Die Möglichkeiten, die sich in der Rock- und Metal-Musik jenseits der Verwendung des konventionellen Instrumentariums bieten, werden nach wie vor unzureichend ausgeschöpft. Es gibt immer noch zu wenig Bands, die sich mal wirklich was trauen. Aber eine von den Formationen, die sich aller konservativer Kritiken zum Trotz seit einiger Zeit dagegen auflehnen und eine durchaus passionierte Anhängerschaft ansammeln konnten, sind die Italiener OTTONE PESANTE, die mit Schlagzeug, Trompete und Posaune bewaffnet seit fast zehn Jahren mittlerweile den Untergrund unsicher machen und damit sogar Features bei Bands wie CATTLE DECAPITATION oder JAPANISCHE KAMPFHÖRSPIELE landen konnten.
OTTONE PESANTE blasen wieder zum Angriff
Die frühen Jahre waren dabei definitiv noch mehr von einem thrashigeren, mit ordentlich Speed unterfütterten Sound geprägt, bei denen die Bläser der Herren Paolo Raineri und Francesco Bucci relativ knackig und roh aufspielen durften und dabei zackige Songs der Marke „Brutal“ oder „Lamb With Seven Horns And Seven Eyes“ produzierten. Auf einzelnen Songs experimentierte man auf den ersten beiden Vollzeitalben „Brassphemy Set In Stone“ und „Apocalips“ aber schon mit langsameren Tempi und Effekten für mehr Atmosphäre, ein Konzept, das auf dem Album „DoomooD“ erstmals in voller Länge erkundet worden ist.
Jetzt, nach fünf Jahren Wartezeit kommt endlich ein neues Album in Form von „Scrolls Of War“ und geht den experimentellen Weg weiter, der auf der zwischenzeitlich erschienenen EP „… And The Black Bells Rang“ schon angerissen worden ist. Demnach ist „Scrolls Of War“ der erste Teil einer geplanten Konzepttrilogie mit historischem Hintergrund, wobei im Speziellen wohl die Rolle der Blasinstrumente im Hinblick auf die historische Kriegsführung beleuchtet werden soll. Dieser erste Teil beruht auf einem Zeitdokument, der 1947 in Qumran gefundenen, sogenannten „Kriegsrolle“, in der mit offenbar biblischer Symbolik versehen Kriegsschlachten im Detail dargelegt werden.
Die Klangexperimente der Italiener werden noch intensiver
Die hyperenergetischen Dicke-Backe-Thrasher von anno dazumal scheinen fürs erste weitestgehend ad acta gelegt zu sein, auch wenn es in Form von „Teruwah“ durchaus ein wenn auch nicht so verrücktes Callback an jene zackigen Biester gibt. „Scrolls Of War“ bedient einen deutlich atmosphärischeren, progressiveren Sound, der sich mehr durch Effekte und interessante Klangtexturen denn Knackigkeit auszeichnet. Und so richtig blüht dies auf den langsamen, trauermarschartigen Cuts auf wie „Men Kill, Children Die“ oder „The Battle Of Qadesh“, in dem LILI REFRAIN einen Gastauftritt hat. Letzteres ist auch der große, stimmungsvolle Höhepunkt von „Scrolls Of War“, nicht zuletzt dank des Gesangs, den LILI REFRAIN beisteuert.
Es gibt aber auch heaviere Cuts wie gleich der Opener „Late Bronze Age Collapse“, bei dem Buccis Posaune durch Effekte eine geradezu fuzzig-kratzige Textur aufweist, die durch den rhythmisch ziemlich abwechlsungsreichen Track hindurch geleitet, während Raineris oft langgezogenen Trompeten-Klänge wie Gespenster durch den Äther spuken. In „Slaughter Of The Slains“ geht es noch einmal richtig ans Eingemachte. Hier herrscht eine sludgig angeschwärzte Note vor, was durch die verzerrten Shrieks im Hintergrund noch einmal untermauert wird. Währenddessen knüppelt Beppe Mondini an den Drums wie besessen in den Fellen und Kesseln herum, was dem Song natürlich umso mehr manische Energie verleiht.
Dadurch könnte man zwischenzeitlich vergessen, dass man auf „Scrolls Of War“ im Wesentlichen Blasmusik hört
OTTONE PESANTE sind mit „Scrolls Of War“ noch experimenteller und avantgardistischer geworden, als sie vorher schon gewesen sind, was das Album zunächst einmal ziemlich sperrig macht. Möglicherweise schließt sich dadurch aber auch ein Stück weit der Kreis, denn durch den dicken Effektteppich werden die Bläser teilweise in etwas derart andersartiges verdreht und verzerrt, dass man zwischenzeitlich kaum merkt, dass man einer Bläsersektion zuhört. Bei „Seven“ werden die Bläser dann mal wieder clean in Szene gesetzt, was trotz Blastbeats jedoch ein bisschen die rohe Energie von früher missen lässt. Ist auf weiter Flur aber auch der einzige Stinker der Platte – und zudem noch der mit Abstand kürzeste Track der Platte, sodass die Italiener weich fallen.
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