Kamelot
Interview mit Oliver Palotai zu "Silverthorn"

Interview

Kamelot

Vor dem Konzert in Stuttgart nutzten wir die Gelegenheit, uns mit Keyboarder Oliver Palotai über den jüngsten KAMELOT-Geniestreich „Silverthorn“ zu unterhalten. Dabei überrascht der studierte Musiker uns damit, dass er praktischerweise dieselbe Sprache spricht wie der Autor dieser Zeilen: Schwäbisch.

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Hallo Oliver, danke dass du dir die Zeit für uns nimmst. Du schwätzt ja auch Schwäbisch, ich hatte dich immer irgendwie mit Franken in Verbindung gebracht…

(mit gespielter Entrüstung) Also, jetzt ruf ich gleich die Security! (lacht) Ich habe in Nürnberg studiert, aber ich bin dann wieder hierher zurückgezogen, weil sich das Heimweh gemeldet hat. Zwischendurch habe ich eine Weile in Aachen gewohnt und dann standen Los Angeles oder New York zur Debatte, um da näher an diversen Produktionen dran zu sein, aber es geht halt nix über das Ländle.

 

„Silverthorn“ ist nun dein insgesamt drittes Studioalbum als offizielles Bandmitglied von KAMELOT.

Lass mich kurz überlegen – „Poetry For The Poisoned“, „Silverthorn“, „Ghost Opera“ und dann hatten wir noch das live-Album „One Cold Winter’s Night“. Eingestiegen bin ich aber eigentlich schon bei der „Black Halo“, als das Album gerade in der Mache war, offiziell war ich da aber noch nicht dabei.

 

Die „Black Halo“ ist in meinen Augen auch ein guter Bezugspunkt für die neue Scheibe. „Epica“ und „The Black Halo“ finde ich nach wie vor großartig, die „Ghost Opera“ fand ich am Anfang auch toll, die hat sich aber inzwischen bei mir recht stark abgenutzt. Die „Poetry For The Poisoned“ hat mich dagegen nie so richtig gepackt, obwohl ich dir nichts sagen könnte, was mich an der Scheibe wirklich stört. Gab es Dinge, die auf „Poetry For The Poisoned“ in euren Augen nicht so wie geplant funktioniert haben und die ihr dieses Mal unbedingt besser machen wolltet?

Deiner Einschätzung kann ich von meiner Seite auch voll und ganz zustimmen und du gibst da genau das wieder, was wir auch von ganz vielen Fans gehört haben. Von meiner Seite aus war es so, dass sich das ganze Songwriter-Team mit dem neuen Album geändert hat, das heißt, mein Einfluss auf das Album hat massiv zugenommen. Ich konnte dir auch schon damals zustimmen, die „Poetry…“ ging in meinen Augen in eine Richtung, die zumindest ich nicht so richtig unterstützt habe. Und daraufhin wollte ich mit der neuen Platte genau das wieder haben, eine Fortsetzung von „The Black Halo“ plus die modernen Elemente. Und lustigerweise habe ich auch das Gefühl, dass wir da voll ins Schwarze getroffen haben.

 

Absolut. Bei mir läuft die Scheibe nach wie vor rauf und runter. Du hast schon angesprochen, dass du dich diesmal stärker einbringen konntest. Ohne jetzt euren Songwriting-Prozess genau zu kennen, denke ich, dass man das vor allem an den Orchestrierungen merkt, die sich diesmal irgendwie besser ins Gesamtbild einfügen.

Nicht nur das. Bei drei Songs – „Ashes To Ashes“, „Prodigal Son“ und „Falling Like The Fahrenheit“ – kamen noch einige Ideen von Sascha (Paeth, Produzent – Anm. d. Red.) dazu, aber die grundlegenden Songstrukturen stammen alle von Thomas (Youngblood, KAMELOT-Gitarrist – Anm. d. Red.) und mir. Wir haben uns im Vorfeld hier in Deutschland getroffen – also in Aidlingen bei Sindelfingen – und dann in Tampa, Florida und haben die Songs zusammen geschrieben. Und die Orchestration habe ich dann erst viel später draufgesetzt, die kommt immer erst ganz am Ende. Dadurch dass ich ein klassischer Orchestrator bin, kann es schon sein, dass die diesmal ein bisschen mehr im Vordergrund stehen.

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Eines meiner Lieblingsstücke ist der „Song For Jolee“. Als Klavierballade ist das wohl auch dein Trademark-Stück auf „Silverthorn“.

Genau. Das habe ich geschrieben und das Lustige ist, dass sich durch dieses Stück auch entschieden hat, dass Tommy (Karevik, neuer KAMELOT-Sänger – Anm. d. Red.) unser Sänger wurde. Ich habe ihm eine Rohfassung geschickt, die sich kaum vom fertigen Song unterscheidet, und er hat das dann in Schweden aufgenommen. Das, was wir von ihm zurückbekommen haben, hat einfach alle Mitbewerber mit einem Schlag aus dem Feld geworfen. Da war die Sache eigentlich gegessen.

 

Tommy war ja schon auf eurer letzten Tour als Background-Sänger dabei. An welchem Punkt in der Produktion ist euch dann klar geworden, dass er auch als Lead-Sänger in Frage kommt?

Während der Tour damals waren wir – das muss man jetzt mal ehrlich sagen – gar nicht so überzeugt von ihm, weil er auf der Bühne ein bisschen schüchtern war. Das ist aber auch verständlich, er wurde da in diese Tour geworfen und war auch nicht der Sänger der Band, sondern sozusagen nur eine „Special Appearence“. Dann spielte da auch noch der Bühnensound mit hinein, er musste zum Beispiel Fabio Liones (Sänger von RHAPSODY (OF FIRE?) und 2010/2011 Aushilfssänger auf KAMELOTs „Poetry For The Poisoned“-Tournee – Anm. d. Red.) Mikrosound übernehmen, obwohl die beiden zwei völlig verschiedene Sänger sind. Und wir dachten auch „Woah, der singt auch so leise!“ und so. Deshalb war er dann mit drinnen im Kandidatenpool, aber eben nicht unbedingt die Nummer Eins. Und dann hat er sich eigentlich durch „Song For Jolee“ an die Spitze gearbeitet und jetzt sind wir so froh, weil er schon bei den ersten Festivals auf der Bühne wie verwandelt war.

 

Ich hab euch dieses Jahr auf dem „Bang Your Head!!!“ gesehen und fand das großartig. Das einzige, was mich ein bisschen gestört hat, war, dass er teilweise noch stark an Roy Khan (Kareviks Vorgänger am KAMELOT-Mikrofon – Anm. d. Red.) erinnert hat, als versuche er, die alten Khan-Fans zufrieden zu stellen und sich nicht zu weit von dessen Performance zu entfernen.

Das krasse ist, dass sich die beiden wirklich in mancherlei Hinsicht wirklich sehr ähnlich sind. Ich glaube nicht, dass er das wirklich bewusst imitiert oder so. Es gibt ja Stellen – das gebe ich ganz ehrlich zu – an denen seine Stimme ganz extrem nach Roy klingt. Das hat natürlich auch was mit dem Songwriting zu tun, mit den Strukturen, die er von uns bekommt, die einfach KAMELOT sind. Er kann das halt so umsetzen und manches ist schon sehr nah an Roy Khan dran, was aber nicht unbedingt schlecht sein muss.

 

Na klar, das ist ja auch Jammern auf ganz hohem Niveau. Ich würde mir teilweise wünschen, dass er sich noch etwas stärker von Roy Khan abhebt, nichtsdestotrotz ist seine Leistung auf dem Album absolut großartig. Das Album ist ja ein Konzeptalbum geworden. Wer hat sich die Geschichte dahinter denn ausgedacht?

Das Konzept kam eigentlich von der ganzen Band, da steckt Input von allen möglichen Seiten drinnen. Tommy hat einen ganz großen Teil dazu beigesteuert, das ist auch wirklich sein Einfluss. Von ihm kommen die meisten Ideen, Sascha hat ein bisschen was reingeworfen, Thomas natürlich und von mir kamen auch ein paar Ideen, unter anderem auch der Albumtitel. Es ist also ein echtes Gemeinschaftswerk.

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Bei der Story hatte ich immer wieder das Gefühl, dass es sich eigentlich um eine typische Schizophrenie-Geschichte handelt und die beiden Brüder, um die es geht, in Wirklichkeit ein und dieselbe Person sind. Interpretiere ich da zuviel hinein?

Nö, das würde ich nicht sagen. Wir haben auch nächtelang über das diskutiert, was zwischen den Zeilen steht, über den ganzen hintergründigen Kontext. Das lustige ist auch, dass jeder von uns andere Schlussfolgerungen gezogen hat, was du jetzt sagst, kam da auch mal vor. Es ist ja eine sehr klassische Geschichte, die auch stark von der klassischen Tragödie herrührt. Da kann man natürlich viel interpretieren und es ist auch immer super, wenn man das von den Fans hört, die dann sagen: „Das entspricht auch meiner Lebenssituation an dieser Stelle.“ Das ist eigentlich einer der spannendsten Aspekte unseres Berufes.

 

Am Ende des Albums steht mit „Continuum“ ja eine Art Abspann-Song, an die sich dann noch eine kurze Reprise anschließt. Für mich klang das unweigerlich wie ein „To be continued…“ Aber kann man die Story, die eigentlich bereits in sich abgeschlossen ist, überhaupt sinnvoll fortsetzen?

Wir denken im Moment noch gar nicht ans nächste Album, obwohl der Anfang des neuen Songwriting-Prozesss ja traditionell gar nicht mehr so weit entfernt ist. Klar, man lässt sich vielleicht immer so eine kleine Hintertür offen…

 

Das war für mich auch so ein kleiner Déjà-Vu-Moment im Bezug auf die „Epica“, bei der ich damals die Story auch für abgeschlossen hielt, die dann aber mit „The Black Halo“ doch fortgesetzt wurde. Auch da ist nun irgendwie wieder dasselbe Feeling da wie damals, als ich die Band für mich entdeckt habe.

Ich denke halt, dass bei den letzten beiden Alben – vor allem auf der „Poetry For The Poisoned“ – Roys Zustand schon sehr sehr stark durchschimmerte. Er hat einfach keine Energie mehr gehabt, da war dann ja auch dieser Burn-Out, den er gehabt hat. Ihn hat das alles furchtbar geschlaucht, dieser Zirkel an Touren, Studio, Promo und dann das Ganze wieder von vorne. Und ich glaube, dass es fast unvermeidlich ist, dass man das dann auch auf dem Album hört, für mich schimmert das ganz stark durch. Was ich so bedauert habe, war der Verlust an starken Melodien. „Poetry For The Poisoned“ ist kein schlechtes Album, aber wenn man es im Vergleich zu den fünf Vorgängern sieht, dann fehlen einfach die Nummern, die man unbedingt auch in den nächsten zehn Jahren noch immer wieder hören möchte.

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Das trifft die Sache, denke ich. Inwiefern hat der Einstieg von Tommy dann das Bandgefüge verändert? War es überhaupt ein großer Umbruch, nachdem ihr ihn schon von der letzten Tour als Background-Sänger kanntet?

Roy hatte sich auf den letzten Touren schon ein bisschen zurückgezogen, der wäre jetzt zum Beispiel noch gar nicht da gewesen, sondern wäre noch im Hotel geblieben und hatte dann auch wenig Kontakt mit uns anderen. Tommy bringt wieder sehr viel Energie und Frische mit rein, die uns allen gut getan hat. Gut, wir waren jetzt in keinster Weise ausgebrannt, ganz im Gegenteil, aber jetzt lachen wir uns ständig tot und so, was total super ist. Tommy bringt auch viel Disziplin mit, vielleicht durch seinen Job als Feuerwehrmann. Das ist ungewöhnlich, denn wer Stories von Bands verfolgt, der weiß, dass der Sänger oder die Sängerin oft das Problem ist, das habe ich in den vielen Bands, in denen ich davor schon gespielt habe, leider auch immer wieder mitbekommen. Und er ist völlig auf dem Boden geblieben, das tut der Band sehr gut.

 

Vorher hatten wir es schon von der Sprachverwirrung und dem ständigen Wechsel zwischen Englisch, Schwäbisch und anderen Sprachen. Gibt es da bei euch nicht auch immer mal wieder Verständigungsprobleme, weil ihr so eine internationale Truppe seid?

Nee, wir können zum Glück alle ausreichend Englisch und das ist dann so die gemeinsame sprachliche Basis. Am Anfang hatte ich ein bisschen Probleme, weil bei manchen von den anderen… Naja, man versteht da eben nicht immer alles, aber mittlerweile geht das. Wir machen auch ständig Witze über unsere Nationalitäten und die Mentalitäten innerhalb der Band, das gehört irgendwie dazu.

 

Du selbst hast ja mit SONS OF SEASONS noch eine zweite Band. Ist das dein eigenes Kind, wo du dich selbst verwirklichen kannst und weniger Rücksicht auf deine Bandkollegen nehmen musst?

Ja, genau das war es ursprünglich. Ich hab das Projekt gegründet, um eine kompositorische Nebenspielwiese zu haben. Dadurch, dass ich aber so auch noch so viele andere Sachen mache – ich produziere, ich orchestriere viel, ich schreibe Songs für andere Bands – sind SONS OF SEASON für mich ein reines Nebenprojekt. Wir wollen da im nächsten Jahr unsere dritte Platte angehen. KAMELOT ist natürlich eine völlig andere Größenklasse, also muss man einfach sagen, dass das rein vom Finanziellen her zum Beispiel einen Riesenunterschied macht. Bei SONS OF SEASONS verliere ich viel Geld in dem Stadium, in dem wir da als Band eben gerade sind. KAMELOT sind dagegen ein Teil meines Einkommens, dementsprechend kann man da schon die entsprechenden Schlüsse daraus ziehen.

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Privat bist du ja schon seit langem mit Simone Simons (EPICA-Sängerin – Anm. d. Red.) liiert. Redet man da privat noch ständig über die laufenden Aktivitäten mit der Band oder will man sich da zuhause dann lieber ganz anderen Themen widmen?

Ja, ich habe sie ja auch „germanisiert“, beziehungsweise nach Schwaben entführt. Man redet da schon viel darüber, weil sich natürlich ständig alles in Bewegung befindet und auch neue Probleme auftauchen, die man dann miteinander bespricht. Ich denke, das ist wie bei jedem anderen Paar, wo man berufliche Dinge besprichst, also Erfolge miteinander teilst, aber auch durch schwierige Zeiten zusammen gehst. Natürlich ist das ein großes Thema, keine Frage, aber genauso haben wir auch völlig andere Themen zu besprechen. „Wer füttert jetzt die Katze als nächstes?“ oder „Saugt sie oder muss ich das machen?“ Das ist also ganz bodenständig und muss es ja auch sein.

 

Wie klappt das vom Zeitplan her, ist dann immer einer von euch beiden auf Tour und der andere muss daheim bleiben oder greift das schon ineinander, dass ihr quasi gleichzeitig mit euren Bands unterwegs seid?

Wir hatten die letzten zwei Jahre Glück, auch weil sie oft Gastsängerin bei KAMELOT war und ich bei EPICA sehr oft in die Tasten gegriffen habe. Jetzt gerade reibt es sich ein bisschen, im Moment ist es zwar noch cool, weil ich auf Tour bin und sie gerade auch in Kanada auf Tour ist. Dann komme ich aber zum Beispiel zurück, sie ist noch den ganzen Dezember auf Tour, bis Weihnachten, und erst dann sehen wir uns eigentlich wieder. Es kann manchmal schon passieren, dass ich nach Hause komme und wir uns quasi die Türklinke in die Hand geben.

 

Kannst du es dir auch vorstellen, dauerhaft mit ihr zusammen in einer Band zu spielen?

Ich glaube, das hängt völlig von der Persönlichkeitskonstellation ab. Ich denke, bei uns würde das ganz gut funktionieren, es hat ja auch auf diversen Touren schon funktioniert. Im Moment ist das aber eigentlich noch kein Thema. Natürlich ist es blöd, wenn ich sie jetzt zum Beispiel einen oder anderthalb Monat nicht sehe, so ganz einfach ist das selbstverständlich nicht. Aber es klappt besser als in der Vergangenheit, als ich mit jemandem zusammen war, der einen normalen Beruf hatte. Das war viel schwieriger, muss ich im Nachhinein sagen. Wenn die zuhause sitzt, da einen Monat warten muss und einen regelmäßigen Ablauf hat und abends früh Feierabend – das war viel schwieriger und hat dann auch immer am Ende nicht geklappt.

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Galerie mit 21 Bildern: Kamelot - Awaken The World Tour 2023
21.11.2012

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