Evergrey
"Es ist einfach, Scheiße mit einer Menge Schokolade zu kaschieren, aber dann ist darunter immer noch Scheiße."

Interview

Das neue Album „Theories Of Emptiness“ hat bereits einige Vorschusslorbeeren erhalten, auch wenn unsere Soundcheck-Redaktion im Juni noch nicht ganz überzeugt von der neuen EVERGREY-Scheibe war. Nachdem wir Sänger und Gitarrist Tom Englund zur letzten Platte „A Heartless Portrait (The Orphean Testament)“ befragt hatten, schnappten wir uns dieses Mal Henrik Danhage (ebenfalls Gitarre) und sprachen mit ihm über reduzierten Sound, Siebensaiter und geile Karren in der Garage.

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Hey Henrik. Das letzte Mal hatte ich mit Tom gesprochen – cool, dass Du dieses Mal Zeit für ein kleines Gespräch hast. Laut Eurem Label hab Ihr „auf Eurem neuesten Werk keinen Stein auf dem anderen gelassen.“ Da ich bei meinen letzten Interviews mit diversen Bands öfter mal daneben lag, wenn es um die größten Unterschiede zwischen Alben ging: Was ist aus Deiner Sicht der größte Unterschied zwischen „Theories Of Emptiness“, „A Heartless Portrait“ und vielleicht den Alben davor?

Ich denke das ist wirklich schwer zu beantworten. Dieses Mal hat Johan (Niemann, Bass, Anmerk. d. Verf.) einen größeren Part übernommen, obwohl er immer schon seinen Anteil daran hatte, den Sound von EVERGREY zu erschaffen. Für „Theories Of Emptiness“ haben Jonas (Ekdahl, ex-Drums/Produktion, Anmerk. d. Verf.) und Tom (Englund, Vocals/Gitarre, Anmerk. d. Verf.) viel an Johans Ideen gearbeitet, da es eine Menge guter Ideen gab, um die man das Grundgerüst des Albums herum aufbauen konnte. Er ist außerdem ein sehr guter Musiker. Er lässt es locker angehen, es muss nicht fortgeschritten oder komplex sein, nur damit es fortgeschritten oder komplex ist.

Ok, dann lass mich doch noch ein paar Dinge anmerken, die aus meiner Sicht dieses Mal ein wenig anders sind, im Vergleich zu den vorigen Alben. Ich würde sagen, es gibt mehr Abwechslung innerhalb der Gitarren-Riffs und mir sind auch ein paar Unterschiede bei den Keyboards aufgefallen. Es gibt mehr spacige, flächige Sounds, die vielleicht ein klein wenig mehr im Hintergrund stehen als das bisher der Fall war.

Ich denke, was sich tatsächlich geändert hat ist, dass wir besser darin geworden sind, die Essenz in jedem Song zu finden. In den frühen Tagen gab es zwei, vielleicht vier verschiedene Keyboard Sounds, die wir die ganze Zeit benutzt haben. Wir hatten einen Verstärker für die Gitarren, der einen bestimmten Sound hatte. Jetzt gibt es so viel, was man tun kann, wenn man wirklich versuchen will den perfekten Sound zu finden und ich denke wir sind ziemlich gut darin gewesen, das zu tun. Jeder ist außerdem besser darin geworden, sich darauf zu fokussieren, was er am besten kann. Auf der anderen Seite sind wir auch besser darin zu reduzieren und noch mehr zu reduzieren, um eben der Essenz eines Songs näher und näher zu kommen, wie ich am Anfang erwähnt habe.

Ja, ich denke „reduziert“ ist etwas, dass den Sound von „Theories Of Emptiness“ ganz gut beschreiben könnte. Natürlich ist mir klar, dass das für jeden Hörer anders ist, aber für mich klickte dieses Album viel schneller, im Vergleich zu „A Heartless Portrait“, das für mich persönlich eher ein Grower war.

Ja, ich denke das könnte ein Grund dafür sein. Reduziert muss nicht bedeuten, dass Du etwas gar nicht mehr benutzt oder es insgesamt weniger ist.

Genau. Ich würde es auf keinen Falls als „simpel“ bezeichnen.

Ja, obwohl die simplen Dinge meistens die wirklich schwierigen sind. Es ist sehr einfach, Scheiße mit einer Menge Schokolade zu kaschieren, aber dann ist darunter eben immer noch Scheiße. Aber wenn Du beispielsweise nur eine Stimme hast, dann musst Du ein wenig smarter sein, als einfach nur eine Menge Mist darum zu bauen. Wenn wir also darüber reden, Dinge zu reduzieren, dann bedeutet das auch zu wissen, wann man voll nach vorne preschen muss und wann man das vermeiden sollte. Wenn Du die heaviesten Gitarren, die heaviesten Drums und die lauteste Produktion in den ersten Song packst, wohin willst Du danach noch gehen? Den nächsten Song noch lauter machen? Das musst Du im Kopf behalten, wenn Du anfängst Dir die Songs anzuschauen. Ein guter Song ist ein guter Song, aber natürlich passen nicht immer alle Songs zueinander auf einem Album. Vermutlich würde es sogar noch mehr großartige Musik da draußen geben, wenn wir jedem Song die Chance geben könnten, die er verdient.

Ich denke, das Artwork könnte man auch ziemlich gut als „reduziert“ bezeichnen, es weicht doch ziemlich stark von dem ab, was man auf Euren letzten Alben finden konnte. Obwohl es relativ simpel ist hat es mich sofort an ein typisches Prog-Album-Artwork erinnert und da ja jeder irgendwie behauptet, dass EVERGREY sowieso Progressive Metal machen, passt das vermutlich ganz gut zu Euch. War das nur ein Zufall, dass das Cover dieses Mal so anders aussieht?

Nein, Tom wollte gerne etwas in dieser Art haben und in meinem Alter bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es besser ist dem zuzustimmen, wenn ich nichts besseres beizutragen habe. Wir wussten, dass es anders werden würde und das ist auch gut so. Allerdings haben wir immer noch dasselbe Logo, ganz so waghalsig waren wir also nicht. Ich finde es aber spaßig, dass die Leute denken werden: „Oh, warte mal, was ist das denn? Das ist definitiv etwas neues!“. Dasselbe gilt für die Fotos, die wir für „Theories Of Emptiness“ gemacht haben. Ich meine, das bedeutet natürlich nicht, dass wir jedes mal so auf die Bühne kommen werden, wenn wir live spielen (lacht). Aber es ist trotzdem cool, dass wir machen können, was wir wollen. Wir verkaufen eine Erfahrung und hoffentlich steht Ihr genau so darauf, wie wir Spaß daran haben es Euch zu „verkaufen“.

So wollen EVERGREY dann doch nicht auf die Bühne kommen. (Foto: Patric Ullaeus)

Wenn ich Dich richtig verstanden habe wollte Tom also ganz spezifisch etwas ganz anderes, im Vergleich zu den bisherigen Artworks?

Ja, und nicht nur was das Artwork angeht. Obwohl, bezogen auf die Musik, jeder in der Band dieses Mal etwas anderes haben wollte. Ich meine, wenn Du fünf geile Karren in Deiner Garage stehen hast, welchen Sinn macht es, nur eine zu nehmen um damit zu fahren und die anderen immer in der Garage zu lassen, obwohl man die Kapazität und die Erfahrung hat? Ich habe dieses Mal beispielsweise kein einziges Riff beigesteuert. Stattdessen habe ich mehr an meinen Soli gearbeitet, während ich jetzt wieder zig Riffs am Start habe, die dann vielleicht sehr gut auf das nächste oder sogar übernächste Album passen werden, je nachdem wo wir dann gerade stehen. Es ist eine gute Sache, dass alle von uns die ganze Zeit so viel Musik schreiben, es ist also ein Segen all diese Autos in der Garage zu haben, weißt Du?

Ja, aber ich vermute es ist nicht wie in Eurer Jugend, vielleicht in der ersten Band, als jeder versucht hat seine Ideen durchzudrücken und darauf bestand, dass sie es auch auf das Album schaffen, richtig? Ihr habt einfach einen großen Pool von Ideen, aber heute könnt Ihr Euch darauf fokussieren, was wirklich gut für die Songs ist!?

Ja, da stimme ich Dir zu. Dafür braucht es eine Menge, um die Egos aus dem Spiel zu lassen und all das.

Ich vermute, dass das auch einer der Gründe ist warum Ihr, nach einigen Änderungen im Line-up, jetzt eine stabile Besetzung habt, die bereits seit zehn Jahren besteht? (Der Ausstieg von Drummer Jonas Ekdahl war zum Zeitpunkt des Interviews noch nicht bekannt, Anmerk. d. Verf.)

Ganz genau. Das braucht eine lange Zeit. Ich denke auch, dass sich die gesamte Atmosphäre in der Band seit dem Lockdown und all dem, was damit zusammenhing, stark verändert hat. Jeder ist wirklich dankbar dafür, dass wir wieder raus fahren und spielen, davon leben können, während zumindest ich persönlich mich auf Tour früher manchmal sehr erschöpft gefühlt habe. Jetzt fühlt es sich großartig an, wieder auf Tour zu gehen. Ich meine, in gerade einmal einem Monat werde ich bereits in Südamerika sein. Ich werde alles in mich aufsaugen, so gut spielen wie ich es nur kann – einfach jeder von uns ist gerade super aufgeregt.

Lass uns mal ein wenig tiefer in das Riffing auf „Theories Of Emptiness“ einsteigen. Du sagtest bereits, dass Du dieses Mal gar keine Riffs beigesteuert hast.

Ja, und Du wirst sie nicht vermissen. Ich denke für das nächste sollten wir dann wieder einige von mir nehmen, einfach um wieder etwas neues beizusteuern, aber dieses Mal verwendeten wir viel von dem was Johan gemacht hat und offensichtlich ist Tom auch ein Riff-Master. Ich bin so glücklich mit diesem Album, es ist wirklich cool geworden. Es klingt großartig und ich freue mich darauf, wenn die Fans es endlich hören können.

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Seiten in diesem Artikel

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Quelle: Interview mit Henrik Danhage / Evergrey
06.06.2024

"Time doesn't heal - it only makes you forget." (Ghost Brigade)

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