hansemosh
Bremen Metal Feast X
Konzertbericht
Gut Ding will Weile haben. Wenn seit 2012 im unmittelbaren Wohnumfeld ein Festival sein Unwesen treibt, aber man es bisher nie geschafft hat hinzugehen, dann ist ein Besuch dort die Definition von „überfällig“. Das hansemosh in Bremen gastierte bis 2019 im Magazinkeller des Schlachthofs in Bremen-Findorff und zog nach der coronabedingten Pause 2023 in die Schaulust am Güterbahnhof um. Fünf Bands präsentiert uns das hansemosh am heutigen Abend, an dem sich lokale Acts mit renommierten Headlinern die Klinke in die Hand geben. Dieses Jahr sind mit FINAL PLAGUE, UR-IN-STINKT und PHANTOM CORPORATION gleich drei heimische Kapellen an Bord – ZWIELICHT aus Nordrhein-Westfalen und die Kanadier RIOT CITY komplettieren das Line-up.
FINAL PLAGUE – Elchtod aus Bremen
Schon vor Konzertbeginn kommen wir mit der Gruppe ins Gespräch: „Du hast uns nur sechs Punkte in deiner Rezension gegeben!“. Statt Prügel gibt es nette Worte, bevor Fünfer um Punkt 18 Uhr die Bühne der Schaulust entert. Schnell wird klar: Die Schlägerei haben sich FINAL PLAGUE für ihre Musik aufgehoben. Neben den Stücken der soliden „Blood“-EP bekommen wir weiteres, unveröffentlichtes Material geboten. Die Death-Metal-Band füllt die 30 Minuten Spielzeit mit einer Menge Songs der Sorte „kurz und knackig“. Der Platz vor der Bühne füllt sich schnell und wir beobachten die ersten Headbanger – der HM2-Pedal-geprägte Todesstahl des Fünfers kommt gut an.
Nach dem Konzert führen wir die Konversation weiter. Ob uns der Gig gefallen hat, fragt uns Basser Andreas Walde. Die Antwort darauf ist ein klares „Ja!“, denn live drücken einem die Stücke stärker den Hut vom Kopf als von Platte – und das haben wir in der Review bereits korrekt konstatiert. FINAL PLAGUE haben mit ihrem Auftritt die Spannung auf das Debütalbum weiter gesteigert.
UR-IN-STINKT – was ist „Dreckmetal“?
UR-IN-STINKT sehen so aus, als hätte das hansemosh eine Supergroup aus Bremer Bahnhofpunks zusammengestellt. Mit diesem Image hausiert die Truppe bewusst – sie kündigen sich als Dreckmetalband an und seien auf Festivals der „ungeliebte Onkel, der immer besoffen ist und trotzdem eingeladen wird“. Übersetzt bedeutet es, dass wir eine Mischung aus Black Metal, Crust und Punk dargeboten bekommen. Die größtenteils unverständlichen Texte werden mit ordentlich Rotz in der Stimme vorgetragen, sodass die eigens geschaffene Genrebeschreibung gut zu den Musikern passt.
Während des letzten Stücks stolpert Sänger Dan samt Bühnendeko-Skelett ins Publikum, um dort seine letzten Töne ins Mikrofon zu röcheln. Anschließend taumelt er zwischen den anwesenden Moshern hin und her, haut uns den Arm des Knochenmanns auf die Schulter und fällt zu Boden. Je nachdem wie viel Bier vorher im Backstage schon geflossen ist, war das entweder eine selbsterfüllende Prophezeiung oder ein verdammt gutes Schauspiel – in jedem Fall passt die Darbietung zum Bandimage.
PHANTOM CORPORATION starten richtig durch
PHANTOM CORPORATION hatten den Ruf, die Nachfolgeband von DEW-SCENTED zu sein. Sänger Leif Jensen und Marc-Andrée Dieken am Schlagzeug sind zwei ehemalige Mitglieder der aufgelösten Thrash-Institution. Mit „Fallout“ legten sie im vergangenen Jahr ein starkes Debütalbum vor, das mit zünftigem Death-Crust überzeugt. Natürlich klingt Jensen auf der Bühne nicht anders als in seiner ehemaligen Kapelle, aber die Marschrichtung von PHANTOM CORPORATION ist eine andere. Die Truppe präsentiert einen Mix kurzer, knackiger und prügelnder Tracks vom Erstling sowie den vorher veröffentlichten EPs und Splits.
Spätestens bei diesem Auftritt ist das Publikum warmge(hanse)mosht und so bittet die „Corporation“ zum fröhlichen Körpertanz. Während in den ersten Reihen fleißig die Haare kreisen, bildet sich in der Mitte des Saals ein amtlicher Moshpit. Mit „Gridlock“ bekommen wir ein Lied, das bisher nicht live gespielt wurde, geboten. Nur die Publikumsrufe nach DEW-SCENTED-Evergreens wie „Acts Of Rage“ bleiben unbeantwortet. Das macht nichts, denn das eigene Material der „Corporation“ reicht für einen gelungenen Gig vollkommen aus.
ZWIELICHT – der Name ist Programm
Nachdem wir bisher viel Death Metal und Crust auf die Ohren bekommen haben, ändert sich die Stimmung mit dem Gig von ZWIELICHT. Die Band hat nach zehn Jahren Pause ihr zweites Album „The Aphotic Embrace“ im Gepäck. Dieses setzt auf überlange, atmosphärische Black-Metal-Stücke, die einen Stimmungsbruch beim Festival einläuten. Das Publikum kommt zur Ruhe, viele setzen sich auf die Stufen im hinteren Bereich der Schaulust.
ZWIELICHT hüllen indes die Bühne komplett in Nebel und ihre Bühnendekoration mit Totenschädeln und ein wenig Okkultismus passt zur Musik. Sänger „LCF’s Saw“ tritt maskiert auf und auch der Rest der Truppe lässt sich nicht groß in die Karten gucken. Nach Gruppen, die nicht mit Publikumsinteraktion geizten, bekommen wir jetzt das komplette Gegenteil geboten. Ansagen sind Mangelware und selbst nach dem letzten Song verschwinden ZWIELICHT wortlos. Das passt zum Gesamtbild des starken Auftritts, denn musikalisch gibt es nichts zu beanstanden.
RIOT CITY machen das hansemosh international
RIOT CITY aus Kanada sind angesichts der vielen Shirts der Band, die wir im Publikum sehen, die goldrichtige Headlinerwahl. Die Heavy- und Speed-Metaller geben sich old-school mit ordentlich Gepose. Der Gesang von Jordan Jacobs rangiert von klassischen Metalvocals bis hin zu sehr hohen Screams, die zum Genre dazugehören, aber auf Dauer anstrengend sind. Ein bisschen weniger von den ganz hohen Tönen würde es auch tun. Zudem wirkt er während der Performance entweder angetrunken, oder sein Englisch hat einen starken Akzent. Im Laufe des Gigs nimmt er dankbar einiges an Bier aus dem Publikum an, was die erste Annahme wahrscheinlicher macht.
In jedem Fall beweisen RIOT CITY ordentlich Spielfreude – das Quintett hält kaum eine Sekunde auf der Bühne still. Sie tauschen die Positionen am Laufenden Band, recken die Hände in die Luft und animieren das Publikum zum Mitmachen. Sympathisch: Jacobs trägt ein PHANTOM-CORPORATION-Shirt, das ihm die Band vor dem Gig überreicht haben muss. So sieht gegenseitige Unterstützung von aufstrebenden Kapellen aus – super! Die anwesenden Mosher quittieren den Auftritt der Kanadier mit mächtig Applaus und nach gut einer Stunde verabschiedet sich die Truppe mit einer Zugabe von der Bühne. Somit endet das zehnte hansemosh mit einem Erfolg für Veranstalter und Musiker. Wir kommen mit Sicherheit zur elften Ausgabe wieder.
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