Kissing Candice - Blind Until We Burn

Review

Schade, KISSING CANDICE aus Long Island sind weniger SLIPKNOT als man bei der offensiven Maskerade annehmen würde. Melodisch geträllerter Klargesang war jetzt in dem Maße nicht unbedingt zu erwarten. Aber keine Angst – grundsätzlich hat krächziges Schreien das Kommando und wechselt sich mit Meister Soft ab. Im Falle von KISSING CANDICE durchaus gekonnt und „Tusk“ wartet sogar mit Nu-Metal-typischem Sprechgesang auf. Die kompositorische Entwicklung auf „Blind Until We Burn“ ist enorm und unerwartet, denn wo „My Perfect Hell“ noch sehr verbesserungswürdig klingt, lehnen sich KISSING CANDICE in „Misdirection“ schon deutlich weiter aus dem Fenster und scheuen sich nicht in „Shop Smart“ auch mal mit hüpfbaren, elektronischen Stampf-Parts zu überraschen. Dies würde auch Nutten für Eskimos und denen, die gern Butter auf dem Brot haben, gefallen.

Der etwas zähe Start und die ganz selten seltsam verzogenen Refrains („Decomposer“) führen zu der etwas verhaltenen Punktevergabe – „Blind Until We Burn“ brennt hauptsächlich ab dem zweiten Drittel, dann aber richtig. „Recycled LIE“ überfällt den Hörer mit nackendrückenden Riffs, die noch dazu äußerst ungebremst dynamisch aus den Boxen knallen. Das folgende „Put ‚Em Up“, ein groovender Midtempo-Stampfer, lebt im Gegensatz dazu vom eindringlichen, melodischen Refrain und der alle Ecken ausfüllenden Atmosphäre. Auch wenn KISSING CANDICE ihre 13 (!) Lieder schön ausgeschmückt haben und durchaus Zeit in ihre Videos und äußeres Erscheinungsbild stecken, so lassen die Amerikaner niemals die Ernsthaftigkeit vermissen. Sie halten durchaus ein gewisses Niveau und überanspruchen den kreativen Freiraum nicht. Elektronische Spielereien werden ausschließlich, von „Shop Smart“ mal abgesehen, dezent im Hintergrund platziert, sodass sie verfeinern und nicht überklatschen. Das dunkel-atmosphärische Instrumental „Mistaken For Manson“ weiß durchaus zu gefallen, fraglich warum aus diesem Ansatz kein Song wurde. Als Live-Brecher empfiehlt sich definitiv „Roach Motel“, mit einem runterschraubenden Killer-Riff im Refrain und mehreren moshbaren Momenten, die sich praktisch die Klinke in die Hand geben.

Letztendlich wird vieles mit der Live-Performance stehen oder fallen. Es drängt sich der Verdacht auf, dass KISSING CANDICE unter Umständen einige Jahre zu spät kommen. Glücklicherweise schaut die Band aber nicht ausschließlich zurück auf teils verglühte Stars – streift das antike Genre Nu Metal lediglich – und blickt weit genug nach vorne, sodass „Blind Until We Burn“ noch modern und stark nach Metalcore, ganz selten sogar mal nach Deathcore, klingt. Sollte man im Auge behalten, die wilden Kerls von KISSING CANDICE.

© NickPJiannaras

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25.06.2015

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