SCAVENGER sind eine jener Heavy-Metal-Bands, die in den 80ern im Windschatten der NWoBHM ein solides Album rausgehauen haben, anschließend jedoch schnell wieder in der Versenkung verschwunden sind. Bei den Belgiern war nach dem 1985er Debüt „Battlefields“ erstmal Schluss und ähnlich wie aktuell viele Zeitgenossen aus der dritten Reihe wagen auch sie sich nun an den Versuch eines zweiten Frühlings.
SCAVENGER in der Version 2.0
Der Clou dabei ist: Eigentlich ist die aktuelle Besetzung von SCAVENGER eine komplett neue Band, denn keines der Mitglieder ist länger als seit den ersten vorsichtigen Reformierungsbestrebungen im Jahr 2018 dabei. Damals war wohl noch Ur-Drummer Luc Ebinger mit dabei, der hat sich 2020 aber auch wieder in den Ruhestand verabschiedet. Warum man „Beyond The Bells“ nun also überhaupt als SCAVENGER veröffentlicht, bleibt ein Rätsel. Am großen Namen kann es kaum liegen, denn außer absoluten Underground-Trüffelschweinen mit Fanatismus-Faktor „Neudi“ dürfte die Truppe den wenigsten Metalfans ein Begriff sein. Aber sei’s drum, was letztlich ja zählt ist die Musik.
Die Version 2.0 von SCAVENGER beackert auf „Beyond The Bells“ ein erwartungsgemäß 80s-lastiges Feld, das von stadiontauglichem Hard Rock über NWoBHM- und JUDAS PRIEST-Referenzen bis hin zu kleinen Ausbrüchen in Speed-Metal-Gefilde reicht. Der Opener „Black Witchery“ und „Defiler“ drücken beispielsweise ordentlich aufs Gas, „Nosferatu“ kommt gar mit einem frühen ENFORCER-Vibe daher. Allerdings wirkt der Gesang von Frontfrau Tine Lucifera auf den ersten Höreindruck ein wenig dünn, was sich jedoch nach einer gewissen Warmlaufzeit bessert. Klar, eine junge Doro Pesch oder Leather Leone wird sie auch im weiteren Albumverlauf nicht, grade die etwas rotzigeren Passagen stehen ihr aber gut zu Gesicht und haben etwas charmant Freches.
Ein Highlight des Albums ist „Hellfire“, das mit lässigen Sunset-Strip-Riffs, ausufernden Soli und einem schmachtenden Refrain, der runtergeht wie Öl gesegnet ist. Die Nummer wird in der Setlist von SCAVENGER sicherlich einen prominenten Platz einnehmen und auch das ansonsten deutlich aggressivere „Crystal Light“ ist mit markanten Gitarren und einem Chorus zum Niederknien ausgestattet. So hätte man also schonmal mindestens zwei Asse im Ärmel, doch auch das restliche Songmaterial bietet mindestens soliden und insgesamt recht eingängigen klassischen Heavy Metal.
Eher ein Neustart als eine Reunion
Kommen wir also zur Kernfrage: Ist „Beyond The Bells“ ein Album, auf das die Heavy-Metal-Gemeinde seit fast 40 Jahren gewartet hat? Und hat überhaupt jemand auf ein neues Album von SCAVENGER gewartet? Nun, zumindest der zweite Punkt lässt sich mit einem ausdrücklichen „vielleicht“ beantworten. Ein paar Oldschool-Fanatiker, die „Battlefields“ in Ehren halten und immer mal wieder auf eine Reunion sowie einen Nachfolger gehofft haben, wird es sicherlich geben. Man muss hier aber eben nochmal klar betonen, dass die SCAVENGER von heute eine komplett neue Band sind, die zwar mit dem Segen der Originalmitglieder operiert und natürlich auch in den gleichen musikalischen Gewässern fischt, nichtsdestotrotz aber anders klingt als die Besetzung aus den 80ern.
Man tut also gut daran, die vermeintliche Reunion von SCAVENGER eher als kompletten Neustart anzusehen und daher auch keine allzu scharfen Vergleiche mit dem Debüt anzustellen. So oder so ist „Beyond The Bells“ aber ein rundum solides traditionelles Heavy-Metal-Album geworden. Es hapert vielleicht hier und da ein wenig am Gesang und auch sonst reicht es eher nicht für die erste Liga der aktuellen Szene, Genre-Fans und passionierte Keep-It-True-Besucher werden aber sicherlich ihren Spaß mit der Scheibe haben.
Ich finde das Album richtig gut. Gerade auch den weiblichen Gesang. Wer Bands wie Messiah Force,Caress und Black Knight mag sollte das Album antesten.