[Setzt sich hin, mp3-Player im Anschlag. Klickt sich durch die aktuellen Promos.] Hm, interessanter Name: CORTEZ. Darunter kann ich mir so GAR nichts vorstellen. „Phœbus“? Griechische Mythologie: Gott des Lichts, der Heilung, des Frühlings. Hilft mir auch nicht weiter. Schickes Cover, passt zum Titel, würde ich sagen. Kann mir immer noch nicht vorstellen, wie CORTEZ wohl klingen.
[Macht den ersten Song „Temps mort“ an.] Eine langsam lauter werdende Rückkopplung. Der Bass schleicht sich langsam mit ein […] Passiert jetzt eigen- Oha, was ist das? Ziemlich mit Hall beladenes Schlagwerk, das da plötzlich nach gut einer Minute auftaucht. Ziemlich dichter Klang. Was für ein Takt ist das? Und wieso gibt’s jetzt nur einen Gitarren-Orgelton mit Hi-Hat-Begleitung? […] AAAARGH!
So in etwa lief meine erste Begegnung mit den frankophonen Schweizern (und nicht den US-Doomstern) von CORTEZ ab. Je nachdem, wie man zählt, handelt es sich hierbei um ein Drei- oder Viergestirn (jemand namens Sam fungiert quasi als die „graue Eminenz“ im Hintergrund und hat von dort ein Auge auf die Aktivitäten der drei anderen Musiker), der mich mit „Phœbus“ gerade eben mal komplett umhaut. Während des Openers „Temps mort“ wusste ich echt nicht, wie mir geschieht. Völlig undurchschaubares Schlagzeugspiel (das ist ein Kompliment!), das trotz des massiven Reverbs genügend Raum für… tja… „Wände“ ist da noch deutlich untertrieben… „monolithisch“ trifft’s auch nicht wirklich, dafür sind die Saiteninstrumente zu dynamisch… einigen wir und darauf, dass Gitarren und Bass im Klangbild genügend Platz haben, den nichts oder nur wenig ahnenden Hörer nach allen Regeln (oder eben nicht) der Kunst wegzublasen – und sie nutzen diesen Platz!
Vergleiche wollt ihr? Gibt’s nicht. Wirklich nicht. Zumindest kenne ich nichts, das irgendwie Pate gestanden haben könnte. CORTEZ sind im positivsten Sinne unerhört – brutal, atmosphärisch, mitreißend. CORTEZ brauchen keine ausgefeilten Melodien, CORTEZ leben von den ausladenen Gitarrenmotiven, die sich mit den spärlichen Leads verzahnen, dabei harmonische Auflösungen erzeugen, die anderen Bands nicht in ihren schönsten Alpträumen einfallen würden; CORTEZ sind eine Walze, angetrieben vom unfassbar abwechslungsreichen Schlagzeugspiel Gregs, der scheinbar spielerisch zwischen allen verfügbaren Takten wechselt und den zehn Songs nicht nur unglaubliche Dynamik, sondern auch eine unvorsehbare Komponente verleiht.
Natürlich habe ich versucht, „Phœbus“ irgendwo in meinem musikalischen Kosmos einzuordnen – dabei kommen so Namen wie THE DILLINGER ESCAPE PLAN, GOJIRA, BURST und NEUROSIS herum. Wer sich vorstellen kann, wie die Schnittmenge dieser vier Bands klingen könnte, sollte sich CORTEZ vielleicht einmal anhören – und wird trotzdem überrascht sein. Ein Wahnsinns-Album.
Großartige Band, die leider in 2022 die Segel gestrichen haben.
Die Alben „Phoebus“ oder „No more Conqueror“ haben es wirklich in sich. Der kommerzielle Erfolg blieb wohl leider aus.
Zum Glück habe ich beim Ausverkauf ihrer Restbestände noch ein paar signierte Alben ergattert.