Stygian Pilgrims 2023
Die längst überfällige Rückkehr

Konzertbericht

Billing: Spancer, Praise The Plague, Flame, Dear Flame, Thronehammer und Eremit
Konzert vom 30.09.2023 | B58, Braunschweig

„Hoffentlich bis nächstes Jahr zum Stygian Pilgrims II“ – das waren die letzten, unvorsichtigen Worte des Berichts zum ersten Stygian Pilgrims Festival im Jahr 2019. Wer hätte damals auch ahnen können, dass eine kleine, globale Pandemie dazwischen kommen sollte. Statt einem Jahr hat es nun also fast auf den Tag genau vier Jahre gedauert, bis das Mini-Doom-Festival im altehrwürdigen Braunschweiger B58 wieder stattfinden kann.

Das Stygian Pilgrims ist ein Festival der Herzen von Doomern für Doomer und funktioniert in seiner beschaulichen, ehrlichen Art natürlich nur zum Teil, denn für ein kommerziell ausgelegtes Festival ist die Bandauswahl einfach zu speziell, zu viel Nische. Dafür bekommen Doom-afine Braunschweiger und Fans aus der Umgebung auch in diesem Jahr wieder ein sehr spezielles Line-up geboten, das undergroundig Doom in vielen seiner Facetten vereint. Vielleicht ist es auch ein Stolperstein, dass die Veranstalter hier stilistisch keine klare Linie in den Abgrenzungen des eigenen Untergenres treffen, aber für weltoffene Freunde von düster vertonter Melancholie gibt es an diesem Abend ein sehr gemischtes Festival.

An einem für diese Art für Musik eigentlich viel zu schönen – und vor allem zu warmen – Samstagabend trifft man sich wie immer vorab im Hof zum Schnacken, bevor es in bereits erfreulich großer Zahl in den „Saal“ im ersten Stock zur ersten Band geht.

SPANCER

Galerie mit 14 Bildern: Spancer - Stygian Pilgrims 2023

Von den Lokalmatadoren SPANCER aus Braunschweig hat man, nicht nur in Sachen Releases, schon länger nichts mehr gehört. Jetzt sind die Stoner-Doomer mit der neuen Platte „Blanker Hans“ zurück und spielen eigentlich die Release-Show zum Album – nur eben ohne Album. Das ist zwar fertig, aber Booklets und T-Shirts hängen bei der Post fest. Egal, denn mit gleich zwei Bässen bollert der Fünfer direkt mächtig los. SABBATH-Doom, Stoner Rock, Hardcore-Gebrüll, auch mal zäher Sludge bilden am Ende eine extrem abwechslungsreiche, aber doch schlüssige Melange. Das Ganze wird durch eine Menge Spaß auf der Bühne abgerundet – Doom kann man eben auch mit breitem Grinsen im Gesicht und ’ner Wolters-Flasche als Effektgerät für ordentlich Wah-Wah zocken. Klar, die Home-Fanbase ist am Start, aber im Allgemeinen hört man am Ende eigentlich nur positive Stimmen zu SPANCER.

PRAISE THE PLAGUE

Galerie mit 28 Bildern: Praise The Plague - Stygian Pilgrims 2023

Nach der Umbaupause ist nicht nur das technische Setup auf der Bühne ein anderes, auch die Stilrichtung ist – nicht zum letzten Mal an diesem Abend – praktisch komplett auf links gedreht. PRAISE THE PLAGUE erben quasi den Slot, den ASHTAR das letzte Mal besetzt hatten, spicken ihre Mischung aus Doom und Sludge mit ordentlich angeschwärzten Gitarren. Das Material von der aktuellen Scheibe „The Obsidian Gate“ geht sogar noch ein Stück weiter, ist letztlich über weite Strecken atmosphärischer Black Metal. Entsprechend heißt es Augen zu, Nebelmaschine an und eine Reise zwischen ruhigen, clean gespielten Passagen und totaler Raserei erleben. Dabei vermischen die Berliner sehr intensiv eingängige Black Metal Riffs mit doomigen Zwischenpassagen, um dann direkt wieder in die Vollen zu gehen. Nicht nur die Grenzen zwischen den Songs verschwimmen, auch aufgrund fehlender oder zumindest minimalistisch gehaltener Ansagen, sondern auch die zwischen Zeit und Raum und am Ende lässt sich kaum sagen, ob gerade 45 oder 5 Minuten vergangen sind. Großartig!

FLAME, DEAR FLAME

Galerie mit 45 Bildern: Flame, Dear Flame - Stygian Pilgrims 2023

Endlich ist es soweit, FLAME, DEAR FLAME können ihren Gig auf dem Stygian Pilgrims nachholen, der eigentlich schon vor vier Jahren hätte stattfinden sollen. Natürlich ist es nun nicht mehr die erste Show der Band, die inzwischen Live-Erfahrung sowohl auf diversen Festivals als auch vor heimischem Publikum sammeln konnte. Erneut scheinen nicht nur die Menschen auf, sondern auch vor der Bühne gewechselt zu haben, denn der Sound knüpft keinesfalls an PRAISE THE PLAGUE an, was nicht zuletzt an der sanften Stimme von Maren Lemke liegt. Bei, von ein paar Feedback-Problemen abgesehen, glasklarem Sound zelebrieren die Braunschweiger ihre eigenwillige Mischung aus klassischem Doom, Hard Rock und verschiedensten Einflüssen aus der gesamten Bandbreite des Metal. Dargeboten wird im Übrigen das Debüt-Album „Aegis“ in voller Länge. Im Auditorium wird passend dazu eher auf verträumt-entrücktes Schwofen umgestellt – zwischen den Songs ernten FLAME, DEAR FLAME aber immer frenetischen Applaus. Vor allem die zweite Hälfte der Platte „The Wolves And The Prioress“ begeistert mit seinen noch vielschichtigeren Songs. Für alle Hardliner geht es vielleicht ein wenig zu statisch und bewegungsarm zur Sache, auch die langen, vertrackten Songs, die nicht direkt zünden, könnten für den ein oder anderen, der hier noch nicht im Thema steckt, etwas viel gewesen sein. Alle anderen jedoch umjubeln einen gelungenen und vor allem längst überfälligen Gig.

THRONEHAMMER

Galerie mit 31 Bildern: Thronehammer - Stygian Pilgrims 2023

Als vierte Band des Abends darf der heimliche Headliner THRONEHAMMER die Bretter des B58 betreten. Die britische Power-Röhre Kat Shevil Gillham samt fränkischer Instrumentalfraktion macht dabei von Anfang an keine Gefangenen und zeigt von der ersten Minute an, wie Epic Doom in total unkitschig geht. Erstaunlich ist dabei auch, wie schnell die Stygian-Pilgrims-Gäste erneut umschalten können, denn plötzlich gehen alle Fäuste nach oben, praktisch jeder grölt den Refrain des Titelsongs zum neuen Album „Kingslayer“ mit. Markige Ansagen wie „The next song is about crushing and slaying your enemies“ tun ihr übriges und verwandeln die Meute vor der Bühne in eine verschwitze Masse, die ihre imaginären Schwerter mit Inbrunst in die Luft reckt, jeden Song über alle drei bislang erschienenen Alben abfeiert. Besonders intensiv schmettert man an diesem Abend das neue Glanzstück „Triumphant Emperor“ mit seinen eindringlichen Wiederholungen den Anwesenden entgegen und füttert die Erwartungen an die kommende Platte kräftig an. Als zum Rausschmeißer „Thronehammer“ auf und vor der Bühne noch einmal alles gegeben wird und sich letztlich diverse Menschen glücklich in den Armen liegen, ist wohl allen klar: Der aktuelle Hype um THRONEHAMMER ist absolut berechtigt.

EREMIT

Galerie mit 22 Bildern: Eremit - Stygian Pilgrims 2023

Wie bislang bei jeder Band des Abends bilden auch EREMIT als (diesmal tatsächlicher) Headliner erneut einen totalen Stilwechsel, möglicherweise den radikalsten des diesjährigen Stygian Pilgrims. Zähster, fuzziger, düsterer Sludge ist angesagt und Sänger Mo kündigt bereits an, worüber im Vorfeld noch gewitzelt wurde: Bei einer Stunde Spielzeit schafft es die heute nur als Duo aufspielende Formation gerade mal auf zwei Songs. Aufgrund einiger Verzögerungen bei Umbauten und Soundchecks ist es mittlerweile deutlich später geworden als geplant, entsprechend haben sich die Reihen vor der Bühne merklich gelichtet. Möglicherweise war einigen der Kontrast zwischen der Euphorie von THRONEHAMMER und dem „Man kann auch mit einem Riff 30 Minuten füllen“-Minimalismus der Osnabrücker aber auch einfach zu stark. Ja, EREMIT sind eigenwillig, der simple, hypnotische Sound nicht jedermanns Sache. Passend dazu läuft die Nebelmaschine im Dauerbetrieb, Mo fragt zwischenzeitlich, ob alle auch wenig genug sehen. Die Antwort darauf fällt flach, denn die noch Anwesenden sind, wie die Band selbst auch, mittlerweile in ihrer eigenen Welt. Entsprechend erstaunt es kaum jemanden noch wirklich, als am Ende des zweiten, noch unveröffentlichten Songs sogar ein Saxofon ausgepackt wird. Am ehesten lässt sich diese Stunde wohl als äußerst intensiver Trip beschreiben, der vielleicht etwas früher noch etwas besser funktioniert hätte, aber trotzdem qualitativ das Level des Abends halten konnte.

Fazit

Das Stygian Pilgrims war auch in der zweiten, lange überfälligen Ausgabe wieder ein in allen Belangen gelungener Abend. Erst einmal das organisatorische: Verpflegung zu unglaublich fairen Preisen, geradezu unverschämt niedrige Bierpreise und eine einfach nur sympathische Location sprechen grundsätzlich bereits für die Crew. Ein extrem abwechslungsreicher Schnitt durch (fast) alle Facetten des Schwermut-Metals hätte außerdem in einer perfekten Welt eigentlich für ein komplett ausverkauftes Haus sorgen müssen, aber es muss ja auch noch Luft nach oben bleiben für die dritte Ausgabe.

Die einzigen minimalen Kritikpunkte sind möglicherweise, dass der klassische Death Doom dieses Mal kaum bis gar nicht vertreten war und das für viele Anwesende der Headliner der Herzen bereits einen Slot zu früh gespielt hat. Das ist aber natürlich Meckern auf höchstem Niveau, weshalb die abschließenden Worte nur sein können: Es muss ein drittes Stygian Pilgrims geben, dieses Mal aber bitte nicht erst in vier Jahren.

Als besonderes Gimmick für Die Hards des Festivals gibt es in diesem Jahr eine streng limitierte Stygian Pilgrims Holzbox, die neben einem Shirt diverse Artprints und eine kultige Doppel-CD mit Bands aus dem Festivalumkreis enthält. Wer bisher noch gezögert hat oder das Festival unterstützen möchte, der kann unter rezeption@hotel666.de eine der 75 Boxen erwerben. Der Preis liegt bei 39 Euro zzgl. Verpackung und Versand.


Text: Mirko Pidde, Oliver Schreyer
Bilder: Carsten Brand / brandlicht

23.10.2023

"Time doesn't heal - it only makes you forget." (Ghost Brigade)

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