Bülent Ceylan
Interview zum neuen Programm "Haardrock"
Interview
BÜLENT CEYLAN gehört zu uns – der Türke aus Mannheim (Monnem!) mit dem gepflegten Haupthaar ist nicht nur bekennender Metal-Fan, sondern auch der erste Comedian, der auf dem Wacken-Festival (Wacköön!) mit großem Erfolg aufgetreten ist. Auch in diesem Jahr ist er dort wieder am Start, und zudem ist das lustige Winnetou-Double mit neuem Programm unterwegs. „Haardrock“ heißt das aktuelle Motto der Tour. Grund genug, den sympathischen BÜLENT an die Strippe zu holen und „mol driwwer zu babble“ (Oxford-Deutsch: zu interviewen).
Dein neues Programm heißt „Haardrock“. Erzähl mal, worum es geht?
Geil ist schon mal, wie es mit dem Bühnenbild anfängt. Einmalig im Comedy-Bereich, es ist wie ein Rockkonzert, denn wir arbeiten mit Projektionen und Pyrotechnik wie auf dem Rockfestival, und erst denkt man „was geht jetzt ab?“, denn es startet mit Dudelsack und Rockmusik zusammengemischt, dann komme ich auf die Bühne und es explodiert. Dann gehe ich mit dem Schottenrock erst richtig ab!
Diesmal ist es auch mehr Bülent. Ich habe früher viel mehr Figuren gespielt, das neue Programm ist viel persönlicher geworden, und ich bin mehr als ich – als Bülent – auf der Bühne. Aber natürlich sind Mompfred, Harald, Hassan und Anneliese weiterhin im Programm, das sind so die berühmtesten Figuren. Anneliese sowieso, seit Conchita Wurst, da ist sie noch begehrter (lacht).
Die hat dich ja nachgemacht, sozusagen …
(lacht) Genau! Ich komme als Anneliese auf die Bühne und sag dann auch, dass ich die Schwester von der Conchita bin. Aber die Anneliese gab es ja natürlich schon viel früher, ich bin ja schon 16 Jahr auf Tour, das glaubt man ja nicht.
Das ist der Hammer, erst recht wenn man dich schon auf regionaler Ebene kennt. Im Vergleich zu deiner kompletten Karriere besteht die Präsenz im TV noch gar nicht so lange.
Ja, eigentlich gar nicht so lange, ich würde sagen so 5 oder 6 Jahre, in denen es richtig abgeht. In den ersten 10 Jahren war ich auch schon mal im „Quatsch Comedy Club“ oder so, aber dass man mich richtig bundesweit wahrgenommen hat, das kam echt erst nach knapp 10 Jahren.
Denkst du, dass dir der Metal da eine Hilfe war, um eine „Nische“ für dich zu finden? Es gab ja mit Kaya Yanar und Serdar Somoncu schon mindestens zwei Türken. Dein Äußeres als Metaller war dir schon eine Hilfe, um dich abzuheben, oder?
Ja, auf jeden Fall. Der Typ an sich und ich war ja auch der erste Komiker, der beim Wacken auf der Hauptbühne spielen durfte. Dieses Jahr bin ich wieder da, das ist für mich eine Riesenehre, und dann auch noch im Jubiläumsjahr! Dass es rockig ist und auch vom Tempo her abgeht wie auf einem Rockkonzert, das hat mir schon geholfen, um mich abzuheben. Es gibt ja kaum eine ruhige Minute, auch wenn es schon mal eine Message oder was zum Nachdenken oder auch was gegen Nazis gibt. Ich habe jetzt zwei Lieder im Programm, in dem einen geht so um das Leben an und für sich und in dem anderen, ein richtiges Metallied, geht es gegen Nazis. Das werde ich auch auf Wacken spielen und da geht es dann richtig ab.
Wie gesagt, das ist schon, was mich vom Typ her abhebt, der Mannheimer Dialekt und der Metal. Der Mensch braucht immer eine Schublade und will immer wissen „Wer ist das? Ahhh, der mit den langen Haaren, der Rocker!“. Mittlerweile sagen sie auch zu mir „der Rocker unter den Komikern“. Das gefällt mir auch besser, als wenn ich der „Ethno-Komiker“ wäre, weil das Image als Rocker schon besser ist (lacht) …
Und man kann sich mit dem Image natürlich auch viel mehr erlauben! Wobei das mit dem Mannheimer Dialekt ja eigentlich eher ein Minuspunkt ist (Bülent lacht), die Region kam ja bis jetzt sprachlich nicht so gut weg. Da ist es eigentlich schon gut, wenn einer wie du mal im TV den Dialekt bekannter macht. Unser Dialekt ist halt schon sehr derb …
Awwer der is trotzdem schä (lacht).
Ist schon schön, dass der Dialekt nicht mehr untertitelt werden muss.
Mannheim ist dadurch aber auch sympathischer geworden, weil die Leute dann merken, dass zwar der Dialekt komisch ist, aber die Leute ganz in Ordnung. Wenn ich jetzt natürlich in Norddeutschland spiele, dann rede ich auch nicht so ganz krassen Dialekt, damit die auch die Gags verstehen. Es macht ja auch keinen Sinn, wenn ich jeden Satz erklären muss (lacht). Mittlerweile kennen die auch schon ein paar Wörter, und es ist echt schön, wenn ein Hamburger kommt und sagt: „Alles klar mit de Bumbewasserzong?“. Ich bin dann verwirrt und frage oft, ob sie aus der Region sind, und dann kommt ganz fein zurück: „Nein, ich bin aus Hamburg“. Das ist schon geil (lacht).
(Bülent und ich beschließen nach kurzer Absprache, dass wir das Interview in derbstem Dialekt weiterführen, weil es einfach keinen Sinn hat, sich unnötig zusammenzureißen. Euch wird natürlich weiterhin die „normale“ Version geboten)
Du willst also beim neuen Programm mehr Bülent sein, ist das schwieriger oder einfacher?
Nein, es ist einfacher. Vorher war es so, dass ich mich natürlich immer versteckt habe hinter den Charakteren. Andere haben dann immer zu mir gesagt, du musst mehr Bülent sein, du bist doch voll der Typ und total sympathisch als Bülent. Harald, Hassan und Anneliese … die sind ja alle ganz witzig, aber du als Bülent hast doch sicher auch was zu sagen. Ich war dann immer unsicher: „Was soll ich denn als Bülent sagen?“. Das fand ich komisch. Dann habe ich es aber probiert und mittlerweile ist es so, dass eben viel mehr Bülent drin ist und weniger Kunstfiguren. Als Bülent kann ich mehr improvisieren, es kommt viel authentischer rüber. Eine Rolle ist doch immer eine Rolle, auch wenn man die natürlich authentisch spielen kann. Aber Bülent ist Bülent und da kann ich mich nur ganz wenig verstellen.
Am besten kommt im Moment an, wenn ich als Mompfred durchs Publikum gehe. Da nehme ich die Kamera von dem Kameramann, der auf die Leinwände projiziert. Ich nehme also die Kamera und filme das Publikum, vergleiche die dann mit dem, was mir gerade einfällt. Wenn einer zum Beispiel aussieht wie ein Geografie-Lehrer oder, als ob er der Mann von der Anneliese sein könnte. Die verrecken dabei so vor Lachen, weil das Improvisierte immer am besten ankommt. Ich sage dann im Prinzip, was die Zuschauer denken, und dadurch ist die große Halle nicht mehr so anonym, es kriegt dann etwas von einer Kleinkunstszene, man ist mittendrin und es wird intimer. Es waren dann zwar viele Leute da, aber trotzdem war es noch nah. Das ist mir sehr wichtig, der Draht zum Publikum.
Die richtig Großen – Helge Schneider, Hape Kerkeling –, die arbeiten ja auch immer mit Improvisation, das ist wohl die Königsklasse.
Genau, letztendlich macht es aber die Mischung aus. Etwas mehr Bülent als vorher tut dem Programm wirklich gut. Die Figuren kommen immer noch, denn die Leute wären auch enttäuscht, wenn die wegfallen, und letztendlich macht mich diese Vielfalt ja auch aus. Hätte nicht gedacht, dass ich das mal selbst sage – aber es ist mein bestes Programm seit 16 Jahren. Es fühlt sich rund an, die Leute haben nicht nur was zum Lachen, sondern auch was zum Staunen. Beim Bühnenbild haben sich die Techniker echt was einfallen lassen, sodass es Spaß macht zuzuhören und auch zuzugucken. Es lenkt trotzdem nicht ab, das war die eigentliche Kunst. Nicht alles vollzuballern, sondern nur zu projizieren, wenn es passt. Die Facebook-Einträge sind auch sehr positiv, die Fans sind begeistert. Das ehrt mich auch und da fällt eine Menge Druck ab, dass es gut ankommt und läuft. Bei der Premiere hat man immer Bammel, dass es nicht läuft und dass es hoffentlich so gut gefällt wie das Programm davor – am besten natürlich noch besser (lacht)!
Normalerweise interviewe ich ja Musiker und die haben für solche Fälle einen Gesangstrainer oder integrieren ein neues Instrument. Hast du jemand, der dir da konkret zur Seite steht und dich bei den Sketchen berät. Wo du was weglassen kannst, wann man eine Pause macht und lauter solche Dinge?
Ja, ich habe einen Regisseur, der über das Programm nochmal drüberschaut. Gerrit Schieske macht das mit mir und generell ändert sich das Programm über die Zeit natürlich auch. Wenn man die Premiere mit jetzt vergleicht, dann werde ich sogar manchmal angesprochen, ob es ein anderes Programm ist. Eine gewisse Basis ist natürlich drin, aber durch die Improvisation und weil hier und da mal was wegfällt – da wirkt es dann immer wieder anders.
Also ihr guckt euch das schon danach an, du guckst auch auf Facebook – das sind so deine Parameter, um am Programm zu feilen?
Ja genau, ich will ja die Leute zum Lachen bringen. Es bringt ja nichts, wenn es mir jetzt 30 Minuten selbst gefällt, aber in den 30 Minuten lacht keiner (lacht), das macht dann auch keinen Spaß. So war es bei der Premiere natürlich nicht, aber man merkt schon, was ein Riesenbrüller ist oder was sich auch über die Zeit vom Riesenbrüller zum „normalen Lacher“ wandelt. Die kennen das dann aus dem TV und das ist auch das Problem mit dem TV, man muss es da immer so dosieren und spielt ja kein ganzes Programm wie im Liveprogramm.
Ich sage immer, dass es live viel besser ist als im TV, und habe auch schon oft gehört, dass Leute, die mich im TV sahen, dann auch live viel beeindruckter waren. Die fanden mich vorher im TV so „geht so“ und sind dann aber live Fans geworden. Das ist natürlich geil, denn TV ist immer Konserve. Du weißt nie, wie die Stimmung ist. Man kommt heim, ist schlecht gelaunt, hat Stress mit dem Chef gehabt und schaltet den Fernseher ein. Dann kommt die Momentaufnahme und man entscheidet ganz schnell „ist nicht so mein Ding …“, dann hat man es aber so in Erinnerung und abgespeichert: „fertig aus, schmeckt net“. Aber live sitzt man mittendrin im Publikum, es herrscht eine ganz andere Atmosphäre und ich bringe auch mehr Gags als im TV.
Und dann sind da noch so ganz Verrückte, die sich das ganze Programm durchweg wegschmeißen vor Lachen, das steckt ja auch an. So ist es beim Musikkonzert auch, YouTube kann mit echtem Live-Erlebnis nie mithalten.
Und noch dazu ist ja auch nichts geschnitten. Vor kurzem hatte ich Mikropannen und wenn das im TV passiert, dann wird es geschnitten. Live lachen die Leute, dann kommt mein polnischer Tontechniker und muss mich neu verkabeln, das sieht dann aus als ob er mir am Arsch rumfummelt (lacht), dann müssen die Leute natürlich auch lachen. Pannen sind das Beste, was dir als Komiker passieren kann. Das ist etwas, was heute passiert und morgen wahrscheinlich nicht nochmal. Man muss eben damit umgehen können – wie damals, als in der Arena zwei Mikrofone ausfielen wegen einem benachbarten Zirkus, die haben unsere Funkstrecken belegt. Wir hatten also vorher tipptopp geprobt, waren uns ganz sicher und live war dann plötzlich der Ton weg. Ich hab echt gedacht, ich bin bei „Verstehen Sie Spaß?“. Letztendlich hat alles funktioniert, und die Leute fanden es klasse, die mögen es, wenn was nicht klappt.
Wie bei den Outtakes von Filmen. Der Film war so lala und die Outtakes sind dann der Brüller. Dieses Jahr geht es ja wieder nach Wacken. Wie ist das mit diesem Publikum, die sind doch noch krasser als deine normalen Fans. Hand aufs Herz, da hat man mehr Schiss, oder?
Ja, auf jeden Fall, klar. Ich bin ja ein Teil des Festivals, und die kommen ja nicht meinetwegen, sondern wegen dem Festival an sich, und dann muss man richtig Gas geben. Die leisen Gags kann man gleich daheim lassen, da ist Party, es ist laut und Open air. In meiner halben Stunde werde ich zwar beinahe verrecken, aber da muss ich alles geben. Bei der ersten Show war es auch so und es wird wohl dieses Jahr genauso aufregend sein.
Aber ist schon geil als Metaller auf Wacken, oder?
(lacht) Ja klar, deshalb mach ich es ja nochmal. Auch hinterher ist es toll, die Leute sind so nett und so relaxed. Es macht einfach Spaß und ich hoffe, dass ich einen guten Auftritt herzaubern kann. Diesmal werde ich auch länger dort bleiben, um das Festival noch mehr zu genießen.
Du gehst ja nach dem Konzert auch noch immer sehr lange raus zu den Fans, was ich richtig krass finde. Ich bin mir sicher, dass die nicht hinterm Berg halten, und wenn sie es scheiße fanden, dann sagen die dir das sicherlich auch ganz offen, direkt und unverblümt, oder?
Ja, die sagen das! Beim aktuellen Programm finden sie es zum Glück besser. In Wuppertal bei „Döner For One“, da hat mal einer ganz direkt gesagt, dass ich zu wenig improvisiere. Ich kann mich auch noch genau dran erinnern, dass der Auftritt zwar ok war, aber ich war eben noch sehr unsicher. Das hab ich mir damals sehr zu Herzen genommen, und es hat mich motiviert, dass es auf jeden Fall besser werden muss. Man muss immer an sich arbeiten, das ist schon wichtig.
Viele unterschätzen auch, dass es ein enormer Unterschied ist, ob man privat lustig ist oder auf der Bühne lustig sein muss. Das stelle ich mir schon sehr bitter vor, wenn man auf der Bühne alles gibt, um die Leute zum Lachen zu bringen, und nach der Show kommen sie ganz trocken auf dich zu und sagen „… war jetzt nicht so lustig“.
Es macht mir halt auch echt Spaß, und das merken die Leute, ob man sie wirklich zum Lachen bringen will und mit Herzblut dabei ist. Wenn alle lachen und sogar der Opa versucht zu headbangen, dann habe ich es geschafft.
Was jetzt nicht so super war, war dein Gesangsbeitrag bei „Inas Nacht“ letzte Woche. Da geht der Headbanger hin und ich denke, du singst „Highway To Hell“ oder zumindest mal „Smoke On The Water“ und was ist – du singst CAT STEVENS (YUSUF ISLAM) mit „Father And Son“. Na ja …
(lacht) Ach so … aber die Leute fanden es hammer, die haben meine Stimme gelobt, fanden das Lied gut und bei Musik hat ja eh jeder einen anderen Geschmack. Ein Metaller muss tolerant sein (wir lachen beide sehr …!).
Ja war schon ok, ich habe eben nur gehofft, du rockst jetzt voll ab …
(lacht) … und dann sing ich so ein trauriges Lied. Aber die haben mich gefragt, was ich singen will, und am besten noch auf Englisch. Also hab ich überlegt, was ich früher so für mich gerne gesungen habe. Ob ich jetzt Metaller bin oder nicht, ich mag ja auch ruhige Sachen und CAT STEVENS fand ich als Sänger schon immer super, auch textlich. Man will die Leute auch manchmal überraschen und bei Inas Nacht ist ja das Publikum etwas älter, obwohl das kann man ja eigentlich nicht so sagen, die geht ja schon sehr ab.
Das wirkt nur wegen dem Shanty-Chor so, der zieht den Schnitt runter. Beim Rocko-del-Schlacko-Festival hast du auch mal mit KORN gespielt. Spielst du denn ein Instrument oder hast du mal in einer Band gespielt?
Ich war früher in einer Rockband und da hab ich gesungen, eine regionale Rockband namens MAIN. Da hat mal einer vom Mannheimer Morgen (regionale Tageszeitung) über uns geschrieben, wir wären für Deutschland die große Rockzukunft, wir seien der Hammer, und wir haben uns echt was eingebildet damals (lacht). Es war aber eben nur regional und es lag wohl daran, dass wir einfach keine Geduld hatten und jeder schnell was anderes gemacht hat. Comedy war mir näher und jetzt kann ich es ja auch irgendwie verbinden, Rock und Comedy.
Als 12-Jähriger habe ich aber auch mal für zwei Jahre Geige gespielt und auch etwas Gitarre geübt. Ich kann schon alles nicht so ganz, aber hier und da mal was, so richtig spezialisiert bin ich nur als Entertainer.
Es sah auf jeden Fall so aus, als ob du weißt, was du da machst.
(lacht) Ja, ja, auf jeden Fall. Ich bin jetzt aber trotzdem kein richtiger Sänger oder so. Wenn ich neben XAVIER NAIDOO stehe, ganz egal ob man die Musik mag oder nicht, und höre, was man mit der Stimme alles machen kann (lacht), da komme ich mir vor wie so’n Wurm. Der haut dich weg mit seiner Stimme, besonders wenn er direkt neben dir steht – Hammerstimme, der Typ!
Bis hierhin schon mal vielen Dank, aber noch eine letzte Frage: Wer wird Weltmeister?
Da meine Mutter Deutsche ist und mir gesagt hat, dass ich das sagen soll (lacht), sag ich mal Deutschland!
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