Cancer Bats
Said But True: "Ich muss immer genug Socken zum Wechseln dabei haben, keiner will Stinkefüße!"
Interview
Wenn jemand direkt nach einem Konzert noch vor Schweiß trieft und nichts Besseres zu tun hat, als sofort an den Merchstand zu hetzen, um sich mit seinen Fans zu unterhalten und seine Sachen persönlich an den Mann oder die Frau zu bringen – dann ist das mal mindestens ein „Said But True“-Special wert! So geschehen in der Batschkapp Frankfurt mit dem sympathischen Fronter Liam von CANCER BATS, der uns sehr offenkundig für ungewöhnliche Fragen jeder Art zur Verfügung stand.
Von welchem Live-Moment wirst du sicherlich noch deinen Enkeln erzählen?
Den verrückstesten Auftritt hatten wir 2010 auf dem Download Festival, wir spielten auf der zweiten Bühne und zehn Minuten vor unserem Auftritt war es vor der Bühne komplett leer. Wir dachten, verflucht zu sein und dass uns tatsächlich absolut niemand sehen wollte. Also ging ich wieder hinter die Bühne, um mich aufzuwärmen und davon nicht unterkriegen zu lassen. Bloß nicht nervös werden, da kommen ganz sicher noch welche… Als es dann soweit war und wir auf die Bühne stürmten, standen da 40.000 Fans und rasteten komplett aus. Wir zogen ein fettes Set ab, es war der Wahnsinn und sobald wir fertig waren, löste sich die Menge umgehend auf und alle stürmten in verschiedene Richtungen, um sich andere Bands anzusehen. Wir standen verdutzt auf der Bühne, so nach dem Motto „Wie verrückt war das denn bitte?!“, unser Manager und der Promoter kamen zu uns und meinten nur: „So, jetzt wisst ihr, wie es sich anfühlt vor 40.000 Leuten zu spielen“. Das hat uns echt umgehauen und war einer der besten Tage für CANCER BATS!
Was trinkst du auf der Bühne?
Ich trinke immer nur Wasser und ich wünschte, dass ich den ganzen Tag Kaffee trinken könnte, aber mein Körper würde das sicherlich nicht mitmachen. Also schütte ich unentwegt Wasser in mich rein, um meinem Körper den nötigen Ausgleich zum Kaffee zu bieten.
Und was habt ihr auf der Bühne zuletzt zu Brei gehauen?
Mir kommt es so vor, als ob wir immer unsere komplette Ausrüstung schrotten. Wenn wir alle ausrasten und nur so mit Pedalen und Kabeln um uns werfen, dann geht eigentlich immer ziemlich viel kaputt. Besonders unser Bassist Jaye ist ein richtiges Tier, schlägt sich mindestens einmal pro Tour den Griff seines Basses an den Kopf und knockt sich beinahe selbst damit aus.
Was war dein peinlichster Moment auf der Bühne?
Es ist zum Glück schon lange nicht mehr passiert, aber ich sage öfter mal den falschen Städtenamen. Wenn man lange auf Tour ist, kommt man da schon mal durcheinander. Wir fahren die ganze Zeit rum, sind auf irgendwelchen Parkplätzen und das verwirrt mich. Also versuche ich jetzt immer 100 Prozent sicher zu wissen, wo wir sind, bevor ich das ins Mikro sage. Klingt jetzt lustig, passiert aber mit zu wenig Schlaf ganz schnell, dass man nicht mehr weiß, wo man eigentlich gerade ist, haha.
Welche Band hat dich denn zuletzt so richtig umgehauen?
Ich kann mich noch erinnern, als ich OFF! zum ersten Mal sah, Jaye und ich haben den Pit dominiert! Wir sahen sie in Montreal und dachten, es würde jetzt total heftig abgehen bei deren Show. Als OFF! dann aber anfingen zu spielen, standen alle nur rum. Jaye und ich schauten uns an, nach dem Motto „fuck this“ und nahmen die Sache in die Hand. Ich liebe diese Band so sehr und das geht gar nicht, dass ich mir einen Auftritt von denen anschaue, ohne hemmunglos Party zu machen.
Wie muss der Backstage aussehen, dass du dich wohlfühlst?
Am schönsten ist es, wenn es noch einen kleinen Hof gibt oder irgendeine Möglichkeit, auch draußen zu sitzen, rumzuhängen und abends noch einen Kaffee in der Sonne zu trinken. Das ist das Beste! Während der Show hänge ich am Merch rum und versuche möglichst viele Leute zu treffen, dann hänge ich im Aufenthaltsraum rum und surfe im Internet. Aber natürlich macht es mir viel mehr Spaß, draußen zu sein und mit Menschen in Kontakt zu kommen.
Gibt es Rituale vor der Show?
Ich stretche mich immer 30 Minuten vor der Show, das wärmt mich auf und ich kann ganz sicher sein, dass ich nicht abkacke. Wir nehmen die Shows sehr ernst, genauso ernst, wie wir auch Spaß dabei haben wollen.
Wo gab es die beste Backstage-Party?
Wir tourten mal mit THE BRONX und RISE AGAINST und jede einzelne Nacht der 10 Wochen andauernden Tour haben THE BRONX Party gemacht! Die Typen sind echt harte Partyheads, krasser als die meisten Bands, die ich getroffen habe. Auf dem Dach des Buss, draußen oder im schäbigsten Club der Welt – die Typen können überall die beste Zeit ihres Lebens haben!
Wer trinkt bei CANCER BATS am meisten?
Unser Schlagzeuger Mikey, einfach weil er der Einzige in der Band ist, der wirklich trinkt. Einige Brewskis oder Whiskeys machen ihn aber noch lange nicht zum Partytier, haha.
Was war das Widerlichste, das man dir hinter der Bühne als Essen serviert hat?
Solange es vegetarisch ist, bin ich glücklich und esse alles. Außerhalb von Europa kriegt man überhaupt nichts zu essen, also sind wir mit allem zufrieden und glücklich.
Wann seid ihr als Band am weitesten von daheim weg gewesen?
Ich denke mal, so rein von den Zeitzonen gesehen, war das wohl Neuseeland. Das sind 15 Stunden in die Zukunft, von unserem Heimatort Toronto aus bemessen.
Musstet ihr schon mal eine Show absagen?
Bis jetzt haben wir dahingehend Glück gehabt, einige Male sind wir mit dem Auto liegengeblieben und einmal wurde ein Flug gestrichen, letztendlich haben wir aber nur fünf Shows in zehn Jahren absagen müssten. Es ist trotzdem jedes mal richtig doof, wenn sowas passiert. Ich hasse es! Cool war einmal, als Mike Probleme mit dem Rücken hatte und deshalb nicht spielen konnte. Rat Boy, der alte Drummer von EVERY TIME I DIE, war der Promoter und statt die Show abzusagen bot er uns an, das Schlagzeug zu übernehmen. Allerdings kannte er nur unser erstes Album und konnte somit auch nur die alten Stücke spielen. Also tat er das und ich übernahm dafür drei neuere Stücke, während Jaye sang. Das war eines der coolsten Dinge, die wir je gemacht haben. Rat Boy killed it!
Wie viel Schlaf kriegst du durchschnittlich auf Tour?
Ich versuche, so viel wie möglich davon zu kriegen, um meiner Stimme so viel Erholung wie möglich zu gönnen. Wenn ich acht Stunden am Stück kriege, dann wäre das perfekt, aber meistens klappt das natürlich nicht, haha.
Wie oft wäschst du auf Tour deine Wäsche?
Grundsätzlich versuche ich, mit so wenig wie nur möglich zu reisen, aber ich packe immer eine Million Sockenpaare ein. Ich muss immer genug Socken zum Wechseln dabei haben, keiner will Stinkefüße!
Wurde ein Mitglied der CANCER BATS schon einmal für eine andere Person gehalten?
Da gab es noch nie Missverständnisse, bei uns ist es eher so, dass irgendwelche langhaarigen Metaltypen sich für unseren Gitarristen Scott ausgeben, um Frei-Getränke an der Bar zu ergattern oder sonstige Dinge, haha. Das wurde uns schon mehrfach im Gespräch nach Shows von den Fans gestanden. Ein Dude aus Barcelona erzählte uns, dass er an der Bar in England damit durchgekommen war, er hat dort eine fette Party mit den Barkeepern gemacht. Das Beste daran ist, dass er sehr gebrochenes Englisch sprach und immer wenn sie ihn irgendwas gefragt haben oder ein Bier anboten, hat er sowas in die Richtung „Yeah Party“ geantwortet, haha.
Schon mal Probleme mit der Polizei gehabt?
Wir sind alles brave Typen und keiner von uns hatte wirklich Probleme mit der Polizei, seit wir als Teenie wild durch die Gegend geskatet sind und Graffiti gesprüht haben. Wir legen keinen Wert darauf, mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen und wollen eher sichergehen, die Polizei komplette auf unserem Leben herauszuhalten.
Hast du dich schon einmal gefragt, von was du die nächste Miete bezahlen sollst?
Als wir ganz am Anfang waren mit der Band, waren wir unfassbar blank. Wir baten darum, zwischen der Tour bei Freunden auf der Couch schlafen zu dürfen, wollten ihnen aber auch nicht auf die Nerven gehen oder deren Gutmütigkeit überstrapazieren. Also entschieden wir uns 2007 dazu, einfach so lange wie nur möglich auf Tour zu bleiben. Wir zogen im Januar los und waren bis Juli unterwegs. Wir beendeten unsere Tour durch Nordamerika, parkten das Auto, stiegen ins nächste Flugzeug und ab nach Europa, danach wieder zurück zum Van und wieder nach Nordamerika. So ging das sieben Monate lang, bis wir letztendlich nach Hause kommen mussten, um „Hail Destroyer“ aufnehmen zu können. Die komplette Zeit war total abgedreht, wir waren sowas von fertig, schliefen immer im Auto und mussten essen, was immer uns unter die Finger kam – aber es war die beste Zeit, die wir jemals hatten!
Seid ihr schon mal so richtig über den Tisch gezogen worden?
Wir mussten viel Lehrgeld bezahlen in den vergangenen zehn Jahren. Das Schlimmste war wohl, als wir herausfanden, dass unser Label in Kanada dicht gemacht hat, während wir gerade mit unserem Album „Dead Set On Living“ getourt sind. Ich bekam einen Anruf vom Label-Manager, der mich informierte, dass alle Mitarbeiter im Büro ihre Sachen zusammengepackt hatten, da alle seit mehreren Monaten nicht bezahlt worden waren. Wir hatten also noch die Hälfte der Tour vor uns und kein Label, jeder war gearscht in diesem Moment. CANCER BATS waren von Anfang an bei diesem Label und dann am Ende sowas.
Wann warst du zuletzt richtig sauer auf jemanden?
Nah, ich bin sehr positiv eingestellt, gar nicht.
Hast du dem Tod schon mal ins Auge geblickt?
Ich selbst eigentlich nicht, also keine brenzligen Situationen oder so, aber durch mein Umfeld bin ich in letzter Zeit häufig damit konfrontiert worden, also irgendwie ja. Eines der Dinge, auf die du definitiv nicht vorbereitet bist, ist die Tatsache, dass immer mehr Leute in deinem Umfeld sterben, je älter du wirst.
Was würden die Leute zuletzt von dir erwarten?
Ich denke, dass einige Leute schon sehr überrascht sind, wenn sie erfahren, dass ich straight edge lebe. Wahrscheinlich, weil ich einfach nicht so aussehe und wenn ich dann meine Haare bange oder auf der Bühne ausraste, dann denken die Leute, ich bin generell ein abgefuckter Typ, haha. Es gibt immer Fans, die nach dem Konzert an den Merchstand kommen und mir Shots oder Drinks ausgeben wollen, es dauert dann ein paar Anläufe, bis sie mir abnehmen, dass ich nüchtern bin, haha. Unser Gitarrist Scott ist ebenfalls SXE und das kriegen die Leute noch schwerer geregelt, haha.
Wer wissen möchte, was Straight Edge bedeutet, kann es HIER nachlesen.
Welche politischen oder sozialen Themen bewegen dich momentan?
Ich finde es einfach nur unfassbar, dass Rassismus und Homophobie auch im Jahr 2015 tatsächlich noch existieren, wir sind große Unterstützer von Organisationen, die konkret etwas gegen Faschisten und andere Idioten auf dieser Welt tun.
Abgesehen von Musik, gibt es etwas Künstlerisches, das dich enorm beeindruckt?
Es gibt einen kanadischen Visual-Künstler namens Guy Maddin, er macht Lichtinstallationen und Filme, alles was er macht ist sehr beeindruckend. Schaut mal bei Google nach ihm, wenn ihr euch beeindrucken lassen wollt.
CANCER BATS haben gerade ihre neue Platte „Searching For Zero“ veröffentlicht, ein Highlight das ihr euch nicht entgehen lassen solltet, wenn ihr auf Hardcore, Sludge und BLACK SABBATH steht.
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