Ektomorf
Vivid Black Tour 2024
Konzertbericht
Es ist sehr erfreulich, dass sich der Tower zum heutigen EKTOMORF-Gastspiel rapide füllt, sodass sich bei Konzertbeginn um 19:20 Uhr schon eine solide Traube vor der Bühne gebildet hat. Denn ein gut besuchtes Konzert ist am Dienstagabend in Bremen leider keine Selbstverständlichkeit. Schon zu oft mussten etablierte Bands in kleinen Locations vor maximal 50 Prozent Raumauslastung zocken, obwohl Clubs in benachbarten Städten ausverkauft meldeten. Da müssen wir Bremer uns nicht wundern, dass uns Hamburg und Hannover die guten Touren wegnehmen. Mit dabei hat das ungarische Urgestein INMATE aus Slowenien, SERPENTS aus Polen und TAG MY HEART von hierzulande.
INMATE legen die Messlatte für die Vorgruppen hoch
Die slowenische Metalcore-Band bringt von Anfang an einen soliden Sound aufs Parkett, der die Anwesenden überzeugt. Der mehrstimmige Gesang kommt gut an, allerdings tönen viele Spuren aus dem Playback. Es steht nur ein Frontmann auf der Bühne, wodurch das unvermeidlich ist, aber die vielen gedoppelten Vocallines sind dadurch deutlich hörbar. Oft mischt sich live gesungener Klargesang mit Growls vom Band, hier wäre ein zweiter Sänger eine echte Wertsteigerung.
Trotzdem überzeugt die musikalische Seite von INMATE. Das Publikum quittiert den Auftritt der Truppe sofort mit großzügigem Applaus – in den vorderen Reihen haben sich die ersten Headbanger des Abends versammelt. Nur die in gebrochenem Deutsch geforderten Circle Pits bleiben aus. So begibt sich der Fronter von INMATE zum letzten Song „Home“ höchstpersönlich ins Publikum und dockt an den fleißigsten Headbanger an. Eine gute halbe Stunde machen INMATE den Anheizer und lassen einen mit der Frage zurück, warum man von der schon über 10 Jahre aktiven Band noch nie etwas gehört hat.
Galerie mit 11 Bildern: Inmate - Vivid Black Over Europe 2024 in OsnabrückSERPENTS übertreiben es mit der Elektronik
EKTOMORF haben für ihre Vorbands den Modern-Metal-Katalog zu Rate gezogen, denn auch SERPENTS aus Polen fallen in diese Kategorie. Der Core der Gruppe ist eine ganze Ecke elektronischer, sodass sie Fans von ELECTRIC CALLBOY und Konsorten schnell abholen. Die Stücke sind durch ihre zahlreichen Breaks und Synthiespielereien etwas vertrackt ausgefallen, was die Anwesenden nicht stört. In der zweiten Hälfte des Sets finden SERPENTS ihr Gaspedal zunehmend wieder, weshalb der Sänger seinen In-Ear-Kopfhörer verliert. Mithilfe der Handykameras diverser Zuschauer ist er schnell wiedergefunden und die Sause kann weitergehen.
Die Gäste des mittlerweile gut gefüllten Towers sind die richtige Zielgruppe für derartige Musik und gehen fleißig dazu ab. Der Auftritt bleibt musikalisch hinter dem ersten Gig zurück, sorgt jedoch für genug Action in den vorderen Reihen, um erfolgreich zu sein. Dass sich SERPENTS‘ Fronter zum letzten Stück eine Gitarre umschnallt und ein flottes Solo zum Besten gibt, fällt positiv auf. Davon hätten wir gerne mehr gesehen!
Galerie mit 12 Bildern: Serpents - Vivid Black Over Europe 2024 in OsnabrückTAG MY HEART – LIMP BIZKIT mit Sängerin?
Als stilistischer Ausreißer findet sich die deutsche Gruppe TAG MY HEART im Lineup wieder. Das Trio spielt einen Mix aus Crossover und Nu Metal, der vereinzelt an LIMP BIZKIT erinnert – mit dem Unterschied, dass statt Fred Durst hier Sängerin Isabel am Mikrofon steht. Diese rappt, singt und schreit sich durch die Stücke, die eine gute Energie ausstrahlen, leider aber auch nervig auffallende Hip-Hop-Elemente beinhalten. Statt headbangen sollen wir den Arm in die Luft heben und die wippende Geste ausführen, die bei Rap-Gigs angesagt ist.
Die Zuschauenden sind von dem Auftritt aber angetan. Sie haben die Bar des Towers zwischen den Gigs großzügig besucht, sodass der Slot von TAG MY HEART aufgrund der Bierlaune der Anwesenden gut gewählt ist. Die Truppe agiert professionell, denn sie haben trotz ihres jungen Alters schon diverse Touren hinter sich. Dennoch sind die meisten Metalheads nach drei Vorbands unterschiedlicher Art endlich bereit für den ungarischen Headliner.
Galerie mit 12 Bildern: Tag My Heart - Vivid Black Over Europe 2024 in OsnabrückEKTOMORF – 75 Minuten Moshpit
Als EKTOMORF die Bühne betreten brechen die Dämme aller Anwesenden. Bereits mit „I’m Your Last Hope (The Rope Around Your Neck)“ beginnt im vorderen Bereich des Clubs das muntere Geschubse. Die Gruppe um Frontmann und Gitarrist Zoltán Farkas muss keine Energie darauf verschwenden, das Publikum anzuheizen. Dennoch wird der Leader während der Songs nicht müde, das Feuer der Pits weiter zu schüren. Er selbst wirkt angeschlagen und gibt es in einer Ansage auch zu, doch seine Performance leidet trotz frequenter Huster zwischen den Gesangseinlagen nicht. Das Leben auf der Straße fordert seinen Tribut, zum Zeitpunkt des Bremer Konzertes befinden sich EKTOMORF schon seit 20 Tagen auf Tour – ohne Offday.
Der Schwerpunkt der „Vivid Black“-Tour liegt auf dem gleichnamigen Album. Ganze neun neue Stücke haben es in die Setlist des heutigen Abends geschafft – Nur „REM“ muss zuhause bleiben. Das ist erfreulich, denn wir fragten uns vergangenes Jahr auf dem Reload Festival noch, ob EKTOMORF überhaupt neues Material veröffentlichen müssen, wenn sie davon ohnehin nichts live spielen. Da die Lieder alle eine kurze Spielzeit haben, bleibt trotzdem genug Zeit für Repertoire aus vergangenen Tagen. Mit „Fire“ und „You Leech“ geht es bis ins Jahr 2002 zurück, als EKTOMORF kurz vor ihrem Deal mit Nuclear Blast standen. Dieser folgte zwei Jahre später mit „Destroy“ – einem Album, das sich bis heute großer Beliebtheit bei den Fans erfreut. Kein Wunder, bei „I Know Them“ und „Gypsy“ brennt die Hütte.
Nach über einer Stunde Moshpit fragt Farkas vorsichtig in die Runde, ob die Anwesenden müde sind. Leider nein, denn die Musiker geben augenzwinkernd zu, es bereits zu sein. Natürlich darf ein Klassiker wie „Black Flag“ zum Setende nicht fehlen. Das bekannte Zugabenspiel hätten sich EKTOMORF sparen können, denn sie verschwinden kaum zwei Minuten von der Bühne, bevor das heiß erwartete „Outcast“ den Gig beendet.
Mit dem heutigen Auftritt beweist die bekannteste ungarische Metalband, dass sie diesen Status zu Recht innehat. Die neuen Tracks knallen live eine ganze Ecke besser als auf Platte, sodass die berechtigte Frage aufkommt, ob wir nicht einen Punkt zu geizig in der Rezension waren. Respekt an alle vier Gruppen, die sich den Hintern abgespielt haben und für die faire Bepreisung der Sause – 25 Euro für vier Bands ist mehr als fair in heutigen Zeiten.
Galerie mit 11 Bildern: Ektomorf - Vivid Black Over Europe 2024 in OsnabrückBericht: Jannik Kleemann (Bremen)
Fotos: Laura König (Osnabrück)
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