Chapel Of Disease
"Wir möchten uns selber mehr bieten"

Interview

Chapel Of Disease

Mit ihrem zweiten Album „The Mysterious Ways Of Repetitive Art“ liefern die Kölner Death-Metaller von CHAPEL OF DISEASE bereits früh im Jahr 2015 ein absolutes Highlight zwischen Old-School-Todesblei, brachialer Düsternis und wüsten Thrash-Elementen. Das Ganze ergibt eine dampfende Masse, die sich jeder Freund anspruchsvollen Extreme-Metals zu Gemüte führen darf und sollte. Bei Sänger und Gitarrist Laurent Teubl hakten wir schließlich nochmals nach…

Hallo Laurent, “Summoning Black Gods“ war für mich bereits ein mehr als spannender Einstand, doch eure neue Platte ist für mich zweifellos der nächste Schritt. Nenne doch mal ein Trademark, was “The Mysterious Ways Of Repetitive Art“ besonders macht.

Die neue Platte ist für mich ein sehr verspieltes Album. Ihre Strukturen sind sehr anders als die vom Vorgänger, grundsätzlich sind es zwei sehr verschiedene Platten, mit zwei sehr verschiedenen Ambitionen dahinter. Wenn ich das neue Material in Worte fassen müsste, würde ich sagen, dass es zum einen reifer klingt, ausgewachsener und vielschichtiger. Zum anderen bin ich der Meinung, dass wir jedoch trotz dieser Vielfalt und trotz immer wieder vorkommenden Exkurse innerhalb der Songs, die somit ihr Gebiet immer wieder kurzfristig verlassen, das Wesentliche nicht aus den Augen verloren haben. Es ist ein Album was weiß, sich interessant zu halten, dabei sich jedoch nicht in irgendeiner Form von Komplexität verliert. Tatsächlich war es uns auch wichtig, etwas zu schreiben, was auch wir persönlich „spannend“ finden oder fänden zu hören, dabei jedoch den Hörer nicht offensichtlich zu überfordern, sondern viel eher durch vereinzelnde Parts zu überraschen.

Ich ziehe hinlänglich der neuen Platte gerne Bildvergleiche mit dem Kölner Dom. Ein wahnsinniges Bauwerk, dessen Strahlkraft und Wuchtigkeit auf einer anderen Ebene durchaus mit dem massiven Treiben der aktuellen CHAPEL OF DISEASE vergleichbar ist. Wie würdest du eure Musik verbildlichen?

Ich wurde in einem vergangenen Interview schon nach einer Verbildlichung unserer Musik gefragt und habe seit dem bemerkt, dass ich tatsächlich gar nicht so viel darüber nachgedacht habe oder es einfach nicht so stark in mir steckt, unsere Musik mit inneren Bildern zu verbinden. Wenn ich nun darüber nachdenke, finde ich deine Verbindung zu einer Kathedrale in einem solchen Ausmaß nicht verkehrt. Es strahlt eine gewisse Macht aus, die jedoch oftmals eher beängstigend wirkt, eventuell auch durch ihr nicht erkennbares „Dahinter“, denn empfinde zumindest ich die Gebäude einer an den Stricken-ziehenden Institution wie der Kirche als eher befremdlich und durchaus auch mysteriös.
Wenn ich nun selber einen Versuch starten sollte, würde mir zunächst ein wildes Gemälde einfallen, mit einem einzelnen Punkt in der Mitte, auf den man immer wieder gucken möchte, jedoch abgelenkt wird, durch die vielen Farben drum herum…

Würde man da tatsächlich von dem eher straighten Panzer sprechen oder doch viel mehr von einer nebulären, vielschichtigen Düsternis?

Mit dem Beispiel eines Panzers haben wir es eigentlich gar nicht. Nebulär könnte mir jedoch gefallen. Ich würde schon sagen, dass das Album eine gewisse Düsternis mit sich bringt. Es ist kein besonders glückliches Album, jedoch ist es bei weitem nicht so düster wie andere Platten die mir gerade in einer Vielzahl einfallen. Es schwankt recht stark. Man hat immer wieder das Gefühl von einem positiveren Aufkommen, bevor eben dieses wieder zerschmettert wird. Eben durch dieses Spiel der Abwechslungen und der ständigen Gegensätze würde mir die Beschreibung des Nebulären doch mehr zusagen, da der Hörer keine bestimmte Richtung angegeben bekommt, sondern vielleicht doch etwas im Unklaren am Ende gelassen wird.

Chapel Of Disease

Die Illustrationen im Booklet eures neuen Albums scheinen einen gewissen Stellenwert für euch zu haben, schließlich veröffentlicht ihr derweil regelmäßig eure Gedanken dazu. Was hat euch dazu bewogen, auch gezeichnete Bilder zu eurer Musik sprechen zu lassen?

Wir wollten diesmal im allgemeinen das Visuelle besser gestalten als bei dem letzten Mal. Dabei war ein ausgeprägtes Booklet aufjeden Fall sehr weit oben auf der Liste. Für mich ist das eine ganz klare Sache: Man hat die Gelegenheit, ein aufwändiges „Drumherum“ zur Musik gestalten und bieten zu können, also wird dies auch gemacht. Man öffnet schließlich hierdurch nochmal eine weitere, neue Ebene zusätzlich zu der Musik. Das ist ein nicht selbstverständliches Privileg und sollte somit auch sinnvoll genutzt werden. Wie schon vorher angemerkt, sehe ich unsere Musik nicht intuitiv in Bildern. Somit haben wir uns mit unseren Ideen wirklich Mühe gegeben und alles Stück für Stück aufgeschrieben, bevor wir es C. von Misanthropic Art zukommen lassen haben. Wir wussten, nachdem wir bereits vorher mit ihm zusammengearbeitet haben, dass dieser definitiv in der Lage sein wird, unsere Gedanken in Bilder umzusetzen. Und ich muss immer wieder betonen, dass er dies auch wirklich außergewöhnlich gut geschafft hat. Ich habe bei dem Endprodukt wirklich das Gefühl, dass wir nicht „nur“ ein Cover und ein Booklet bieten, sondern eben nochmal eine weitere Perspektive hinsichtlich des Albums und der einzelnen Songs.

Um direkt bei diesem Thema zu bleiben: Auch das Coverartwork gehört zu den interessanteren, die ich in letzter Zeit gesehen habe. Was hat es mit dieser Art von Totenzug auf sich und wie lässt es sich in euer Album einordnen?

Das Cover stellt einen Zyklus dar, somit das sich-wiederholende, mit welchem wir auf dem Album recht viel spielen. Letzten Endes deutet das Cover etwas nicht endendes, nämlich den Sterbeprozess, der parallel zu dem Aufkommen neuen Lebens verläuft (Säuglinge im Hintergrund). Dass dieser Prozess jedoch mehr als mysteriös wirken kann, da er schließlich bei kurzem Betrachten keinen besonderen Sinn ergeben mag, wird durch den nächtlichen Himmel und dem geschlossenen Auge gedeutet, wenn man so will. Man kann schließlich nicht hinter die Oberfläche blicken, sie ist dem Betrachter unzugänglich.
Abgesehen davon, dass wir auch in den Songs selber bewusst mit Wiederholungen gespielt haben, lassen sich die Gedanken an sich auch recht gut auf das Schaffen von Musik oder irgendeiner Kunstform übertragen. Auch haben viele Songs für mich etwas mysteriöses, unzugängliches.

Um nun auch endlich einmal auf den musikalischen Teil zu sprechen zu kommen, so gefällt mir an “The Mysterious Ways Of Repetitive Art“ ganz besonders die innere Geschlossenheit. Man hat tatsächlich das Gefühl, ein vollkommenes Werk in der Hand zu halten, obwohl es sich bei den Songs ja um einzelne, eher unabhängige Kapitel handelt, oder?

Ja, es handelt sich um ausschließlich unabhängige Songs, ein Konzeptalbum kann man „The Mysterious Ways…“ nicht nennen. Dennoch empfinde auch ich, dass es sich etwas konzeptuell anfühlt. Die Songs harmonieren sehr gut zusammen, was durchaus auch daran liegt, dass wir nach dem ersten Material ein Gefühl dafür bekamen, welche Grundatmosphäre wir diesmal einfangen wollen und dies ist uns meiner Meinung nach sehr gut gelungen. Das Album verläuft sehr natürlich, wobei sich die Stimmung der einzelnen Songs, die dann doch sehr anders sein kann, in ein wunderbares Ganzes verwebt.

Würdest Du sagen, dass die kantigen Thrash-Ausbrüche noch aus euren teilweise gemeinsamen Wurzeln bei den mittlerweile auf Eis gelegten INFERNÄL DEATH stammen?

Sie sind nicht zwanghaft auf das alte Projekt zurückzuführen, sondern vielmehr darauf, dass wir nun mal aus dieser „Szene“ stammen. Eine ganze Zeit lang war dies die Musik, die wir am meisten gehört haben. Oftmals sickert dieser Einfluss dann durch. Auch wenn sich unsere Ansprüche etwas verschoben haben, glaube ich, dass uns dieses gewisse „Unabgschliffene“ nie verlassen wird, was mir auch sehr zusagt. Tatsächlich finde ich, dass sich die manchmal sehr rohen, dem Black-Thrash zurückzuführenden Parts, sehr gut in den Rest des Albums einfügen. Solche Parts gekoppelt mit den manchmal sehr ruhigen Stellen ergeben eine mir sehr angenehme Abwechslung.

Das absolute Highlight sehe ich im genialen Abschluss-Epos “…of Repetitive Art“, indem ihr symptomatisch mit sich wiederholenden Elementen spielt. Was kannst Du zu diesem Stück erzählen?

Den Opening-Riff habe ich kurz nach der Summoning Black Gods geschrieben. Stück für Stück wurde der Song von da an aufgebaut. Hinzu kam dann die Geschichte von J.P. Hebel namens „Unverhofftes Wiedersehen“. Durch die Kalendergeschichte kam dann eben die Idee des sich wiederholenden, da sie mit eben dieser selbst sehr ausgeprägt spielt (sie baut letztendlich lediglich nur darauf auf). Das hat den Song maßgeblich geprägt. So wurde nicht nur der Anfang zum Ende, sondern ist auch der schnelle, jedoch trotzdem schleppende Mittelteil mit Bedacht auf die Geschichte entstanden. Wir waren selber sehr angetan von dem Song, wahrscheinlich auch, weil er doch relativ früh nach der SBG geschrieben wurde, was natürlich eine deutliche Weiterentwicklung darstellt. Ich bin hierbei sehr froh darüber, dass wir es zumindest nach meinem Gefühl geschafft haben, einen 10-minütigen Song zu schreiben, der jedoch stets interessant bleibt.

Ohne Frage, Old-School-Death-Metal bleibt weiterhin eine aktuelle, ja beinahe trendige Geschichte. Was machen CHAPEL OF DISEASE womöglich anders, als ein Großteil der grauen Masse?

Vielleicht die in diesem Interview angesprochene Vielfalt… Wir möchten uns nicht auf den Titel „Old School Death Metal“ begrenzen, was man vor allem bei dem 2. Album nun nochmal mal hören kann. Immer weniger begeistern mich die extrem riff-basierenden Sache, bei denen man manchmal das Gefühl bekommt, dass auf der Prioritätenliste nichts anderes steht, als gekonnt alte Bands nachzuspielen. Darauf haben wir keine Lust mehr und möchten uns selber mehr bieten, weshalb wir auf verschiedene Sounds setzen. Ich möchte damit nicht behaupten, dass wir etwas komplett neues erschaffen, da das einfach schwachsinnig wäre. Jedoch wollen wir auch nicht auf dem selben Level stehen bleiben, sondern stets einen eigenen und abwechslungsreichen Sound entdecken. Ich denke schon, dass man dies im Vergleich zu gewissen anderen Bands hören kann. Ob man dies dann selber nun mag, oder lieber weiter die neuen Bands mit den gleichen Sound hören möchte, sei jedem selber überlassen.

Was hat dich musikalisch im Jahr 2014 letztendlich so richtig beeindrucken können?

Schwer, ich muss gestehen, dass ich 2014 gar nicht so sehr auf dem Laufenden war. Die „Sweven“ von MORBUS CHRON finde ich wirklich gut. Ein wirklich abwechslungsreiches Album mit einer sehr verträumten Stimmung, was meines Wissens nach ja auch das Thema des Albums ist.
Auch hat mich die „Rave Tapes“ von MOGWAI wieder begeistern können. Sie kommt für mich nicht an die „Hardcore will never die, but you will“, oder auch an die „Mr Beast“ heran, dennoch ist es ein Album, was ich in diesem Jahr schon sehr regelmäßig und gerne gehört habe.
Das letzte aber selbstverständlichste was mir einfällt, wäre die „Otta“ von SOLSTAFIR. Grandioses Album…

Das war es auch schon soweit. Danke für das Beantworten der Fragen und viel Erfolg weiterhin. Die letzten Worte sind schließlich deine!

Ich bedanke mich bei dir und bei den Lesern und hoffe, dass der ein oder andere dem neuen Material seine Aufmerksamkeit schenken wird.

Galerie mit 18 Bildern: Chapel of Disease – Rock Hard Festival 2024
11.01.2015

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