Die fünf Herrschaften von CENESTHESIE liefern mit ihrem Debüt „Visceral“ den erneuten Beweis dafür, dass sich Frankreichs Metalszene zu einer der kreativsten und hochklassigsten weltweit gemausert hat. Dass ich – wie in vielen anderen Reviews bereits geschehen – immer wieder auf diesen Umstand hinweise, hat dabei mitnichten den Grund, dass diese Tatsache ein dankenswerter Einstieg für eine Rezension wie diese darstellt. Nein, vielmehr nötigt es mir wirklich immer wieder den höchsten Respekt ab, wenn ich mir vor Augen führe, was für ein teilweise erschreckend hohes Niveau viele Releases aus unserem Nachbarland an den Tag legen.
Diese Herrschaften aus Bordeaux spielen anspruchsvollen Progressive Metal mit gelegentlichem Hang zur Eingängigkeit, zu verorten irgendwo zwischen ihren Landsleuten GOJIRA, ERYN NON DAE und KLONE sowie eher ruppig-experimentell agierenden Formationen wie beispielsweise HEART OF A COWARD oder auch ION DISSONANCE. Zudem tauchen insbesondere in der Gitarrenarbeit immer wieder Reminiszenzen an den Prog-Death-Urvater Chuck Schuldiner auf. An der dennoch wütenden, phasenweise fast schon Hardcore-lastigen Attitüde der elf Kompositionen hat nicht zuletzt Fronter Jan Cresseveur seine Aktien – der Sänger agiert überwiegend sehr barsch und aggressiv, hin und wieder aber leider auch etwas eindimensional.
Ansonsten geben die Kompositionen wenig Angriffsfläche für Kritik. Ob technisch-vertrackte Hassbatzen wie das verkopfte „Traces“ oder das abgedrehte „Crier Pour Survivre (Part 1)“, bitterböse Walzen wie das weltverneinende „Acédie“ oder fast schon jazzig anmutende Momente wie im bockstarken „Seul“ – CENESTHESIE präsentieren sich im Verlauf einer durchaus kurzweiligen Stunde als sehr versierte und kreative Instrumentalisten. Lediglich das aggressive „Genese“ offenbart gegen Ende dezente Längen – es ist aber einer der ganz raren, schwächeren Momente auf „Visceral“. Vor allem der Schlusstrack „A Jamais“ besitzt noch einmal wirkliche Klasse, nach rhythmisch verquerem Auftakt lärmt der Song energisch nach vorn, in der Folge gefällt insbesondere die griffige Synthese aus technischer Verspieltheit und organischem Groove. Der Schlusspart mit unter anderem einigen Gangshouts und gefälligem Post-Metal-Riffing beendet das Stück schließlich in starker Manier.
Man kann konstatieren, dass den Franzosen mit ihrem Debüt ein wahrlich respektables und engagiertes Werk gelungen ist, an dem dem Freunde experimentell wie auch brachial inszenierten Metals große Freude haben sollten. Trotz Abzügen in der B-Note (dem nicht immer abwechslungsreichen Gesang) verdient man sich am Ende eine gute Wertung, insbesondere, weil „Visceral“ eine unbändige Kreativität und Spielfreude an den Tag legt. Das Label „Made in France“ – um den Bogen zum Anfang zu spannen – hat somit einen weiteren Qualitätsnachweis erfahren. Und ich hoffe doch sehr, dass sich die Szene unseres Nachbarlands ihre Frische und Eigenständigkeit bewahren kann, damit wir uns auch in Zukunft an solch gelungener Überraschungen wie dieser hier erfreuen können.
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