Neues Jahr, neues Glück – so in etwa könnte momentan das Motto im Hause DYMYTRY lauten. 2024 steht bei den Maskenmännern aus Tschechien ganz im Zeichen des Neuanfangs. Mit „Five Angry Men“ veröffentlicht die Psy-Core-Truppe nicht nur ihr siebtes Studioalbum – es ist auch das erste, das vollkommen auf ihren neuen Sänger Alen Ljubic ausgerichtet ist. Unter dem alten Frontmann Protheus haben DYMYTRY ihre Alben (fast) vollständig auf Tschechisch eingespielt. Eine Ausnahme bildet „Revolt“, das lediglich eine englischsprachige Neuauflage von „Revolter“ ist.
Alen Ljubic, der 2020 als zweiter Sänger beigetreten ist, übernimmt nun die Rolle als Frontmann. Nach dem Abschied von Protheus 2023 wollen DYMYTRY mit Ljubic an der Spitze den internationalen Markt erobern. Fans des Modern Metal sollten ihre Ohren spitzen, denn mit „Five Angry Men“ fischen die Tschechen im Fahrwasser von Größen wie FIVE FINGER DEATH PUNCH, MUSHROOMHEAD und STONE SOUR.
DYMYTRY legen gewaltig los
Mit „Enemy List“ legt das Quintett einen mächtigen Opener hin, der sofort in die Gehörgänge wandert und schnell zum Ohrwurm wird. Sie blasen damit auch zum Großangriff auf ihr Vorbild 5FDP und zeigen, dass sie Ivan Moody und Co. deutlich das Wasser reichen können. Fans des nicht allzu tiefgründigen Modern Metal finden hier eine neue Hymne, die auch live sehr gut funktioniert.
Wem die gewisse Portion Aggression gefehlt hat, bekommt sie bei „Everything Is Black“, auf dem DYMYTRY gekonnt zwischen Härte und Eingängigkeit wechseln. Vergleiche mit SLIPKNOT in der „Psychosocial“-Ära sind nicht von der Hand zu weisen. Dennoch bleiben DYMYTRY eigenständig und überzeugend – auch „Everything Is Black“ hat das Potential zum Dauerbrenner.
„Five Angry Men“? Nicht ganz.
Leider bleiben DYMYTRY nicht konstant auf diesem Niveau: Mit „Wake Me Up (Before I Die)” versuchen sich die Herren an einem Sound, den man von Bands wie ELECTRIC CALLBOY oder HOLLYWOOD UNDEAD kennt. Die nach Dancefloor klingende Nummer wirkt nach den ersten beiden Krachern fehl am Platz und eher wie ein Bonus-Track.
Auch das vor Pathos und Kitsch triefende „Legends Never Die“ wird nicht richtig warm – auch wenn es auf seine Weise im Ohr bleibt.
DYMYTRY sind ungewohnt vielschichtig
Mit „Three Steps To Hell“ gehen DYMYTRY wieder hörbar in Richtung SLIPKNOT und HOLLYWOOD UNDEAD. Auf der fast progressiven Nummer vermischen sie gekonnt Elemente aus Modern Metal und Westernmusik miteinander. Neben Ljubic können hier auch die anderen Musiker beweisen, aus welchem Holz sie geschnitzt sind – Miloš „Mildor“ Meier gilt nicht umsonst als einer der besten Schlagzeuger des Landes.
Mit dem folgenden „In Death We Trust“ legen sie sogar noch eine Schippe drauf: vielschichtig, hart und dabei immer wieder eingängig melodiös. Auch Ljubic zeigt sich von seiner stärksten Seite – als Sänger, der es locker mit der internationalen Szene aufnehmen kann.
Das Highlight von „Five Angry Men“ heben sich DYMYTRY aber für Song Nummer sieben auf: „Dead Living Dead“ ist roh, hart, wuchtig und ein wahrer Nackenbrecher. Und wie „Enemy List“ und „Everything Is Black“ ein garantierter Ohrwurm.
Geschichtsstunde und mahnende Worte
Dass DYMYTRY neben all dem Pathos nicht vor schweren, historischen Themen zurückschrecken, haben sie schon auf ihrem Hit „Chernobyl“ bewiesen (den HÄMATOM nicht umsonst von ins Deutsche übersetzt haben).
Mit „1939“ widmen sie sich dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Anders als die Hobby-Historiker von SABATON besingen DYMYTRY aber nicht irgendwelche „ruhmreichen“ Schlachten, sondern projizieren das Thema auf unsere heutige Zeit und die aktuellen Konflikte. „1939“ ist ein deutlicher Appell gegen Krieg („Nobody Wants Another 1939“) und das Leid, das er mit sich bringt.
So eine Botschaft hätte man von den Herren – vor allem nach dem Albumcover zu urteilen – nicht erwartet. Auch musikalisch präsentieren sich DYMYTRY hier von ihrer ganz starken Seite, sodass und man sich wünscht sich mehr Songs dieses Kalibers wünscht.
Die Höhen und Tiefen der „Five Angry Men“
Den Wunsch erfüllen uns DYMYTRY leider nicht und präsentieren stattdessen mit „The Revenant“ einen Song, den man auch gut überspringen kann. Immerhin liefern sie mit dem Titeltrack ein feuriges Finale, das zwar auch nicht frei von Kitsch ist, aber durchaus Spaß und Lust auf eine Live-Umsetzung macht.
Mit „Five Angry Men“ erfinden sich DYMYTRY neu und zeigen, dass sie auf Englisch genauso gut, wenn nicht sogar besser, funktionieren wie auf Tschechisch. Dennoch ist es ein Album, das neben seinen großen Stärken („Enemy List“, „Everything Is Black“, „1939“, „Dead Living Dead“) eindeutige Schwächen besitzt („Wake Me Up (Before I Die)“, „Legends Never Die“, „The Revenant“).
Auch das Albumcover liefert gerade für Zweifler keinen guten Ersteindruck. Wer dem Modern Metal nicht abgeneigt und offen für Neues ist, wird mit DYMYTRY aber eine angenehme Überraschung vorfinden. Und mit Ljubic am Mikrofon haben die Tschechen einen mehr als würdigen Ersatz für Protheus gefunden, mit dem sie auf internationalen Bühnen für Furore sorgen werden.
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