Gotthard - Firebirth

Review

Galerie mit 26 Bildern: Gotthard - Knock Out Festival 2023 in Karlsruhe

Für die Schweizer Megaseller GOTTHARD gibt es ein Leben nach dem Tod. Als sich die Band nach dem tragischen Verlust ihres Sängers Steve Lee zu einer Entscheidung über ihre eigene Zukunft veranlasst sah, wurde schnell die Notwendigkeit erkannt, die Erfolgsgeschichte fortzuführen, sozusagen neu anzufangen. Weil Musik ein Ventil sein kann, und weil das, was man als seine Leidenschaft betrachtet, manchmal das Einzige ist, was einem bleibt. Überraschend war die Nachricht von GOTTHARDS Fortbestehen also nicht, für keinen von uns, der Musik liebt und sie nicht einfach zur Seite schieben kann, sondern sie in exakt diesen Augenblicken am Allermeisten braucht. Und dennoch konnte sich auch diese Band des Zweifels und des Unglaubens nicht erwehren: Egal, wer auch immer der neue Sänger werden würde, er würde es schwer haben.

 

Der Neue, das ist Nic Maeder, ein eidgenössischer Landsmann, der lange in Australien lebte, mit dem Umgang der englischen Sprache vertraut ist, und der trotz diverser bandtechnischer Engagements bisher eher ein unbeschriebenes Blatt war. Und so sehr er sich auch wird durchsetzen und beweisen müssen, die wichtigste Eigenschaft scheint er mitzubringen: Gelassenheit und Glaube an seine eigenen Fähigkeiten. Und dass diese in ausreichendem Maße vorhanden sind, wird während der Durchläufe von „Firebirth“ des Öfteren deutlich. Ja, es gibt Parallelen zu seinem Vorgänger, die nötig sind, um all die große Hits aus der Vergangenheit glaubwürdig auf der Bühne zu bewältigen. Aber es gibt auch das notwendige neue Element, den eigenen Charakter in seiner Stimme, das vielleicht etwas Rauere und Ungeschliffenere, dass diese neue Veröffentlichung endgültig zu einem Neustart macht. Und geblieben sind GOTTHARDS Trademarks, das abwechslungsreiche und immer noch sehr viel internationales Flair versprühende Songwriting von Gitarrist Leo Leoni, und die typischen Kompositionen, die auch jetzt noch jederzeit eindeutig zu identifizieren sind. Wie in der Vergangenheit macht es einem die Band nicht über die volle Distanz einfach, denn Vielseitigkeit bedeutet immer auch ein wenig musikalische Achterbahnfahrt. Genauso, wie es kaum jemanden geben wird, der bei allen Songs von „Firebirth“ die gleichen Begeisterungsstürme zeigen dürfte, genauso wird es jedoch kaum einen Rockfan geben, der nicht mindestens eine Handvoll echter Juwelen entdecken wird. GOTTHARD orientieren sich überraschend häufig eher an ihren weniger kommerziellen Frühwerken, müssen aber natürlich auch das in den letzten Jahren gewonnene Mainstream-Publikum bedienen, weshalb Highlights und Durchschnitt anfangs dicht beieinander zu liegen scheinen. Richtig ärgerlich wird es allerdings nur einmal, bei der unsäglichen und zudem vollkommen unpassend platzierten Balladenschnulze „Tell Me“, deren penetranter Emotions-Schaumzucker nur bei verliebten Altrockern und sanft gestimmten Hausfrauen Pluspunkte einfahren dürfte. Die beiden anderen ruhigen Nummern entstammen da schon viel eher der verträumten Rock ’n‘ Roll-Schule. „Where Are You“ ist der abschließende Steve Lee-Tributsong, der tatsächlich mitreißt und in seiner weitaus weniger aufdringlichen Art in bester Rockballaden-Tradition steht, und „Remember It’s Me“ ist nicht herausragend, aber gut.

 

Und zwischendurch schaffen es GOTTHARD sogar, einige ihrer stärksten Songs seit langer Zeit durch die Boxen zu jagen, gekrönt vom Albumhighlight „The Story’s Over“, dessen rifflastige Energie und kompositorische Klasse daran erinnert, aus welchem metallischen Umfeld die Band einst emporstieg, als sämtliche Bandmitglieder noch lange Mähnen hatten. Das leider etwas plakativ betitelte „Yippe Aye Yay“ zeigt die Band von ihrer lebensbejahenden, fröhlichen Seite und ist ebenso überraschend erdig ausgefallen, der Opener „Starlight“, zugleich die erste Single, steht beispielhaft für den Großteil des Songmaterials als anfangs unscheinbarer Groove-Motor, der sich erst nach mehreren Durchläufen als wirklich guter Song offenbart. Die Relaxtheit des an Singlehits wie „Anytime Anywhere“ erinnernden „Shine“ suggeriert, dass die Band nach den schicksalhaften letzten Jahren ihre Lockerheit wiedergefunden hat, und auch wenn sich zwischenzeitlich mal eine eher durchschnittliche Nummer wie „S.O.S.“ eingeschlichen hat, bleibt die Mehrheit der Songs von “Firebirth“ gut genug, dass ängstliche Zweifler durchatmen können. Und nicht selten in der Musikgeschichte war Album Nummer eins nach dem großen schwarzen Loch ja lediglich der Vorbote für wahre Glanztaten.

 

Erwähnt werden sollte noch die wirklich hervorragende Produktion, die besonders den beiden Gitarren enorme Präsenz verleiht, und die womöglich als beste Soundwand der Band seit dem Album „G“ von 1996 durchgeht.

 

Die Frage, ob das verstorbene Bandmitglied mit dem Ergebnis zufrieden sein würde, ist in der Vergangenheit bei zahlreichen Bands immer wieder gestellt worden, ungeachtet seiner Pietätlosigkeit und der düsteren Aussicht auf Antworten. In Falle von „Firebirth“ dürfen aber zumindest Fans der Band jene Frage überzeugt mit „ja“ beantworten.

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22.05.2012

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