Leprous
Aphelion European Tour 2024
Konzertbericht
Die Tour zu ihrem aktuellen Album “Aphelion” geht für die norwegischen Prog-Überflieger LEPROUS munter weiter. Nachdem Einar Solberg und Co. Bereits 2023 ausgiebig mit MONUMENTS durch Europa getourt sind, dabei aber nur die übliche Hamburg-München-Berlin-Köln-Steppvisite nach Vorschrift abgehakt haben, werden 2024 noch einige weniger offensichtliche, doch ebenso wichtige Städte in Europa für knapp drei Wochen besucht.
LEPROUS und das Problem des geeigneten Support-Acts …
Mal wieder fällt auf, dass es schwer ist, einen guten Toursupport für LEPROUS zu finden. Dafür ist ihr Stil selbst im Prog-Kosmos zu einzigartig und speziell. FIGHT THE FIGHT allerdings sind musikalisch geradezu ein Griff ins Klo. Die sicherlich sehr netten Musiker spielen die denkbar vorhersehbarste Form von Modern-Metal-Einheitsbrei, der sämtliche Klischees abdeckt: als Strophen getarnte Breakdowns, als Riffs getarnte und auf viel zu viele Takte gestreckte Ein-Ton-Figuren, weinerlich gesungene Refrains, die sich mit gegrowlten Strophen abwechseln, choreografiertes Synchron-Acting und Sampling-Tracks, die lauter sind als die “richtigen” Instrumente. FIGHT THE FIGHT wirken wie gesagt sympathisch und legen sich mächtig ins Zeug, können aber bis auf ein paar aufgeregte und vom Konzerterlebnis an sich schon adrenalinberauschte Leutchen in der ersten Reihe kaum etwas abreißen. Zu ihrer Entschuldigung müssen wir noch festhalten, dass FIGHT THE FIGHT aktuell ein stark erneuertes Line-up haben und sich vielleicht noch etwas einspielen müssen.
Galerie mit 12 Bildern: Fight the Fight - Aphelion European Tour 2024 in LeipzigTHE HIRSCH EFFEKT reißen es heraus
Nicht so THE HIRSCH EFFEKT. Das Trio ist in der Prog-Szene schon längst eine etablierte Größe und muss niemandem etwas beweisen. Nach dem durch Samples und Ambience-Spuren stark angedickten Klang von FIGHT THE FIGHT wirkt der natürliche, lediglich von drei Instrumenten plus Gesang erzeugte Sound der Hannoveraner zunächst etwas irritierend, zumal das Täubchenthal ohnehin nicht für seine hohen Soundstandards bekannt ist. Man gewöhnt sich aber an die typischen Support-Act-Limitierungen und kommt in den Genuss eines intensiven und souveränen Auftritts. Selbstredend ist der mit latenter Grind-Attitüde gespielte Math-Metal von THE HIRSCH EFFEKT ebenfalls Geschmackssache, aber die Musiker wissen, was sie tun und haben einen guten Teil des Publikums fest im Griff. Der andere Teil reserviert sich an diesem Freitagabend seine Energien für die introspektive Melancholie von LEPROUS.
Galerie mit 10 Bildern: The Hirsch Effekt - Aphelion European Tour 2024 in LeipzigLEPROUS: Mächtig und erhaben
Diese präsentieren sich beinahe in Bestform und erwischen lediglich mit “Have You Ever?” einen etwas holprigen Start. Der Song funktioniert als zurückhaltender Opener von “Aphelion” wunderbar, kommt aber an erster Stelle in der Live-Situation nicht gut genug aus der Hüfte. Als unmittelbar im Anschluss die ersten Töne des Klassikers “The Price” ertönen, entlädt sich allerdings die Energie auf das Publikum und der unsichtbare Vorhang ist gefallen.
Generell ist die Setlist zum Verlieben. Nach “The Price” schließt “Third Law” an und mit “Slave” haben LEPROUS noch einen weiteren Song des Jahrhundertalbums “The Congregation” im Gepäck. Das – aus Sicht des Redakteurs – etwas schwächere “Malina”-Album wird mit “Bonneville” und dem eingängigen “From The Flames” abgedeckt. Ansonsten liegt der Schwerpunkt klar auf den Highlights der Alben “Aphelion” und “Pitfalls”, die mit “Castaway Angels”, “Out Of Here”, “Alleviate”, der Zugabe “The Sky Is Red” und vielen weiteren gespielt werden.
Mit ihrer unglaublichen Tightness, die selbst bei komplexesten Motiven nicht ins Wanken gerät, beweisen LEPROUS, dass sie im Prog-Sektor längst eigene Standards setzen und aus selbigem nicht mehr wegzudenken sind. Besonders beeindruckend: der mühelose Wechsel vom jeweiligen Hauptinstrument zur Abordnung ans Keyboard, den mittlerweile alle LEPROUS-Mitglieder außer Drummer Baard Kolstad auf der Bühne vollführen. Apropos Kolstad: Warum er nach dem gefühlt zweiten Song demonstrativ sein Oberteil ausziehen muss, ohne während des Sets annähernd ins Schwitzen zu geraten, erschließt sich nicht so recht. Nötig hat er das Posing jedenfalls nicht, zumal derlei Gesten auch von Teilen des Publikums hörbar von Spötteleien oder Kritik aufgenommen wurden. Ungeachtet dessen spielen LEPROUS einen starken Gig. Nach dieser 7/8-Polyrhythmik-Ekstase dürstet es den Redakteur nun allerdings nach etwas mehr Stumpfsinn.
Setlist LEPROUS:
- Have You Ever?
- The Price
- Third Law
- Bonneville
- On Hold
- Castaway Angels
- From The Flame
- Alleviate
- Out Of Here
- Slave
- Distant Bells
- Below
- Nighttime Disguise
- The Sky Is Red (Zugabe)
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