Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.
Nu Metal ist eines der Themen, mit denen man die Trve- bzw. Kvlt-Gemeinde wunderbar quälen kann. Und ja, zugegeben: Vieles, was aus dem Bereich veröffentlicht wurde (und überraschenderweise immer noch veröffentlicht wird), ist wirklich nur tumbestes Gepose zum Fremdschämen, auf dessen Genuss sicher die wenigsten von uns stolz sind, auch wenn sicher nicht wenige um die Jahrtausendwende über diese Schiene den Zugang zum Metal fanden, der Verfasser inklusive. Aber ein paar hörenswerte Alben hat das Genre rückblickend doch hervorgebracht. Dazu gehören sicher die ersten beiden Platten von LINKIN PARK, das Debüt von LIMP BIZKIT sowie die beiden ersten Alben von SLIPKNOT, als die maskierten Neun noch richtig hungrig und biestig klangen. Ebenso dazu gehört die Platte, der man gerne die Begründung dieser Stilbewegung nachsagt: Das selbstbetitelte Debüt von KOЯN (im weiteren Verlauf aus SEO-Gründen KORN), um das es diese Woche gehen soll.
KORN – die Gründer des Nu Metal?
Die Vorgeschichte zu dieser Platte entspricht praktisch dem romantischen Traum einer jeden aufstrebenden Band der damaligen Zeit, als das Veröffentlichen von Musik noch nicht so unkompliziert und direkt gewesen ist wie heute. Nachdem sich die Band in Kaliforniern formierte und als Garagen-Kapelle einige Aufmerksamkeit erlangte, spielten sie sich durch diverse Clubs hindurch, bis sie schließlich nach einer Show in Huntington Beach von einem Agenten von Epic/Immortal Records entdeckt worden sind. Zu dem Zeitpunkt hatten die Kalifornier bereits die Demo „Neidermayer’s Mind“ eingetütet, auf der die Songs „Predictable“, „Daddy“ und „Blind“ zu finden waren, die später auch auf dem Debüt zu landen sollten. Entsprechend verpflichteten KORN Produzent Ross Robinson, der die Aufnahmen auf der Indigo Ranch in Malibu empfahl. Dort sollte auch ein Großteil der Platte entstehen, während der Rest im Studio Bakersfield’s Fat Tracks aufgenommen wurde.
Erstaunlicherweise war der musikalische Stil, den die Kalifornier auf mindestens den nächsten fünf Alben weiter verfolgen würde, auf dem Debüt bereits ziemlich weit ausgereift. Markante Merkmale wie Fieldys knackiger Bass, die fast schon heulenden Gitarrenleads sowie Jonathan Davis‘ expressiver, inbrünstiger Gesangsdarbietung inklusive Scat-artiger Ausbrüche wie in „Ball Tongue“ gehörten bereits zum Repertoire – und der Dudelsack durfte auch nicht fehlen. Ähnlich wie der direkte Nachfolger „Life Is Peachy“ hatte das Debüt aber noch einen recht rohen Sound inne mit höhenlastig gemischten Drums, was aufgrund der zumeist in Knöchelhöhe agierenden Rhythmusgitarren auch Sinn ergibt. Dadurch fühlt sich die Musik noch nicht so straff gezogen an wie beispielsweise auf dem Drittwerk „Follow The Leader“, aber die ratternde Ästhetik hatte schon etwas Dreckiges für sich, was dem Debüt seine ganz eigene, düstere Stimmung verlieh.
Ein emotionales Werk zwischen Härte und Atmosphäre
Thematisch drehten sich die Songs um Themen wie das Dasein als Außenseiter („Faget“), Drogenprobleme („Helmet In The Bush“) oder Davis‘ Erfahrung als Vergewaltigungsopfer („Daddy“). Eingebettet sind diese persönlichen Texte in einen grobgelenkigen, praktisch ausschließlich im Midtempo herumstampfenden Sound, angeführt von hauptsächlich tiefer gelegten Gitarren, die sich regelmäßig für die bereits angesprochenen, heulenden oder auch mal dissonanten Leads aufschwingen. Die explosiven Stadion-Hooks eines „Freak On A Leash“ oder „Falling Away From Me“ waren hier noch nicht so präsent, aber es gab schon gute Refrains wie in „Clown“ oder „Faget“, die sich im Hirn einfräsen sollten. Insgesamt war das Selbstbetitelte aber schon eine Nummer sperriger geraten als das, was man hiernach von den Kaliforniern zu hören bekommen sollte.
Das bedeutet nicht, dass das stilistisch noch weitestgehend gediegen ausgefallene Debüt nicht seine großen Gassenhauer haben sollte. Der Opener „Blind“ beispielsweise ist ein Paradebeispiel dafür, wie man ein solches Album zu eröffnen hat und wie ein Spannungsbogen im sonst sehr gegen Spannungsarmut anfälligen Nu Metal zu klingen hat. Auch sonst gibt es einiges zu entdecken, zum Beispiel einen Hauch Experimentierfreude , den „Helmet In The Bush“ mit seinen Synthesizer-Beats verbreitet und bei dem die Gitarrenfraktion Head/Munky auch die durchschlagende Heaviness im Sinne einer intensiveren Stimmung ein bisschen zurückfährt. Und apropos: Es gibt hier erstaunlich atmosphärische Cuts zu bewundern, vor allem „Shoots And Ladders“ mit seinem majestätischen Dudelsack-Intro und in Teilen auch „Fake“.
Zweifelhafte Ehre hin oder her – das Debüt hat heute noch seinen Reiz
Ob man das oben angerissene Statement stehen lassen möchte, dass KORN für die Begründung des Nu Metals verantwortlich waren, sei mal dahin gestellt. Denn man kann theoretisch hergehen und sagen, dass Bands aus dem Groove Metal-Bereich essentielle Vorarbeit für die Entwicklung des Genres geleistet haben. Aber man kann zumindest festhalten, dass Davis und Co. nachhaltigen Einfluss auf die zeitgenössische Musiklandschaft hatten. Das Selbbstbetitelte konnte sich seinen Reiz gut aufbewahren, auch wenn die großen Hits erst später folgen sollten. Sprich: Lange bevor die Kalifornier eine ganze Reihe mülliger Alben veröffentlichen sollten, haben sie tatsächlich mal mindestens akzeptable Musik gemacht, auch wenn es sicher einige Stimmen geben wird, die dem widersprechen. Das Debüt gehört definitiv zu dem hörbarsten, was die Kalifornier zu Silber gebracht haben und ist eine kleine, musikalische Zeitreise in die Vergangenheit allemal wert.
Ich finds fragwürdig jemanden eine Bewertung eines wegweisenden New Metal Albums schreiben zu lassen, der ziemlich offensichtlich dem Genre nicht wenigstens offen gegenüber steht.
Fakt ist doch auch, dass wir heute diesem Genre ein paar Bands zu verdanken haben die jetzt 30+ Jahre auf dem Buckel haben und mittlerweile ziemlich zurecht den Anspruch haben zu den ganz Großen der gesamten Metalszene zu gehören.
So auch Korn!
Mit diesem Album haben Sie ein hervorragendes Debut abgeliefert. Ob es jetzt das beste Korn Album ist, das ist jedem selbst überlassen… Ich kann mich selbst nicht entscheiden. So finde ich die ersten fünf Outputs allesamt genial. Selbst danach gab es immer wieder kleine Highlights.
Diese Scheibe ist extrem eingängig. Songs wie „Shoots and Ladders“, „Ball Tongue“ oder natürlich „Blind“ sind absolut großartig. Mir gefällt auch die Tatsache, dass Korn hier nicht unnötig versuchen irgendwas mit unnötigen Samples oder ähnlichem aufzublasen. Alles schön geradlinig, roh und direkt. So mag ich das.