Graveland Festival 2024
Der große Festivalbericht
Konzertbericht
Immer noch ein kleiner Geheimtipp: Ende Mai öffnet in Holland das Graveland Festival seinen Acker. Das Open Air lockt mit nur einer Bühne, persönlicher Atmosphäre, kurzen Wegen und vor allem mit Bands wie CARCASS, TIAMAT, NECROPHOBIC und DOOL. Wir haben uns über die Grenze gewagt und uns ins Getümmel gestürzt.
Bericht: Patrick Olbrich, Fotos: Eckart Maronde
Wieder einmal musste das niederländische Graveland Festival hinsichtlich seines Austragungsortes rotieren. Zwar befinden diese sich jeweils innerhalb der 50.000 Einwohner fassenden Gemeinde Hoogeveen, und doch hat sich der Charakter gegenüber dem letzten Jahr ein wenig verändert. Schließlich musste die herrliche Location in unmittelbarer Nähe eines Badesees einem eher pragmatischen Aufbau weichen, doch das kühle Nass wartet an diesem Wochenende ohnehin eher von oben.
Weiterhin verfolgen die Veranstalter ein Konzept der vergleichsweise günstigen Tickets (< 100 Euro für zwei volle Festivaltage) und entsprechend eher hohen variablen Kosten. So muss man etwa für ein kleines Bier 3,30 Euro, für eine Bratwurst im Brötchen 6,60 Euro oder für einen Parkplatz 10 Euro berappen. Wer sich damit arrangieren kann, den erwartet erneut ein familiäres Festival mit durchaus attraktiven Namen, die man mit großzügigem Platzangebot genießen kann.
Galerie mit 17 Bildern: Wake - Graveland Festival 2024Während der Bändchenausgabe vor dem diesmal kompakt platzierten Festivalgelände verklingen die letzten Töne der einheimischen Black-Deather DEATHLESS VOID, bevor die Kanadier WAKE mit ihrem technisch anspruchsvollen Mix aus selbigen Spielarten in eine merklich modernere Kerbe schlagen. Die Finger der beiden Gitarristen Arjun Gill und Rob LaChance wuseln nur so übers Griffbrett, während sich Sänger Kyle Ball kehligen Schreien ergibt. Die Songauswahl stammt fast vollständig vom letzten Album „Thought Form Descent„, wohl da sich WAKE über die Jahre hinweg stilistisch entscheidend gewandelt haben und statt explosiver Grindcore-Hackwerken nun auf komplexere Stücke setzt. Das gelingt an diesem frühen Nachmittag jedenfalls gut und trotz einsetzendem Regen ist den Nordamerikanern Applaus sicher.
Musikalisch entwickelt haben sich ebenfalls die Polen von IN TWILIGHTS EMBRACE, die bereits seit über 20 Jahren in der Szene wandeln und sich von Melodic Death Metal hin zu einer schwarzmetallischen Auskopplung ihrer selbst im Fahrwasser ihrer Landsleute MGLA transformiert haben. Die langen Stücke, die zum Teil in Landessprache gehalten sind, bieten einerseits Spielraum für kathartische Knüppelparts, aber auch streckenweise fast post-rockige Elemente, wie etwa ein Zusammenspiel der beiden Gitarristen zum Ende des Sets, das durchaus auch an den Werdegang von CHAPEL OF DISEASE erinnern könnte.
Galerie mit 27 Bildern: Darvaza - Graveland Festival 2024Traditioneller gehen in der Nachfolge dann DARVAZA zu Werke. Kaum verwunderlich, hat sich doch Mastermind Omega als Dauerunterstützer den Gitarristen der norwegischen Schwarzmetaller BEHEXEN mit an Bord geholt, der hier aber als Sänger auftritt. Schon die ersten Sekunden des Gigs offenbaren die energetisch aufgeladene Begeisterung der Band, die über Fronter Wraath in die ersten Reihen des Publikums übergreift.
Mit Elementen aus klassischem Black Metal der zweiten Welle, aber auch sphärischen Riffs, die insbesondere Omega mit filigraner Sicherheit zu spielen scheint, bringen DARVAZA hauptsächlich Songs aus ihrem einzigen Album „Ascending Into Perdition„. Das Highlight liegt am Ende, als der Bandkopf nicht nur partiell singt, sondern seinen grollenden Klargesang über ein komplettes Stück legt und damit atmosphärisch den Nerv trifft.
Galerie mit 14 Bildern: Centinex - Graveland Festival 2024Jeweils flankiert von kalten nordischen Akkorden, haben CENTINEX an diesem frühen Freitagabend eigentlich einen dankbaren Slot, der zur Auflockerung des Gesamtbildes beitragen könnte. Das will den Mannen aus Schweden allerdings nicht so richtig gelingen. Seit fast dreißig Jahren besteht die Truppe inzwischen, konnte sich aber nie richtig durchsetzen, wobei auch das Sideprojekt DEMONICAL vom einzigen verbleibenden Gründungsmitglied Martin Schulman tendenziell erfolgreicher ist.
Jedenfalls wirkt das Quartett wenig dynamisch, etwas hüftsteif und die Ansagen von Frontmann Henrik Andersson schimmern durch einen promilleschwedischen Schleier. Dazu bietet auch das Songmaterial wie „Armageddon“ oder „Evil Is Evil“ wenig Abwechslung im immergleichen Takt. Nach hinten heraus lassen die Skandinavier noch ein oder zweimal aufhorchen, doch hier bleibt Luft nach oben.
Galerie mit 13 Bildern: Tsjuder - Graveland Festival 2024Ganz anders wird es dann nachfolgend mit dem norwegischen Duo TSJUDER, die sich durch ihre unfassbare Intensität den Tagessieg erspielen. Die eiskalten Töne erreichen offensichtlich auch die Chefetage, denn im Laufe des Gigs entwickelt sich der anfänglich noch tröpfelnde Regen zu einem richtigen Schutt, der dennoch nur für unwesentlich mehr Platz vor der Bühne sorgt (Weshalb wir uns auch dazu entschließen, die Kamera ab jetzt vor Regen sicher im Auto zu platzieren).
Das anwesende Publikum scheint vom treibenden Charakter TSJUDERs zu sehr in den Bann gezogen und lässt auch pitschnass die Mähnen die kreisen. Gitarrist Draugluin lässt die Show zu einem wahrhaftigen Riffmassaker werden, auch wenn von den unzähligen Leads und Soli manche etwas neben der Spur fahren. Attitüde und Vorwärtsdrang überdecken aber hier gänzlich und lassen das Ganze sogar noch ein wenig frischer erscheinen.
Mit „The Shape Of Fluidity“ haben die niederländischen Dark-Rocker DOOL kürzlich ein weiteres dickes Brett in ihrer Diskographie vorgelegt, welches es im April 2024 auch zum verdienten Soundcheck-Sieger geschafft hat. Dementsprechend hoch waren die Erwartungen, die lediglich von der fiesen Wetterlage aus Regen und relativer Kälte getrübt werden konnten. Die werden doch nicht die neue Platte in aller Gänze spielen? Schließlich sind die ersten drei Songs in korrekter Reihenfolge vom dritten Album, doch danach streut die Band um Raven Van Dorst auch Stücke der Vorgänger ein.
Anfangs fehlt es den eigentlich so präsenten Gitarren noch etwas an Durchschlagskraft, diese soll sich aber im Folgenden entwickeln. Das zeigt zum Ende des Sets hin das doomige Schwergewicht „Hermagorgon“ – ein Highlight der Show. Auch wenn DOOL ihre Sache fehlerfrei machen, Ravens Stimme auf Topniveau ist und auch die Songauswahl glänzend passt, fehlt der allerletzte Funke.
Im Normalfall sind spezielle Sets immer etwas Besonderes. Etwas, das man an diesem Tag recht exklusiv zu Gesicht bekommt. Das Graveland Festival ist dafür bekannt, im Headlinerbereich gerne auf solche Shows zu setzen, wobei TIAMAT eine Zusammenstellung aus „Clouds“ und „Wildhoney“ schon beinahe regelmäßig auf die Bühnen bringen. Das trägt aber auch dazu bei, dass die Schweden hier kaum experimentieren müssen und ein Zahnrad ins andere greift. Den Anfang macht das komplette 92er-Album, das im Vergleich zu seinem Nachfolger mehr metallisch denn träumerisch ist. Der besondere Charakter von Frontmann Johan Edlund hallt praktisch von der Bühne herunter und die teils mächtigen Riffs bilden eine dunkel malerische Atmosphäre im Zusammenspiel mit den nach Hammondorgel klingenden Keyboards.
Nach knapp zwei Drittel des Sets ist schließlich „Wildhoney“ an der Reihe. Bei „Whatever That Hurts“ scheint sich nochmals die gesamte Energie zu entladen, bevor sich dann die verträumte Eigenheit dieses besonderen Albums durchsetzt. Für eine Komplettpräsentation reicht die Zeit letztlich nicht aus, sodass „Gaia“ nach ein paar vorgezogenen Stücken den krönenden Abschluss bildet. Nachdem er zwischenzeitlich irgendetwas vor dem Schlagzeugaufbau hervorgekramt, eine Zigarette geraucht und die Menge mit „God Bless You“ verabschiedet hat, verlassen Edlund und seine Mitstreiter die Bühne.
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