Wer die letzte Platte von ANNISOKAY mochte, darf bei „Enigmatic Smile“ bedenkenlos zugreifen, denn geändert hat sich nicht wirklich viel. Genau jetzt teilt sich die Leserschaft in zwei Hälften, die Einen denken ‚leider‘ und die Anderen ‚zum Glück‘. Der Albumtitel basiert auf „Die Unbekannte aus der Seine“, eine Geschichte über eine ertrunkene Frau, die Ende des 19. Jahrhunderts in der Seine zu Tode kam und deren Tod niemals aufgeklärt werden konnte. Ein Lächeln umspielte den Mund der mysteriösen Toten, ein oft kopierter Gesichtsausdruck nach dessen Vorbild die Wiederbelebungspuppe „Annie“ gestaltet wurde. So ergiebig wie die Geschichte hinter dem Cover und Albumtitel von „Enigmatic Smile“ ist die Platte leider nicht, selbst wenn man aufgrund der deutlich spürbaren professionellen Herangehensweise gerne das Gegenteil behaupten würde.
Den Hörer erwarten aufwendig gestaltete Songs, die äußerst druckvoll und energetisch dargeboten werden. Man hört deutlich, dass ANNISOKAY viel Geld in die Produktion gesteckt haben. Der Sound ist überragend und klingt ganz sicher nicht wie das, was sich eine deutsche Band, die noch dazu in einem überfüllten Genre-Becken schwimmt, üblicherweise leisten kann. Dem Material ist dies zuträglich und trotzdem gibt es zwei wesentliche Punkte, an denen ANNISOKAY weiterhin kranken. Der Gesang mag noch diskutabel sein. Die grobe Variante klingt grandios, sublimiert die harten Breakdowns und hitzigen Abfahrten. Daneben existiert noch der Klargesang, der handwerklich sicherlich ebenfalls einwandfrei ist, aber immer im falschen Moment den Weg Richtung Zielgerade kreuzt und noch dazu praktisch über die gesamte Dauer von „Enigmatic Smile“ austauschbar ist. Darüber hinaus ist der weinerliche Klargesang derart dominant, dass sich man sich kaum auf die tadellose musikalische Leistung konzentrieren kann. Gehen die beiden Sänger Hand in Hand, wie in „Fragile Line“, dann entsteht allerdings kurzfristig Mehrwert.
Der zweite und viel wichtigere Punkt ist allerdings, dass es keinen Hit gibt auf „Enigmatic Smile“, noch nicht mal eine miniklitzekleinen Ansatz dazu. ANNISOKAY legen ihren Fokus deutlich zu sehr auf die einzelnen Teile und verlieren somit das Ergebnis aus den Augen. „Life Cycles“ vertont Teile des Textes, spielt mit Hall und Stimmungen und trotzdem fehlt der nachdrückliche Wow-Effekt. So ensteht ein bunter Mix aus lose hängenden Szenen, die zwar deutlich Talent und Können aufblitzen lassen, aber letztendlich nicht aufblühen, verschmelzen und wirken. ANNISOKAY werfen nicht gerade mit magnetischen Hooks oder sich festpappenden Refrains um sich und hauen zu früh die Bremse rein. „Enigmatic Smile“ erhält somit zwar die gleiche Wertung wie „The Lucid Dream(er)“, aber diesmal ohne Tendenz nach oben, sondern gerade noch so.
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