Schwermetallische Interpretationen klassischer Kompositionen sind wahrlich nicht neues mehr. Und doch vermögen es HEAVATAR mit ihrer frischen Herangehensweise an dieses Grundkonzept zu begeistern. So greift die vierköpfige Truppe auf „Opus I – All My Kingdoms“ weltbekannte Melodien auf und formt daraus klassische Power-Metal-Stücke mit Ohrwurm-Garantie.
Der Kopf hinter HEAVATAR ist Stefan Schmidt, den man von VAN CANTO kennt. Folgerichtig wurde den Vokal-Arrangements besonders große Aufmerksamkeit gewidmet, die die gesamte Genre-Konkurrenz scheinbar mühelos übertrumpfen. Für die vielen oppulenten Chor-Passagen hat sich Schmidt die Unterstützung seiner VAN-CANTO-Kollegen gesichert – und auch das Songwriting erinnert ein ums andere Mal an die A-Capella-Metaller.
Schmidt selbst zeichnet auf „Opus I – All My Kingdoms“ neben dem Lead-Gesang auch für die Rhythmus-Gitarre verantwortlich. Unterstützt wird er dabei von Sebastian Scharf an der Lead-Gitarre und David Vogt am Bass, aufhorchen lässt aber vor allem der Name Jörg Michael. Offenbar kann der Ausnahme-Drummer auch nach seinem Abschied von STRATOVARIUS nicht vom Metal lassen und liefert hier eine gewohnt tighte und kraftvolle Performance ab.
Mit der „Toccata & Fuge in D-Moll“ von Johann Sebastian Bach basiert der Opener „Replica“ auf einem oft zitierten Klassik-Motiv, entwickelt sich aber zu einem echten Hit, der nicht ohne Grund für eine erste Video-Auskopplung ausgewählt wurde. Dass das hier vorgelegte Niveau beinahe über die komplette Spielzeit hinweg gehalten werden kann, überrascht aufs Angenehmste. Egal ob Bach, Nicolò Paganini, Ludwig von Beethoven oder Georges Bizet – die klassische Basis der Songs wurde clever in die Stücke eingebaut (oder besser: Die Stücke wurden clever um diese herum komponiert), dass ein homogenes Gesamtbild ohne störende Fremdkörper entsteht.
Wem Beethovens „Für Elise“ ebenso totgenudelt erscheint wie mir, der sollte sich unbedingt einmal anhören, wie HEAVATAR dem Grundmotiv in „Elysium At Dawn“ neue Facetten abgewinnen. Und auch das auf der „Symphonie Nummer 7 in A-Dur“ basierende „The Look Above“ zählt als epischer Longtrack zu den absoluten Highlights auf „All My Kingdoms“. Da kann man es Stefan Schmidt und seinen Mitstreitern auch gerne verzeihen, dass die Texte reichlich klischeebeladen sind und stellenweise arg konstruiert wirken.
Aus der Reihe tanzt lediglich der Abschlusstrack „To The Metal“, der qualitativ nicht ganz mit den anderen Songs mithalten kann. Die Hymne basiert auf keinem Klassik-Stück, sondern lehnt sich an typische Stil-Elemente von BLIND GUARDIAN, METALLICA und MANOWAR an, so dass sie eine schöne Hommage an diese drei Schwermetall-Größen darstellt. Dabei wirkt sie aber leider etwas überzeichnet und hätte sich auf dem letzten TENACIOUS-D-Album gut gemacht, dessen Qualität darunter keineswegs gelitten hätte.
Betrachtet man diesen einen Ausreißer als einer Art Bonus-Track oder Rausschmeißer, ist HEAVATAR mit „All My Kingdoms“ ein Einstieg nach Maß gelungen, der zwar kein wirklich innovatives Konzept zu bieten hat, dieses aber so angenehm frisch umsetzt, dass er in der Power-Metal-Szene neue Akzente setzen kann. Abgerundet wird das Album von einem wunderschönen Cover-Gemälde des Fantasy-Künstlers Kerem Beyit, das den verträumten, aber dennoch angenehm kitschfreien Charakter der Kompositionen bestens unterstreicht.
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