Children Of Bodom
Interview mit Janne Warman und Jaska Raatikainen zum neuen Album "Halo Of Blood"
Interview
Zurück unter dem Nuclear-Blast-Dach stehen die CHILDREN OF BODOM mit einem neuen Album in den Startlöchern. Und weil dieses tierisch rockt, nutzen wir allzu gerne die Gelegenheit, uns mit Keyboarder Janne Warman und Drummer Jaska Raatikainen im schwäbischen Metal-Mekka Donzdorf am Rande der Listening-Session zu „Halo Of Blood“ zum Gespräch zu treffen. Dabei erfahren wir nicht nur, warum die Scheibe so extrem vielseitig ausgefallen ist, sondern auch, wie es zur Rückkehr der Finnen zu ihrem neuen alten Label kam und warum man ROXETTE einfach lieben muss.
Hey Jungs, danke dass ihr mir ein paar Fragen beantwortet. Eure Musik ist inzwischen ja wesentlich vielseitiger als in euren Anfangstagen. Man könnte sagen, die CHILDREN OF BODOM sind inzwischen erwachsen geworden, oder?
Janne: „Vielseitig“ ist ein gutes Stichwort. Das Album deckt ein breites stilistisches Spektrum ab. Am Anfang zogen wir ja eher noch die geradlinige Heavy-Metal-Schiene durch, aber gerade die neue Scheibe ist wesentlich vielseitiger als die meisten unserer früheren Alben.
Das Songwriting hat wieder größtenteils Alexi Laiho (Gitarrist und Sänger – Anm. d. Red.) übernommen. Trotzdem hatte ich den Eindruck, dass gerade deinen Einfluss als Keyboarder, Janne, deutlich heraushören kann.
Janne: (zögert) Nicht mehr als sonst. Wir arrangieren die Songs gemeinsam als Band und ich denke nicht, dass ich bei diesem Album einen größeren Einfluss auf das Songwriting hatte als früher.
Jaska: Ich denke aber, die ganze Band hat sich bei den Arrangements stärker einbringen können.
Dass mir gerade die Keyboards besonders aufgefallen sind, liegt wohl auch am Intro von „Scream For Silence“, bei dem ich im ersten Moment das Gefühl hatte, das könnte auch ein neuer STRATOVARIUS-Song sein…
Janne: Ja, die Melodie ist extrem eingängig, ich weiß, was du meinst.
Ganz allgemein spielen klassische Heavy- und Power-Metal-Elemente heutzutage eine wesentlich wichtigere Rolle in eurem Sound als in euren Anfangstagen, während der Death-Metal-Anteil im Laufe der Jahre etwas reduziert wurde. Liegt das daran, dass ihr mit zunehmendem Alter auch privat eher ruhigere Musik für euch entdeckt?
Janne: Ich weiß es nicht. Alles, was man selbst hört, beeinflusst einen ja irgendwie unterbewusst.
Jaska: Wir nehmen uns auch einfach die Freiheit, das zu machen, worauf wir gerade Lust haben.
Janne: Wir haben keine so große Angst mehr vor den Reaktionen. Während des Songwritings sollte man sich darüber auch nicht so viele Gedanken machen.
Jaska: Trotzdem haben wir inzwischen auch wesentlich mehr Erfahrung und gehen vieles anders an als auf den ersten drei Scheiben. Wir sind eben keine Teenager mehr.
Janne: Wir waren gerade 18 Jahre alt, als wir unser Debütalbum „Something Wild“ veröffentlichten. Es wäre wirklich schockierend, wenn man unserer Musik nicht anhören würde, dass wir alle erwachsener geworden sind. Das würde ja bedeuten, dass wir zurückgebliebene Idioten sind – wir sind natürlich alle zurückgebliebene Idioten, aber auf in anderer Hinsicht. (lacht)
An vielen Stellen brecht ihr aus den klassischen Strophe/Refrain-Schemata aus und vermeidet vorhersehbare Mitsing-Parts.
Janne: Die Musik ist ziemlich komplex und beim ersten Hören ist es wohl schwierig, die Mitsing-Parts zu entdecken. Aber wenn man die Songs dann zum zweiten oder dritten Mal hört, merkt man, dass es schon immer wieder Stellen zum Mitsingen gibt. Wir sind aber ohnehin keine Band, die für eingängige Singalong-Parts steht.
Mit „Dead Man’s Hand On You“ habt ihr ja sogar eine Art Ballade auf der Scheibe. Wolltet ihr bewusst ein Stück schreiben, das stilistisch so deutlich aus der Reihe tanzt?
Janne: Nein, das hat sich einfach so ergeben, dass wir diesen einen, sehr langsamen Song geschrieben hatten.
Jaska: Das Lustige ist, dass Alexi am einen Tag noch in den Proberaum kam und diesen schnellen Blastbeat-Track anschleppte. Am nächsten Tag kam er dann mit diesem extrem langsamen Stück daher. Das geisterte ihm im Kopf herum und er wollte es uns zeigen, woraufhin wir dann diesen Song daraus machten. Ich glaube nicht, dass Alexi groß darüber nachdenkt, was wir für das Album brauchen, es sind einfach die Ideen, die er gerade hat. Es ist großartig, dass wir dadurch einen sehr schnellen Song neben einem sehr langsamen stehen haben. Das Album bietet dadurch wesentlich mehr Überraschungen als der Vorgänger.
Janne: Es ist wie gesagt extrem vielseitig.
Alexis Gesang ist bei dem Stück auch fantastisch und unglaublich vielseitig.
Janne: Ich habe auch einige Zeit gebraucht, um mich daran zu gewöhnen. Er ist ja nicht wirklich ein „Sänger“ und sieht sich auch selbst nicht so. Er brüllt und schreit einfach, aber bei diesem Song musste er wirklich aus seiner Wohlfühl-Zone herauskommen und ein wenig wie Nick Cave klingen.
Jaska: Er hat mir erzählt, dass er keine Idee hatte, wie er in die Gesangsstimme einsteigen sollte. Und dann schlug Peter Tägtgren, der den Gesang produzierte, diesen Flüster-Part vor. Als ich das zum ersten Mal gehört habe, habe ich sofort gemerkt, dass es genau das war, was dieser Song brauchte. Es passt wirklich perfekt.
Janne: Es ist so weit von allem entfernt, was CHILDREN OF BODOM je gemacht haben, aber es ist genau das, was dieses Lied brauchte.
Eine Art Markenzeichen von euch sind ja die Sprachsamples zwischen den Stücken, die ihr irgendwelchen Filmen entnehmt. Gibt es da eine Art roten Faden, der sich durch die einzelnen Samples zieht?
Janne: Nein, das ist alles ziemlich willkürlich.
Aber irgendeinen Bezug zu den jeweiligen Songs müssen sie schon haben, oder?
Jaska: Das würde man denken, ja. (lacht) Manchmal klingen sie einfach nur gut.
Janne: Manchmal sind sie rein zufällig ausgewählt, manchmal könnten sie irgendeine Bedeutung haben und manchmal sind sie einfach nur super-fucking-cheesy. Jede von diesen Möglichkeiten ist denkbar.
Und ihr spielt sie immer da ein, wo ihr nicht wusstet, wie ihr von einem Stück zum nächsten überleiten solltet? Der Übergang von „Transference“ zu „Bodom Blue Moon“ passt dagegen so gut, dass ich im ersten Moment nicht wusste, ob da nun ein Liedwechsel vorliegt oder nur ein Break…
Janne: Das ist die Kunst des Masterings. Wenn wir beim Mastern sind, überlegen wir uns, wie der Flow des gesamten Albums ist. Zwischen manchen Songs will man eine größere Lücke haben und bei anderen will man den Zuhörer überraschen, indem man sofort mit dem nächsten Stück weitermacht. Dadurch versucht man den Spannungsbogen beim Mastern aufrecht zu erhalten.
Als Bonus-Track habt ihr diesmal „Sleeping In My Car“ gecovert. Seid ihr alle große ROXETTE-Fans?
Janne: Es ist ein richtig guter Pop-Song und ich schäme mich nicht dafür, mich als ROXETTE-Fan zu bezeichnen. Sie haben einige richtig gute Sachen gemacht. Wir haben ja schon immer Pop-Songs gecovert, was immer wir zum jeweiligen Zeitpunkt lustig fanden. Den „The Night Is So Pretty And So Young“-Part hat übrigens Roope gesungen.
Ihr seid nach vier Alben für Spinefarm auch wieder zu Nuclear Blast zurückgekehrt. Wie kam es dazu?
Janne: Unser Vertrag lief eben aus und wir haben uns nach einem neuen Label umgeschaut.
Jaska: Wir wollten eine große Veränderung.
Janne: Ja, wir wollten die Dinge wieder etwas anders angehen. Wir waren mit Spinefarm über viele Jahre hinweg sehr zufrieden, aber als sie dann von Universal aufgekauft wurden, änderte sich ihre gesamte Arbeitsweise, bis schließlich der Punkt erreicht war, an dem wir den Eindruck hatten, dass es für uns nicht mehr funktionierte. Der Wechsel zu Nuclear Blast war dann die logische Konsequenz, schließlich sind sie das größte Independent-Label im Metal-Bereich.
Jaska: Natürlich kannten wir schon beinahe jeden, der hier arbeitet, sodass uns die Entscheidung, wieder zu Nuclear Blast zurückzukehren, ziemlich leicht fiel.
Denkt ihr, dass es für eine Band heutzutage allgemein ratsam ist, sich von den Major-Labels abzuwenden und auf die Indie-Firmen zu vertrauen?
Janne: Definitiv! Die Majors gehen unter, sie müssen Büros und ganze Geschäftszweige dichtmachen, sogar die ganz großen Labels gehen inzwischen den Bach runter.
Jaska: Sie gehen heute auch keinerlei Risiken mehr ein. Sie arbeiten nur noch mit den Bands und Künstlern zusammen, die das große Geld einbringen.
Janne: Als kleine Metal-Band willst du heute nicht mehr bei einem Major-Label sein, weil die sich heutzutage einen feuchten Scheiß für dich interessieren.
Seid ihr allgemein mit der Entwicklung der Band zufrieden? Könnt ihr von eurer Musik mit CHILDREN OF BODOM leben?
Beide: Ja.
Aber ihr merkt auch, dass die Verkaufszahlen rückläufig sind?
Janne: Mit der Musikindustrie geht es bergab, das wissen wir alle. Aber uns geht es nicht so schlecht, was unter anderem daran liegt, dass die Metal-Fans noch Musikalben kaufen. Das sieht beispielsweise im Pop-Bereich ganz anders aus, mit den Künstlern dort geht es wesentlich steiler bergab, was auch gut ist. Die Metal-Kids wollen ihre Musik auf physischen Tonträgern kaufen, was gut ist.
Viele Künstler konzentrieren sich heute ja stärker auf den Live-Sektor, um rückläufige Verkaufszahlen auszugleichen.
Janne: Wir sind schon immer viel auf Tour gewesen und haben einen Fokus auf unsere Live-Shows gelegt, so dass sich für uns in dieser Hinsicht nicht viel geändert hat.
Das hatte ich auch vermutet. Tatsächlich war es auch eure Show beim letztjährigen „Rock am Härtsfeldsee“, die mich wieder auf CHILDREN OF BODOM aufmerksam gemacht hat, nachdem ich euch in den letzten Jahren etwas aus den Augen verloren hatte.
Janne: War das das Festival, wo der Sturm beinahe das Zelt weggeblasen hätte? Das war total verrückt!
Jaska: Das war ein tierisch heißer Tag und dann kam dieser Sturm und es brach das totale Chaos aus. Und von dort aus sind wir dann weiter zum „With Full Force“ gefahren, wo es sogar noch schlimmer war.
Ich nehme an, nach der Veröffentlichung von „Halo Of Blood“ werdet ihr wieder auf Tour gehen?
Janne: Ja, wir werden einige Festival-Shows in Finnland und im Rest von Europa spielen, vor allem aber machen wir eine längere Festival-Tour in den Vereinigten Staaten. Im Herbst werden wir dann zurück nach Europa kommen und eine volle Headliner-Tour spielen.
Das klingt ja nach einem vollen Terminplan. Hättet ihr euch damals, als ihr euer Debütalbum „Something Wild“ veröffentlicht habt, träumen lassen, dass ihr heute, 16 Jahre später, hier sitzen und Interviews geben würdet?
Beide: Nein, nicht wirklich.
Janne: Als wir unser erstes Album veröffentlichten, war unser Ziel, 1000 Exemplare zu verkaufen.
Jaska: Damit hätten wir dann die Aufnahmekosten wieder reingeholt, die wir aus der eigenen Tasche bezahlt haben.
Janne: Im Laufe weniger Jahre hat sich die Scheibe dann 100.000 bis 150.000 mal verkauft und wir konnten es kaum glauben.
Alles klar, dann hoffe ich, dass auch das neue Album sich gut verkauft und danke euch herzlich für das Gespräch!
Beide: Wir haben zu danken!
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Stile | Melodic Death Metal |
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