Ungfell - De Ghörnt

Review

UNGFELL tauchen mit ihrem vierten Album erneut in die alpine Sagenwelt ein. „De Ghörnt“ meint nämlich nicht etwa jenen Gehörnten, den Black-Metal-Bands aus aller Welt üblicherweise leidenschaftlich besingen, sondern den so genannten Rollibock.

„De Ghörnt“ macht den Jäger zum Gejagten

Dabei handelt es sich um einen schweizerischen Naturgeist, der über die Umgebung des Aletschgletschers wacht und in der Gestalt eines großen Bocks mit glühenden Augen und klimpernden Eisschollen im Fell auftritt. Die zugehörige Sage ist schnell zusammengefasst: Ein Jäger benimmt sich im Gebiet um der Aletschgletscher fürchterlich daneben und zieht damit den Groll des Rollibocks auf sich, was für den schießwütigen Unhold freilich nicht gut ausgeht.

Musikalisch bleiben sich UNGFELL im Kern treu, setzen dabei aber selbstbewusst den Weg fort, der sich auf „Es Grauet“ bereits abgezeichnet hat. Konkret heißt das: Man entfernt sich weiter vom knorrig-klirrenden Charakter der ersten beiden Alben und gibt sich insgesamt etwas zugänglicher. Dies schlägt sich besonders in einem ausgewogeneren, weniger scheppernden Klangbild nieder, doch auch in Sachen folkiger Melodik hat das Züricher Duo noch ein paar Scheite aufs Kaminfeuer seiner Berghütte gelegt. Diese Entwicklung wird freilich nicht auf universelle Gegenliebe stoßen, eigenwillig bleiben UNGFELL aber allemal.

So laviert der Opener „S Alpenglüeh” gewitzt zwischen rasendem Melodic Black Metal, dem wie immer in Schwyzerdütsch herausgegrölten Gesang und beschwingt fröhlichem Geklimper, das unweigerlich Erinnerungen an frühe FINNTROLL auf den Plan ruft. Allerdings sind die Keyboards bei UNGFELL nach wie vor lediglich ausschmückender Natur, denn die beiden vermeiden es konsequent, finnisch dick aufzutragen und setzen nie auf platten Bombast oder bierseliges Geschunkel.

Abwechslungsreich und detailverliebt

Häufiger werden folkige Elemente durch Rhythmik und die vielseitigen Leads transportiert, die wie etwa bei der Vorabsingle „Im Ruusch“ auch gerne mal in den klassischen Heavy Metal hinüber grätschen. Verträumte Akustikparts sorgen immer wieder für besinnliche Verschnaufpausen und neben den vielen liebevollen Details, welche in die Stücke eingeflochten sind, legen UNGFELL auch im übergeordneten Kontext Wert auf Abwechslung. „D Pracht Vom Eggishorn“ etwa protz passend zum Titel mit alpiner BATHORY-Epik, während das zunächst melancholische „De Geischt Vom Märjelesee“ zum Ende hin sogar dazu einlädt, das Tanzbein zu schwingen.

Markenzeichen der Schweizer sind neben mit Bedacht eingesetzten, verschrobenen Klargesangseinlagen auch die kraftvoll herausgeschmetterten Refrains. Die animieren einerseits immer wieder zum Recken der Fäuste, haben beim schwedisch melodischen Quasi-Titeltrack aber auch irgendwie etwas liebenswert Schrulliges. Man male sich in Gedanken einfach mal ein Bild davon, wie eine schwarz gerüstete Black-Metal-Meute laut im Chor „Rollibock, Rollibock“ skandiert.

UNGFELL bleiben trotz erhöhter Zugänglichkeit eigenwillig

Ihre Eigentümlichkeit haben sich UNGFELL also trotz des differenzierteren und weniger ruppigen Ansatzes bewahrt. Dabei ist „De Ghörnt“ wieder eine rundum gelungene Entdeckungsreise ins Reich der Mythen und Mären aus der Schweiz geworden, nur eben mit etwas weniger Pestilenz.

Man kommt außerdem nicht ganz umhin festzustellen, dass UNGFELL inzwischen vom kauzigsten zum wahrscheinlich zugänglichsten Projekt der beiden umtriebigen Eidgenossen geworden ist, die ihre Finger ja bekanntlich in einigen Töpfen der heimischen Szene haben (u. a. KVELGEYST, ATEIGGÄR).

12.12.2024

"Musik hat heute keinen Tiefgang mehr." - H.P. Baxxter

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1 Kommentar zu Ungfell - De Ghörnt

  1. sardine sagt:

    Definitiv eins der Top Alben für mich aus 2024. Ungfell fand ich schon immer stark oder wenn man so will faszinierend eben durch deren Schrulligkeit. Aber es störte bei mir auch schon immer den Hörfluß. So richtig genießen konnte man das nie es war immer zu anstrengend und auch zu zerhackt irgendwie. Das haben sie jetzt mit dem Album eindeutig verbessert, das ganze Album hat einen tollen und durchgängigen Fluss der es super zu einem Ganzen werden lässt. Seit der VÖ läuft das Teil bei mir eigentlich täglich und nutzt sich null ab. Die Songs behalten auch stehts ihren Drive und kippen nicht ins Gedudel ab wie es beim letzten Album leider hin und wieder der Fall war. Von mir ganz klar ein Highlight im auch sonst sehr starken Jahr 2024.

    9/10