Judas Priest - Sin After Sin

Review

Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.

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Nachdem die ersten beiden Alben auf einem Kleinstlabel erschienen, hatten JUDAS PRIEST mit ihrem famosen Zweitwerk „Sad Wings Of Destiny“ das Interesse von CBS auf sich gezogen: Ein Major-Label also, das finanziell ganz andere Möglichkeiten bot, von der Verbreitung der Musik einmal ganz abgesehen. Der Fünfer aus Birmingham setzte schließlich die Tinte unter den Vertrag, was gleichzeitig bedeutete, dass alle Rechte an den ersten beiden Scheiben an das alte Label Gull Records abgetreten werden mussten. Dennoch: Die Zukunft sah doch gleich ein ganzes Stück rosiger aus, vor allem mit einem Studiobudget von satten 60.000 £.

Rosige Aussichten und chaotische Aufnahmen

Allein: Es sollte erstmal anders kommen. Als JUDAS PRIEST nämlich im Januar 1977 für ihr Drittwerk „Sin After Sin“ ins Studio gingen, folgte die wohl chaotischste Phase in ihrer Karriere. Das fing schon damit an, dass CBS unbedingt einen erfahrenen Produzenten mit den Aufnahmen betrauen wollte und den ehemaligen DEEP PURPLE-Bassisten Roger Glover vorschlug. JUDAS PRIEST wollten nach den Erfahrungen der letzten Produktionen eigentlich das Heft selbst in die Hand nehmen, willigten aber ein.

Allerdings verliefen die Aufnahmen nicht zu ihrer Zufriedenheit, weswegen Glover schon nach einem Tag wieder nach Hause geschickt wurde. Damit wurde aber nichts besser: Die folgenden Tage und Wochen verliefen ungeordnet und die Aufnahmen waren wenig überzeugend, weswegen die Jungs aus Birmingham wieder bei Glover anklopften. Der rettete dann in den sechs verbleibenden Studiotagen, was zu retten war.

Warum einfach, was auch doppelt geht?

Ein weiteres Problem war, dass Drummer Alan Moore die neuen Stücke nicht so überzeugend umsetzen konnte wie von seinen Bandkollegen gewünscht. Also wurde er kurzerhand vor die Tür gesetzt und mit Simon Phillips ein Sessiondrummer engagiert. Der war zwar zum Zeitpunkt der Aufnahmen noch keine Zwanzig, hatte aber schon mit Brian Eno und Phil Manzanera (beide ROXY MUSIC) in deren Supergroup 801 zusammen gespielt. Erfahrung hatte er also, und letztlich formte er zusammen mit seinen neuen Kollegen aus rudimentären Vorgaben den neuen JUDAS-PRIEST-Sound.

Rückwirkend wird ja gesagt, dass gerade sein Double-Bass-Spiel nicht nur für JUDAS PRIEST, sondern auch für den noch jungen Heavy Metal gleich völlig neue Wege aufgezeigt habe. Phillips wiegelt in einem jüngeren Interview allerdings ab und verweist auf den US-amerikanischen Drummer Tommy Aldridge, von dem er stark beeinflusst worden war. Ganz britischer Gentleman. „Sin After Sin“ allerdings zeigt ihn und die anderen JUDAS-PRIEST-Jungs von ihrer wilden Seite. Und das Album zeigt andere Einflüsse.

JUDAS PRIEST zeigen sich beeinflusst und originell

Das beginnt schon mit dem Auftaktsong „Sinner“, das in den Strophen ein halbes Bluesschema auffährt, den Chorus dann allerdings zu einem halben Musical ausbaut – jedenfalls kommen hier unweigerlich QUEEN und die Rocky Horror’s Picture Show in den Sinn. Das Gitarrenriffing zeigt darüber hinaus aber die Stringenz und gleichzeitig die Variabilität späterer Kompositionen auf, mit denen JUDAS PRIEST zu den Heavy-Metal-Hohepriestern wurden, die sie heute sind. Noch einmal zu den Einflüssen: Der zweite Song (gleichzeitig die erste und einzige Single vom Album) ist eine Coverversion von „Diamond And Rust“ der Hippie-Ikone JOAN BAEZ. Allerdings formen sie das Stück so geschickt zu ihrem eigenen Song um, dass die amerikanische Musikerin ihrerseits Spaß an dieser Version fand. Vor allem der souveräne und hohe Gesang von Rob Halford ist ein Pluspunkt.

„Starbreaker“ wiederum ist typisch für die Art Heavy-Metal-Songs, mit denen die Priester in den folgenden Jahren durchstarten sollten. Das Riffing verbindet Heavyness und Drive, der Songaufbau ist klar, der Refrain eingängig (einzig das Stilmittel der Handclappings sollte in den kommenden Jahren nicht weiter verfolgt werden). In diese Kerbe schlägt auch das abschließende „Dissident Aggressor“, bei dem das Gitarrenriffing von einem schleppenden Double-Bass-Rhythmus angetrieben wird, während Halford seine Stimme sirenenhaft in die Höhe schraubt. Sicherlich kein Song, den man als Fan auf Konzerten mitgrölen würde, aber dadurch nicht weniger gut.

Neben den offensichtlichen Metal-Songs finden sich auf „Sin After Sin“ auch zwei getragene Stücke, ja Balladen: „Last Rose Of Summer“ und „Here Come The Tears“ zeigen das ganze stimmliche Spektrum von Rob Halford, verharren mit ihren Flanger-Gitarren aber ganz im Sound der Siebziger. Bei aller Liebe für getragene Momente, aber gerade ersteres Stück ist eher ein Schwachpunkt auf dem Album. Ganz anders als „Let Us Prey/Call For The Priest“, bei dem wieder Double-Bass-Drums für den richtigen Antrieb und Riffs und Melodien für Begeisterung sorgen. Beide Seiten des Albums starten also flott und unwiderstehlich. Noch eine Sache: Wenn man so will, stand gerade dieses Songdoppel Pate für „The Hellion“/„Electric Eye“ von ihrem 1982er-Album „Screaming For Vengeance“. Hört euch mal beides auf diesen Aspekt hin an.

(Nicht ganz so) versteckte Botschaften

Fehlt noch ein Song, und der ist aus einem anderen Grund bemerkenswert: Schlüpfte Rob Halford beispielsweise im Text von „Cheater“ noch in die Rolle des gehörnten Ehemanns (einer Frau), ist „Raw Deal“ ein frühes Outing. Wir erinnern uns: Der Sänger ging ja erst 1998 mit seinem Bekenntnis an die Öffentlichkeit, homosexuell zu sein, aber eigentlich steht schon im Text zu „Raw Deal“ ziemlich deutlich, was Sache ist:

„All eyes hit me as I walked into the bar

The spikey leather guys were foolin with the denim dudes“

Und nein, das in der Zeile darauf erwähnte „Fire Island“ ist wirklich kein Drink. Wenn man sich den etwas behäbigen Song daraufhin noch einmal anhört und mit dem zackig vorgetragenen Text in Kontext setzt, gewinnt das Stück deutlich: „The true free expression I demand is human rights – right?“

„Sin After Sin“: Weichenstellung für die Zukunft

JUDAS PRIEST konnten also den Qualitätsschub, den sie mit dem Vorgängeralbum machten, weitgehend halten und durch den besseren Plattendeal den Erfolg auf ein neues Level hieven: „Sin After Sin“ erreichte Platz #23 der britischen Charts und wurde auch in Schweden gelistet. Allerdings mussten sich die Briten bereits auf der anschließenden Tour wieder mit einem neuen Schlagzeuger vertraut machen: Simon Phillips wollte weiterhin als Session-Drummer arbeiten und nicht fest einsteigen, weshalb schließlich Les Binks angeheuert wurde, der die Double-Bass-Parts reproduzieren konnte.

Womit wir abschließend noch einmal bei der Bedeutung von „Sin After Sin“ angelangt sind: Denn die Band stellte gerade im Songwriting und beim Riffing der beiden Gitarristen Glenn Tipton und KK Downing die Weichen in Richtung Zukunft. Und ja, Double-Bass-Drums sollten aus dem Heavy Metal nicht mehr wegzudenken sein.

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16.10.2024

- Dreaming in Red -

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