Mit seinem Krimi „Death Over Wacken“ vermischt der Autor Bastian Zach klassische Noir-Krimis mit der besten Szene der Welt. Dass diese Kombination auch schiefgehen kann, zeigte der vergessenswürdige Film „Tatort – Borowski und das unschuldige Kind von Wacken“. Doch im Gegensatz zu den Autoren dieser unsäglichen Verschwendung von Produktionsgeldern, beweist Bastian Zach nicht nur Liebe zur Musik, sondern auch handwerkliches Geschick in der Figurenentwicklung – und das immer mit einem Augenzwinkern.
Am Anfang war das Klischee
Wir begleiten den trinkfreudigen und in einer Midlife-Crisis feststeckenden Lars, der von seinem Freund Mike auf das berühmte Wacken Open Air verschleppt wird. Hier trifft er seine entfremdete Tochter Mia, die mit ihrer Band VENGEFUL REGRETS (sic!) beim Battle Of The Bands auftreten soll. Dummerweise hat die Polizei den Gitarristen Mot wegen Mordverdachts vorläufig festgenommen. Denn John Gallows, Sänger, Gründer und Superstar der Dark-Metal-Band THE SUICIDERS, fand man erhängt an der Main Stage. Lars soll nun den wahren Mörder ausfindig machen, sich mit seiner Tochter versöhnen und nebenher noch die Liebe zum Metal entdecken. Denn leider hört er nichts Härteres als DEEP PURPLE.
„Death Over Wacken“ bietet 413 Seiten zum Schmunzeln
Die Handlung wirkt zunächst konstruiert, aber das scheint dem Autor bewusst zu sein. Kreativ arbeitet er gegen die bekannten Klischees klassischer Detektivgeschichten an. Sei es Lars’ Vergangenheit als knallharter Ermittler oder das Trauma, das ihn in ein saufendes Wrack verwandelt hatte. Nichts davon entwickelt sich so, wie der Leser es kennt oder erwartet und für diese gekonnte Parodie gebührt dem Autor Respekt. Man kann sich sogar so weit aus dem Fenster lehnen, zu sagen, dass Zachs Figuren und ihre Entwicklungen einen angenehmen frischen Wind ins Krimigenre bringen.
Ganz nebenher zeigt er noch das liebenswerte Chaos des weltgrößten Heavy-Metal-Festivals auf. Sei es die an klassische Fantasyromane erinnernde Landkarte am Anfang des Buches oder die passende Beschreibung von Bässen und anderen Klängen. Bastian Zach präsentiert dem Leser eine Welt, die viele von uns kennen und die uns immer wieder verzaubert. Er weckt mit der Erwähnung einzelner Stages und der Stände Erinnerungen und Vorfreude gleichermaßen. Besonders amüsant gestalten sich die einzelnen Kapitel, wenn der unbescholtene Lars auf den Wahnsinn der Szene trifft. Wir können nicht anders als schmunzeln, wenn er seinen ersten Moshpit während eines Grindcore-Konzerts erlebt. Es kommt ehrliches Mitleid auf, als er sich voll wie eine Haubitze über die Campingarea quält und verzweifelt seinen Bereich sucht. Und immer wieder entwickeln wir als Leser dieses herrlich warme Gefühl, wenn Lars mit Schlägen rechnet, weil er im Gedränge jemandem das Bier aus der Hand geschlagen hat, aber stattdessen einen vollen Becher geschenkt bekommt. Das Buch ist Metal mit allen Klischees und liebenswerten Momenten, die die Szene bietet.
Dennoch gewährt uns der Autor auch einen Blick auf die unromantischen Seiten des Geschäfts. Sei es der geldgeile Labelchef, der sich über die MeeToo-Bewegung echauffiert oder die karrierefixierte, ständig in Anglizismen sprechende Managerin, die vor lauter Botox keine Mimik mehr zustande bringt und immer einen Chihuahua-Welpen mit sich herumträgt. Auch diese Charaktere sind so überzeichnet, dass sie als Satire funktionieren und daher ihren ganz eigenen Charme versprühen.
Ist der Krimi von Bastian Zach spannend?
So fantastisch der Autor auch das W:O:A und den Reiz der Metalcommunity beschreibt, als Krimi kommt der Roman nicht über gehobenes Mittelmaß hinaus. Ein sehr guter Krimi definiert sich dadurch, dass der Rezipient beim wiederholten Lesen des Buches Hinweise auf den Täter findet und sich dabei denkt: „Wie konnte ich das übersehen?“ Das schafft Bastian Zach leider nicht. Auch wenn die Motive glaubhaft wirken und die Handlungen innerhalb des literarischen Kosmos realistisch sind, verpasst es der Autor, uns mit den richtigen Brotkrumen zu füttern. Da der Täter zumindest nicht plötzlich am Ende auftaucht und wir wenigstens Hinweise auf seine Motive erhalten, ist der Krimianteil immerhin rund.
Das Buchlayout ist gelungen, auch wenn ein Dialog beim Seitenumbruch einen einzelnen Ausruf aufweist. Das ist zwar kein typografischer Fehler, stört aber dennoch den Lesefluss. Auch sollten Gedanken und Fremdsprachen kursiv geschrieben sein, um das Lesen zu vereinfachen. In der Regel trifft solche Entscheidungen aber nicht der Autor, sondern der Verlag – zudem wird der Plot dadurch nicht schlechter. Die Kapitelzahlen dagegen sind fabelhaft designt – mehr dazu geben wir aus Spoilergründen nicht preis, das muss man gesehen haben.
Die wichtigste Aufgabe eines Krimis erfüllt das Buch allemal: Es weiß zu unterhalten. Und allein aus diesem Grund sollte man sich mit dem Werk beschäftigen. Bastian Zach bietet eine herrlich parodistische Geschichte innerhalb der geilsten Community der Welt.
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