Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.
Nach dem halbgaren Comeback-Album “I Am The Void”, das die schwedischen Melodic-Black-Deather EUCHARIST im vergangenen Frühjahr veröffentlichten, war es längst überfällig, eine Besprechung des wesentlich besseren Debüt-Albums “A Velvet Creation” nachzuholen, wobei ein Vergleich eigentlich geradezu lächerlich wirkt. Es mag wohl daran liegen, dass EUCHARIST zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von “A Velvet Creation” im Durchschnitt 17 Jahre alt und mit einer unbändigen Flut an jugendlichen Emotionen “gesegnet” waren – die Musik ist derartig ungestüm und emotional aufgeladen, dass dieses Feeling mit fortgeschrittener Reife vermutlich schwer reproduzierbar war.
EUCHARIST geben sich unkontrolliert ihren Emotionen hin
Besonders anbetungswürdig sind in diesem Zusammenhang die Bandfotos auf dem Backcover: Vier halbstarke Langhaarige, deren Klamotten nicht ganz sitzen und deren grimmiger Blick teilweise noch recht misslungen ist. Irgendwie knuffig. Das ändert aber nichts daran, dass EUCHARIST wie viele ihrer ähnlich jugendlichen Zeitgenossen (SACRAMENTUM, DISSECTION, MÖRK GRYNING und einige weitere) für ihr Alter bereits sehr kunstfertige Musiker waren – handwerklich stimmt alles auf “A Velvet Creation”. So unberechenbar und wild wie das Songwriting auch war, steckt es 30 Jahre später immer noch voller überraschender Breaks und innovativer Songstrukturen. Allein der mit klassisch-barockem Gitarrenspiel eingeleitete Opener “Greeting Immortality” dient als Blaupause. Aber auch “Into The Cosmic Sphere” ist ein Beispiel für die Magie der Pionierzeit des Melodic Death Metal.
Dazu strotzt die Musik nur so voll Melancholie, was einige wunderschöne Melodien hervorbringt. “My Bleeding Tears” oder der Titelsong sind exzellente Belege für den in Musik gegossenen Weltschmerz, den man als Jugendlicher zuweilen empfinden mag, auch wenn die Texte, die übrigens allesamt von Drummer Daniel Erlandsson (ARCH ENEMY) verfasst wurden, aus heutiger Perspektive etwas plakativ sind. Apropos: Selbiger war bereits mit 17 Jahren ein herausragender Drummer. Auch wenn das Timing nicht immer stimmt, lässt sich doch deutlich hören, zu welcher Größe der jüngere Bruder von AT-THE-GATES-Drummer Adrian Erlandsson bald aufsteigen sollte.
Lediglich einen Kritikpunkt muss man “A Velvet Creation” lassen: Die Produktion ist buchstäblich unter aller Sau und gewiss ein Resultat mangelnder finanzieller Möglichkeiten. Mit seinen merkwürdig plattgepresst klingenden Drums ist das Album zwar sofort identifizierbar, benötigt allerdings eine gewisse Gewöhnungszeit, um darüber hinwegzuhören. Zudem ist der Gitarrensound ebenfalls nicht das Gelbe vom Ei und hört sich nach eher schäbigem Equipment an. Das junge Alter der Band, das grandiose Songwriting und die einnehmende Atmosphäre des Albums lassen die schwache Produktion allerdings recht schnell vergessen.
“A Velvet Creation” – Einmalig und unerreicht
Dass EUCHARIST mit dem vier Jahre später veröffentlichten Nachfolger “Mirrorworlds” nicht ganz an “ A Velvet Creation” anknüpfen konnten, ist ein Jammer. Dass sie – oder besser Sänger und Gitarrist Markus Johnsson, denn von der Ur-Besetzung ist heuer nicht mehr viel übrig – mit dem faden “I Am The Void” so derartig auf ihrem Vermächtnis herumtrampeln und im Übrigen nicht mal mehr akustisch als EUCHARIST erkennbar sind, ist hingegen eine mittelschwere Schande. Nichtsdestotrotz bleibt der Erstling ein Klassiker, der für alle Fans schwedischer Düsterlichkeit ein absolutes Muss ist.
Das schlimmste war, das das Album zu meiner Teenie-Zeit nicht unter 40 Euro zu erwerben war. Der Sound des billigen Equipments ist im Übrigen auch einfach nur Gold.
Klasse Review!