Gefühlt länger als die Band selbst existieren auch Protestführer, die den Briten CRADLE OF FILTH ihren künstlerischen Wert absprechen wollen, und das obwohl die Band sich von Beginn an vom vernichtend-misanthropischen Black Metal distanziert hat und vollkommen offen mit ihrer Zugehörigkeit umgeht. Black Metal, so wird besonders von Seiten des Front-Vampirs Dani Filth immer wieder betont, ist das eigentlich nicht, was die Band spielt, und trotz diverser Einflüsse aus dem schwärzesten aller Genres, wäre es der Grusel-Kompanie nur Recht, wenn man sie endlich mal in Ruhe ihre Arbeit machen lassen könnte. Letzten Endes lässt sich aller Geschmacksfragen zum Trotz nämlich kaum verleugnen, dass die Band hinter ihrer Düster-Kunst steht, auch wenn der Ansatz eher literarisch-unterhaltsamer Natur ist, und sich nicht mit ausgelebter Menschen- und Lebensfeindlichkeit „echter“ Black Metal-Bands vergleichen lässt.
Erstaunlich und bemerkenswert ist dabei vor Allem, dass CRADLE OF FILTH zu den veröffentlichungsfreudigsten Bands der gesamten Szene gehören. Drei reguläre Alben in sechs Jahren sind heutzutage eine geradezu übertrieben hohe Schlagzahl, und bei allem Eifer, den die Gruselmeister an den Tag legen, ist es beeindruckend, dass trotz des stilistischen Rahmens (CRADLE haben sich längst ihre völlig eigene Nische geschaffen) jedes neue Album einen eigenen Charakter besitzt. Rückblickend hatten die letzten beiden Alben „Godspeed On The Devil’s Thunder“ und „Darkly, Darkly, Venus Aversa“ natürlich ihre Gemeinsamkeiten, aber eben auch eine grundsätzlich vollkommen andere Grundstimmung. Das maskuline Element des 2008er Werks wurde vor zwei Jahren von seinem weiblichen, märchenhafteren Gegenstück nur noch unterstrichen, und auch das neue Werk „The Manticore And Other Horrors“ ist nicht einfach nur ein weiteres CRADLE-Album, sondern tatsächlich ein „neues“ im eigentlichen Wortsinn.
Gitarrist Paul Allender, für einen Großteil des Songmaterials verantwortlich, wird es nicht zulassen, dass CRADLE OF FILTH ihre symphonischen, kunstvollen Elemente noch einmal so konsequent über Bord werfen wie auf dem etwas missglückten „Thornography“, trotzdem ist „The Manticore And Other Horrors“ ein im Vergleich zu den direkten Vorgängern wesentlich reduzierteres Album. Ironischerweise sorgt genau das für ein hohes Maß an durchschlagender Heavyness, ein Song wie „For Your Vulgar Delectation“ zelebriert auf hohem Niveau rifflastigen Metal mit enormer Punchline. Dani Filth scheint die aggressive Grundhaltung zu genießen, mehr als einmal erinnern seine Schreie und Kreischanfälle an selige „Midian“-Zeiten. Nachzuhören ist das vor Allem beim Titelsong, bei dem auch die textliche Ausrichtung repräsentativ für die ganze Scheibe steht: Statt einem zusammenhängenden Konzept gibt es diesmal einzelne, von literarischen Vorlagen inspirierte Horror-Geschichten, die natürlich manchmal einer gewissen Kitsch- und Huibuh-das-Schlossgespenst-Note nicht entbehren können, was aber, Fans der Band wissen es, genau so sein muss. Musikalisch hat das blutrünstige Biest genug Durchschlagskraft, um nicht lachend und kichernd unter dem Kopfhörer herumzufuchteln, sondern beeindruckt und mitgerissen ob der grausamen Lovecraft-Romantik dem fiesen und lüsternen Teil des eigenen Charakters freien Lauf zu lassen.
Die Video-Single „Frost On Her Pillow“ ist in der Mitte der Scheibe der mittlerweile obligatorische Ausflug in etwas melodischere, zurückhaltende Gefilde, bei „Siding With The Titans“ wird der Bezug der Band zu traditionellem, thrashlastigem Heavy Metal deutlich. Die Details, die bei CRADLE OF FILTH seit jeher den besonderen Reiz ausmachen, offenbaren sich auch diesmal wieder in Form orchestraler Elemente, epischer Chöre (in reduziertem Maße) und weiblichen Gesängen in der Schlussnummer „Succumb To This“. „Sinfonia“ ist ganz am Ende noch einmal ein Ausflug in die cineastisch-orchestrale Welt, die bei der Band nach wie vor zu den wesentlichen Bestandteilen jedes Albums gehört. Die nach Friedhöfen, alten, verlassenen Schlössern und dem Reiz des Ungewissen klingende Atmosphäre ist allgegenwärtig, und natürlich erscheint „The Manticore And Other Horrors“ konsequenterweise in den Tagen um Halloween.
Ob „The Manticore And Other Horrors“ nun besser, genauso gut oder ein wenig schwächer als die beiden direkten Vorgänger ist, ist letzten Endes Geschmackssache. Alle drei Alben besitzen ihre eigene Note und sind dennoch dazu um Stande, jeden, der dem Sound der Band wohlgesonnen ist, zufrieden zu stellen. Bei CRADLE geben Artwork, Konzept und künstlerische Ausrichtung den Ausschlag, und am Ende entscheiden Nuancen darüber, welches der Werke man öfter auflegt. Qualitativ indes gibt es keine wirklich krassen Unterschiede. Und dies ist eine Eigenschaft, die, besonders angesichts des bereits erwähnten Veröffentlichungstempos, nur die wirklich großen Bands besitzen.
Nachdem mir der Vorgänger zu schwachbrüstig produziert wurde ging ich mit Skepsis an „The Manticore…“ heran. Aber COF haben ihre Hausaufgaben mehr als gut gemacht denn so räudig klangen COF nie. Vielleicht muss man erst zum Trio schrumpfen um das volle Potenzial ausschöpfen zu können. „The Manticore…“ klingt sehr gitarren-orientiert, die Drums sehr organisch, das Keyboard ist dieses Mal eher Beiwerk. Desöfteren findet man rumpelige punkige 80er Black/Thrash Parts, welche die Scheibe angenehm auflockern. Weniger Bombast, mehr Metal…gefällt mir wirklich sehr gut.
Ich finde das Album leider nicht gelungen. Dani Filth hat seine Stimme verloren und den Song fehlt es an Hocklines. Die reißen einen nicht mehr so mit wie das ältere Material, dabei muss ich leider zugeben den Vorgänger nicht gehört zu haben. Was mich an dem Album stört ist die Produktion, diese ist zu Rau ausgefallen und raubt den Song den typischen, magischen Cradle flair. Sehr sehr schade, man darf auf weiteres gespannt sein und hofft, dass das nicht das letzte Album ist. Ich würde der Scheibe tatsächlich nur 6/10 Punkte geben, gemessen an dem Schaffen der Band.
@Ivan: Nachdem die erste Freude verflogen ist, muss ich dir leider Recht geben. Hör doch mal in die Band des COF Drummers Marthus, INNER FEAR! Ist COF sehr ähnlich… hat aber (m. M. nach) noch genau den Flair, der COF irgendwie verloren ging…
Ich weiß nicht, ob sie ihn verloren oder schlichtweg abgegeben haben. Für den Hörer macht es zwar keinen Unterschied, aber CoF haben sich offenbar schon wissentlich ein wenig verändert, an Härte zugelegt und dabei etwas von ihrem früheren Flair abgegeben. Meiner Ansicht nach ist die Wandlung allerdings gelungen, wobei „Darkly, Darkly, Venus Aversa“ trotzdem besser ist 🙂
„an Härte zulegt“? Im Vergleich zu was- zu den direkten Vorgängern, ja kann sein. Aber zu den alten Platten auf keinen Fall. „Darkly, Darkly, Venus Aversa“ fand ich unsagbar langweilig, gleich nach „Midnight In The Labyrinth“ die beschissenste Platte, die COF je gemacht haben.
„Succumb To This“ ist mein Highlight von „The Manticore And Other Horrors“ und grundsätzlich klingt jedes Mittelmaß von COF noch besser als der Großteil ähnlicher Bands. COF müssen sich eben leider mit ihren eigenen Glanztaten messen und so wird ein eigentlich geiles Album zu einem netten Album.
Ich hätte wahrscheinlich sagen sollen, dass sie einen Schuss Thrash Metal hinzugefügt haben, um letztlich härter zu klingen. „Darkly, Darkly, Venus Aversa“ war und ist im Vergleich zu den frühreren CoF-Alben („Damnation and a Day“ vielleicht mal ausgenommen) deutlich „metallischer“ oder einfach gitarrenorientierter, einen ähnlichen Weg schlägt „Manticore“ auch ein, auch wenn ich hier sagen muss, dass das Album für mich nicht so schlüssig wie sein Vorgänger klingt, und die Crust-Elemente zum Teil nicht in ihrer Gänze aufgehen. Schade, sehr gut ist das Album aber dennoch 🙂