Das Debütalbum der Amerikaner MOTHER OF GRAVES aus dem Jahr 2021 war ein schönes melodisches Death-Doom-Album, das viel von der Sarg-Luft der alten KATATONIA in bester 90er-Manier atmet. Das Album fängt den Spirit der Zeit gut ein, manifestiert die Band aber nicht unbedingt in einer neuen Nische. Mit „Where Shadows Adorn“ liegt nun der Nachfolger vor.
Von einer Abkehr vom Kult um KATATONIA „Brave Murder Day“ aus der Mitte der Neunziger kann grundsätzlich keine Rede sein, und MOTHER OF GRAVES knüpfen relativ nah an ihr Debüt an. Die Tracks wirken insgesamt etwas tighter, die Arrangements insgesamt eingängiger und natürlicher und vor allem vom Sound her klingt „The Periapt Of Absence“ voluminöser.
In Sargluft geritzt
Die Kombination aus Geschwindigkeitsausbrüchen und relativ schnellen Parts mit vielen tragenden Leads und nachdenklichen Passagen findet sich wieder. So erinnert der Beginn von „Shatter The Visage“ stark an „The Emptiness Of Eyes“ vom Debütalbum, das viel EDGE OF SANITY- oder ENTOMBED-zu-Clandestine-Zeiten-Feeling heraufbeschwört, um dann wieder im Tempo abzufallen. Dass der Vorgänger gewollt antiquiert klingen durfte, scheint logisch, aber der nächste Schritt in einen zeitgemäßen Sound ist der Band auf jeden Fall gelungen.
Wer jetzt gleich in die Diskussion einsteigen möchte, ob es überhaupt Sinn macht, einem Kult derart zu huldigen und mit einer Musik, die bereit ist, die eigene Identität aufzugeben, um wie ein Monument aus der Vergangenheit zu klingen, der kann die Scheibe eigentlich gleich wieder weglegen, denn MOTHER OF GRAVES sind anno 2024 noch näher am KATATONIA-Sound als je zuvor. Vergleiche mit alten MY DYING BRIDE oder OCTOBER TIDE sind nicht von der Hand zu weisen, aber entscheidend sind definitiv der Gesang, das Riffing und auch das Flair von „Brave Murder Day“ oder „Sounds Of Decay“, das unüberhörbar eingefangen wird.
Retrospektiv aber durchweg unterhaltsam
Das Album ist mit seiner knappen Dreiviertelstunde Spielzeit eine sehr kurzweilige und unterhaltsame Retrospektive, die dazu anregt, sich wieder intensiver mit den schwedischen Death Metal-Veröffentlichungen der Neunziger zu beschäftigen. Das Album selbst ist trotz seiner klaren Ausrichtung musikalisch ansprechend und vielschichtig. Tracks wie „A Scarlet Threnody“, „As The Earth Fell Silent“ oder der Titeltrack sind Garanten für Gänsehaut und unterliegen wie der Rest der Platte keinen wesentlichen Abnutzungserscheinungen.
Wer sich also nicht vor dem Kult der 90er scheut und auf kraftvollen Melodic Death Doom steht, ist bei MOTHER OF GRAVES bestens aufgehoben.
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