden Jan Henrik Ohme sein klagendes Sprachrohr hat.

Dann wäre da noch der Mythos, den GAZPACHO ihrem neuen Album angedichtet haben: Es soll die Macht haben, durch einen Fehler, der durch einen Ton am Ende des Albums ausgelöst wird, das Universum zu zerstören. Dieser Bruch mit der vierten Wand in Verbindung mit dem Albumtitel „Møløk“ lässt darauf schließen, dass das Album selbst eine solche in Stein gemeißelte, rätselhafte Macht darstellen soll, die nach ihrer Befreiung für ein – nun ja – Moloch sorgt. Es ist zugegebenermaßen eine freie Interpretation, ganz abwegig ist sie meiner Meinung nach aber nicht.

Verhalten, trostlos, tieftraurig, so könnte man den Sound von GAZPACHO anno 2015 beschreiben. Die Musik unternimmt selten einen Versuch, dagegen anzukämpfen. Es herrscht eine unbequeme Leere innerhalb der Instrumentierung, eine Leere, die für ein unangenehmes Gefühl in der Magengrube sorgt. Momente von lyrischer Schönheit wie „Choir Of Ancestors“ mit seinen weiblichen Gesängen verzücken das Herz und sorgen mitunter für die wenigen Lichtblicke, die auf „Møløk“ zu finden sind. „Algorithm“, der einzige Song ohne Lyrics, nimmt den Hörer mit auf eine träumerische Reise durch die nordafrikanische Wüste, bevor Ohme im folgenden „Alarm“ verkündet: „It’s too late for panic, it’s too late for alarm“, womit die Platte ihren trostlosen Höhe-/Tiefpunkt erreicht. „Molok Rising“ dann ist die eindringliche, fast schon gespenstische Konklusion des Albums, die durch seine ungewöhnliche Folk-Instrumentierung umso effektiver wird.

Tja, was soll man sagen, GAZPACHO machen es einem nicht leicht. „Møløk“ scheint tatsächlich darauf angelegt zu sein, unangenehm zu sein, uneasy listening at its finest. Melancholisch, traurig, eine Platte für die kalte Jahreszeit, wenn es draußen regnet und man sich in der aus den Kopfhörern kommenden Musik fallen lassen kann. Einerseits klingen GAZPACHO auf „Møløk“ vertraut, fast schon gewohnt, als sei ihr Stil in Stein gemeißelt, dementsprechend ist das Album von einem progressiven Standpunkt aus betrachtet eine kleine Enttäuschung. Andererseits scheint das Album jenseits seiner musikalischen Seite die Metaebene auf eine seltsam progressive Art und Weise zu überschreiten. Dem Album fehlt definitiv die Wärme, die noch auf „Demon“ auszumachen war, wer sich daran stört, wird mit „Møløk“ keine Freude haben. Wer hingegen nach einer melancholischen Platte für die dunkle Jahreszeit sucht, wird hier fündig, denn musikalisch wie kompositorisch und konzeptionell ist das Album absolut in sich stimmig.

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28.10.2015

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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