Camerata Mediolanense - Atalanta Fugiens

Review

Das in Mailand beheimatete Ensemble CAMERATA MEDIOLANENSE hat sich mit dem sechsten Album „Atalanta Fugiens“ angeschickt, Teile eines gleichnamiges Textkonvoluts des Herrn Michael Maier aus dem Jahr 1617 zu vertonen. Beim Autor handelte es sich um einen Physiker und Alchemisten, den es im Laufe seiner Lebensgeschichte unter anderem an den Prager Hof verschlagen hat. Die im Titel genannte Atalante ist eine Figur der Antike, die sich durch ihre flinke Beinarbeit auszeichnete und damit buchstäblich der Vermählung entrann, bis sie von einem Freier namens Hippomenes zum Wettlauf herausgefordert und schließlich überlistet worden ist.

CAMERATA MEDIOLANENSE wagen sich an die Vertonung der „Atalanta Fugiens“ heran

Dieses Sujet ist für das Quellmaterial durchaus wichtig, da die Struktur der Lieder, die in dem Werk zu finden sind, wie diese Art des Wettlaufs strukturiert sind. Was die Mailänder hieraus machen, ist jedoch größtenteils Mittelalter-Musik mit recht billig anmutender Keyboard-Orchestrierung, sodass man sich oft nah in Richtung Dungeon Synth bewegt. Das besondere hier ist der mehrstimmige Gesang, angeführt von den Stimmen von Evor Ameisie, Désirée Corapi, Carmen D’Onofrio und Chiara Rolando und unter der Regie von Chefin Elena Previdi agierend. Und in den besten Momenten schafft das Ensemble mit diesen Vocal-Arrangements, eine sakrale Stimmung heraufzubeschwören.

Dass die Instrumentierung so billig und synthetisch klingt, spielt der Atmosphäre ironischerweise noch einmal zusätzlich in die Karten. Denn wenn CAMERATA MEDIOLANENSE schon nicht wirklich „authentisch“ nach Mittelalter klingen, so hat die Musik doch den gleichen Charme, den antiquierte Dungeon-Crawler-Videospiele inne hatten. Das scheint in Bezug auf „Atalanta Fugiens“ mehr so ein Happy Accident gewesen zu sein, aber die alten Gamer-Hasen werden sich bei den Klängen dieser Veröffentlichung vermutlich sofort heimisch fühlen und in Nostalgie schwelgen können.

Das Ergebnis rangiert aber trotz nerdigem Charme hauptsächlich unter „Special Interest“ …

Für die übrige Hörerschaft wird „Atalanta Fugiens“ jedoch wenig hergeben. Vermutlich müsste man eine philologische Studie absolvieren um die Zusammenhänge zwischen dem Quellmaterial und der hiesigen Umsetzung von CAMERATA MEDIOLANENSE herausarbeiten zu können, doch in Zeiten von Streaming-Diensten ist dies ein müßiges Unterfangen, das wirklich nur eingefleischten Geschichts- bzw. Literatur-Nerds liegen wird. Der Rest schaut angesichts der gebotenen Kost in die Röhre, da diese meist total repetitiv inszeniert ist und oftmals auch ziemlich steif herüber kommt. Ganz schlimm sind hier „Embryo Ventosa“ und „Draco“. Am ehesten dürfte man noch bei „Corallus“ und „Mercurius“ Zugang finden, hauptsächlich, weil diese Stücke am ehesten dem zeitgenössischen Bild von Mittelaltermusik nachkommen. Der Rest ist jedoch für Normalsterbliche Nicht-Nerds vernachlässigbar …

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07.06.2024

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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1 Kommentar zu Camerata Mediolanense - Atalanta Fugiens

  1. nili68 sagt:

    >Der Rest ist jedoch für Normalsterbliche Nicht-Nerds vernachlässigbar …<

    Das ist doch fast immer so, wenn man es nicht darauf anlegt Everybodys Darling zu sein. Hier (der Reviewer) war wohl einfach das "falsche" Publikum anwesend, also ist angeraten sich selber ein Bild zu machen und die Benotung zu ignorieren.. auch wie immer eigentlich.
    Mir gefällt's, aber ich bin ja auch ein Nerd, wenn auch leider trotzdem normalsterblich.. 🤡