Finntroll
Großmütter mit Pommesgabeln - Interview mit Sänger Vreth zum neuen Album "Blodsvept"

Interview

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Ja, FINNTROLL hören sich mit ihrem neuen Album „Blodsvept“ wieder an wie FINNTROLL. Ja, die durchgehend schwedischen Texte handeln wieder von Trollen, Riesen, Hexengebräu, Unterwelt, Blut und Tod. Und ja, „Blodsvept“ ist im selben Atemzug anders als der Vorgänger. War ja eigentlich alles irgendwie so zu erwarten, nur die Düsternis des Albums überrascht schon ein bisschen. Sänger Mathias „Vreth“ Lillmåns erklärt uns im folgenden Interview, wie es dazu gekommen ist. Und er klärt uns auf, was er sich für die Zukunft des Metals in Finnland wünscht. Dann mal los!

Ihr habt Euch ja mit jedem Album immer ein wenig gewandelt. Wie würdest Du die Atmosphäre auf dem neuen Album beschreiben?

Ja, das stimmt, wir wollen nicht dasselbe Album immer und immer wieder machen. Bislang war es ja so, dass wir immer mehr hinzu addiert haben. Das „Nifelvind“-Album war so voller Details, dass wir das nicht weiter ausreizen konnten. Um also etwas Neues auszuprobieren, haben wir uns vorher hingesetzt und endlos diskutiert. Wir sind dann zu dem Schluss gekommen, dass wir das Ganze soweit zurückfahren, dass vor allem die Hauptmelodien und die Riffs bleiben.

So „zurückgefahren“ sind die Stücke dann aber doch nicht.

Nein, vieles kommt erst im Studio hinzu.

Wenn Ihr ins Studio geht, wisst Ihr also noch nicht, wie sich der fertige Song anhört?

Nein, auf gar keinen Fall. Im Grunde genommen stehen die Riffs und wir wissen ungefähr, in welche Richtung sich der Song entwickelt. Aber im Studio haben wir noch so viele Ideen, dass wir nicht wissen, wie sich das fertige Produkt anhören wird.

Wie ist das mit den Texten? Katla (erster Sänger von FINNTROLL; Anm. d. Red.) schreibt ja nach wie vor die ganzen Texte, und bis Ihr die habt, verwendet Ihr Arbeitstitel für die einzelnen Stücke?

Ja, genau. Aber einige Texte hatten wir schon von Anfang an vorliegen, einige kamen dann später dazu. Viele der Arbeitstitel sind übrigens Bandnamen, je nachdem, zu welchen Bands es passt. Und „Två Ormar“ hat uns einfach sehr an „Rivfaðer“ von unserem Debütalbum erinnert.

Wie ist das mit Deinem Gesangsstil, der in meinen Augen etwas tiefer und röhrender geworden ist und heute besser denn je zu FINNTROLL passt…

Ja, das hat sich so entwickelt. Ich habe ja schon bei „Nifelvind“ etwas rauher gesungen. Und dann hatte ich ja diese Operation an meiner Kehle, die meine Stimme ziemlich verändert hat. Meine Stimme ist dadurch tiefer geworden. Aber es passt natürlich gut zu FINNTROLL, ja.

Wenn man sich die fertige CD anhört, lacht man sich ja manchmal einen Ast, aber wie ist das im Studio, wenn die anderen mit wirklich abgefahrenen Ideen ankommen?

Ja, wir lachen uns auch immer wieder kaputt. Aber das ist FINNTROLL, da gibt es keine Einschränkungen.

Ihr habt Euch diesmal offensiv gefragt, wie Ihr den Sound frisch halten könnt.

Ja, als wir die erste Vorproduktion gemacht haben, hat eigentlich niemand von uns die Songs wirklich gemocht. Das entsprach einfach nicht dem, wofür wir stehen wollten, und deshalb gab es ziemlich lange Diskussionen. Als Henri dann mit dem Song „Blodsvept“ ankam, dachten wir: „Jawoll, so sollte das Ganze klingen!“ Und dann haben wir die Vorproduktion umgeschmissen und an dessen Sound ausgerichtet. Es gibt aber auch eine Menge Songs, die auf der anderen Seite stehen, wie zum Beispiel die ganzen schnellen Sachen. Es ist wie zwei Extreme auf dem Album, aber es funktioniert am Ende als Ganzes.

„Ur Jordens Djup“ war ja sehr von dieser cineastischen Monumentalität geprägt. Kam das hauptsächlich von Eurem Keyboarder Trollhorn?

Ja, wobei die Entscheidung, das so einzusetzen, von der ganzen Band getragen wurde. Das kommt von seiner Arbeit her, er komponiert ja Soundtracks für Videospiele. Das ist sein Job, und daher kommt das Ganze.

Auf dem neuen Album kommt das ja auch ein wenig zum Tragen, vor allem im letzten Track „Midvinterdraken“. Der Part erinnert mich an „In The Hall Of The Mountain King“ von Grieg.

Ja genau, für mich hört sich der Track in den Melodien sehr skandinavisch an.

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Du spielst in anderen Bands ja auch Bass und Gitarre. Diskutierst Du dann auch mit den Gitarristen die Riffs, oder wie läuft das ab?

Das machen wir eigentlich die ganze Zeit. Wobei Henri („Trollhorn“ Sorvali, Keyboards) der Produzent ist, der eigentlich das meiste Sagen in der Band hat. Aber jeder hat seinen Input, jeder wird gehört, es ist nicht so, dass nur eine Person alles entscheidet.

Im Studio seid Ihr aber nicht alle immer anwesend?

Nein, Henri und ich haben zwar jede Minute miterlebt, weil wir die Soundengineers waren, aber die Gitarristen spielen ihren Part ein, und das war’s. Samuli (Skrymer) beispielsweise hat seine Gitarren eingespielt, war aber beim Rest nicht anwesend, weil er umgezogen ist. Wir versuchen es immer überschaubar zu halten. Wenn sieben Leute anwesend sind, und jeder hat eigene Ideen, würde das nicht funktionieren.

Ihr seid professionelle und erfahrene Musiker. Inwiefern würdest Du FINNTROLL als ernste Band einschätzen?

Ich glaube, die Grundidee von FINNTROLL ist Spaß. Das steht definitiv an erster Stelle. Ich mag auch nicht Leute, die sich selbst zu ernst nehmen. Mach das, wonach du dich fühlst.

Wie sieht es mit dem Bandleben von FINNTROLL aus?

Wir versuchen, uns einmal die Woche zum Proben zu treffen. Wenn eine Tour ansteht, proben wir auch schon mal zwei- oder dreimal pro Woche. Dadurch, dass Samuli in Deutschland wohnt, proben wir aber häufiger, wenn er in Finnland ist. Sonst würde das Proben natürlich zu teuer (lacht). Aber wenn wichtige Gigs anstehen, müssen wir halt ein paar Flüge bezahlen.

Schreibt Ihr denn durchgängig an neuen Songs?

Nein, eigentlich nicht. Aber dieses Mal haben wir uns vor den Aufnahmen wirklich häufig getroffen, um die neuen Stücke nochmal durchzugehen.

Wie ist das mit zwei Keyboardspielern in der Band. Inwieweit ergänzen sie sich?

Na ja, Henri ist ja nicht so häufig bei Auftritten dabei, weil er seine Familie hat, deswegen hat Alexi (Virta) ja bei uns angefangen. Er war der Tour-Keyboardspieler, aber wir wollten ihn auch auf den Alben mit dabei haben. Henri ist ein äußerst begnadeter Musiker, in einigen Sachen ist Alexi besser, er spielt andere Sachen. Er hat einen anderen Stil, und das wollten wir auch auf den Alben mit dabei haben. Als Personen ergänzen sie sich prima. Alexi ist da sehr unkompliziert und kommt wahrscheinlich in jeder Band gut klar.

Es gab diese Touredition von „Nifelvind“, wo Ihr noch drei Coversongs mit draufgepackt habt. Interessante Sache, aber warum gerade die PET SHOP BOYS?

Die Idee dazu kam uns auf einer Party bei Henri, wo wir ein bisschen was getrunken haben, und dann hat jemand angefangen, bei YouTube irgendwelche Achtziger-Jahre-Sachen anzumachen, so nach dem Motto: „Erinnerst du dich daran?“ (lacht). Irgendwann kamen wir dann bei den PET SHOP BOYS an, und jemand meinte: „Fuck, der Song würde perfekt als Metalsong funktionieren!“ Und dann gab es einfach kein Halten mehr: Alle waren der Meinung, dass wenn wir mal einen Coversong aufnehmen, dann gerade von diesem Song!

Bist Du selbst mit Metal aufgewachsen?

Ja, im Grunde genommen schon. Ich höre Metal, seit ich ein kleines Kind war.

Du hast aber keine Berührungsängste mit Popmusik?

Nein, eigentlich nicht. Es gibt guten und schlechten Pop. Ich höre mir auch nicht nur Metal an, obwohl Metal eigentlich immer Teil meines Lebens war. Ich höre mir vor allem auch elektronische Musik an.

In Deutschland hat man ja gerne das Bild, dass Finnland das Heavy-Metal-Land schlechthin ist. Du kommst aus Pietarsaari, einer kleineren Stadt an der Westküste Finnlands. Wie ist dort die Metalszene?

Nein, diese von Dir angesprochene Metaldichte findet man eher in Helsinki. Aber das hat schon wieder abgenommen. Vor fünf Jahren war das extremer – da hat eigentlich in jeder Bar eine Rock- oder Metalband gespielt, so im Stil von GUNS N‘ ROSES, WHITESNAKE, AC/DC… Aber das ändert sich, und ich halte das für eine gute Sache. Es war einfach zu viel. Weißt Du, ich mag die Idee hinter Metal, das Rebellische. Nimm aber mal das Tuska Open Air, dort haben Leute ab 65 oder 70 Jahren freien Eintritt. Und wenn du über das Gelände gehst, siehst du da Großmütter in der Menge, die die Pommesgabel machen. Da fragt man sich natürlich, was da gerade vor sich geht. Oder es gibt Heavy Metal für Kinder – das ist einfach zu viel. Es hat einfach das Rebellische eingebüßt.

Ist das Rebellische denn für Dich immer noch der eigentliche Antrieb, selbst Teil der Metalszene zu sein?

Nein, nicht mehr. Als Jugendlicher ging es natürlich darum, sich von den Eltern abzugrenzen. DREAM EVIL hatten mal eine sehr schöne Textzeile dazu verfasst: „The only thing I want, is what my parents don’t“. Das drückt eigentlich sehr schön die Haltung des Heavy Metal aus meiner Jugendzeit aus. Aber das ist wie weggeblasen, das gibt es in Finnland nicht mehr. (überlegt) Aber es entwickelt sich wieder in die entgegengesetzte Richtung. Es schließen immer mehr Metalkneipen und es entwickelt sich wieder hin zu einer Subkultur.

In Deutschland ist das Ganze ja auch explodiert. Da gibt es mittlerweile auf jedem Acker ein Metalfestival.

Ja genau. In Finnland habe ich in einem Jahr insgesamt 25 Rock- und Heavy-Metal-Festivals gezählt. Das ist einfach zuviel für ein Land mit knapp fünf Millionen Einwohnern. (lacht)

Alles klar. Dann sehen wir uns im Sommer auf ausgesuchten Festivals in Mitteleuropa wieder! Danke für das Interview!

Galerie mit 16 Bildern: Finntroll - Hörnerfest 2024
26.03.2013

- Dreaming in Red -

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