Devil's Train
Interview mit R.D. Liapakis

Interview

Devil's Train

Selten genug kommt es vor, dass sich Presse und Fans einstimmig zu einem Werk äußern. Aber auch im Musik-Business existieren diese berühmten Ausnahmen von der Regel. Als absolute Ausnahmeerscheinung ist mit Sicherheit das brandaktuelle, selbstbetitelte Debüt von DEVIL’S TRAIN zu bezeichnen, wurde dieses doch vor wenigen Tagen nicht nur überaus positiv, sondern gar überschwänglich bis euphorisch in Empfang genommen. Auch meine Wenigkeit fühlt sich von den satten Kompositionen extremst angezogen und zählt somit zu jenen Zeitgenossen, die „Devil’s Train“ schon jetzt als Messlatte für weitere Debüt-Scheiben im Jahr 2012 festlegt. Geschätzte Konkurrenz, es wird verdammt schwer, an dieses Stück heranzukommen!

Aber was genau ist es eigentlich, das dieses Album sowie die neu formierte Band, die durchaus dem Term „Supergroup“ gerecht wird, so faszinierend macht? Initiator Roberto Dimitri „Lia“ Liapakis, der durch seine Funktion als Sänger von MYSTIC PROPHECY, aber auch als Produzent längst zu einer Szene-Institution geworden ist, hatte jede Menge Antworten parat: Das Album knallt ohne Ende, enthält mit sattem Hardrock der „alten Schule“ Stoff für alle Generationen von Rockern und Metallern und wird momentan völlig zu Recht nach allen Regeln der Kunst abgefeiert. Ganz so aus dem Nichts kann ein solcher Hammer natürlich nicht entstehen, daher müssen wir zunächst bitte die Hintergründe, die zu DEVIL’S TRAIN führten, erörtern.

Man kennt mich zwar in erster Linie von MYSTIC PROPHECY und bringt mich daher auch zumeist mit Power Metal in Verbindung, doch ich bin auch ein Fan des klassischen Rock und des alten Hardrock. Die Idee, eines Tages ein solches Album aufzunehmen, trage ich schon lange Zeit in mir und fast ebenso lange habe ich auch ein genaue Vorstellung davon, wie ein solches Werk zu klingen hätte. Das einzige Problem bis dato war jedoch, daß ich den geeigneten Gitarristen dafür noch nicht getroffen hatte. Ich meine, es gibt unzählige überaus talentierte Musiker und auch jede Menge an Saitenhexern, die dich wahrlich schwindlig spielen können, doch ich benötigte jemanden, der das selbe Feeling wie ich für den Blues und Rock in sich trägt und derlei Sounds auch mit Seele darbieten kann. Deshalb hat es auch ziemlich lange gedauert, bis sich die Wege von Laki Ragazas und mir gekreuzt haben. Zwar kann ich nicht sagen, ob es nun Zufall war, oder doch eher etwas wie Fügung, dass ich ihn überhaupt jemals getroffen habe, doch das ist im Endeffekt völlig egal. Den Stein ins Rollen gebracht hat ein Tipp meiner Landsleute von CRYSTAL TEARS, deren Album ich produziert habe. Durch deren Hinweis bin ich überhaupt erst auf Laki aufmerksam geworden, denn ich hatte nie zuvor von ihm gehört. Ein echter Glücksgriff also! Und was für einer, denn schon nach kurzer Zeit der Kooperation haben wir festgestellt, dass wir verdammt ähnlich ticken und die exakt gleichen Vorstellungen von einem rockigen Album hatten. Deshalb war es dann kein besonderes Mirakel mehr, meine Ideen umzusetzen. Im Gegenteil, Laki und ich waren fast schon unverschämt schnell dabei, die elf selbstkomponierten Nummern auszuarbeiten.

Verstanden. Die Besetzung war zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht klar, oder?

Sagen wir, noch nicht ganz spruchreif. Allerdings habe ich mich mit dem Jörg (Michael – Drums) schon zu jener Zeit, als wir mit MYSTIC PROPHECY zusammen mit STRATOVARIUS auf Tournee waren, darüber unterhalten, einmal gemeinsame Sache zu machen. Zwar haben es unsere Zeitpläne zuvor noch nicht zugelassen, doch ich war guter Dinge, was die Kooperation betrifft. Allerding muss ich zugeben, dass ich mir irgendwie nicht ganz so sicher gewesen bin, ob ihm denn unser Material auch wirklich zusagen würde. Doch Jörg war begeistert und so war schon kurze Zei,t nachdem wir ihn mit den Songideen konfrontieren hatten, völlig klar, dass Jörg Michael bei uns mit von der Partie sein würde.

Interessant ist es in diesem Zusammenhang auch zu erfahren, was denn einen gestandenen Metaller überhaupt erst auf die Idee bringt, ein eher traditionell ausgelegtes Hardrock-Album in die Welt zu setzen.

Dazu muss ich ein wenig ausholen. Auch wenn man mich eventuell „nur“ als Sänger einer Band, die sich dem kraftstrotzenden Heavy Metal verschrieben hat, kennt, liegen meine Roots, meine Ursprünge, eindeutig im Hardrock der Frühzeit des Genres. Ich bin Jahrgang 1968 und mit Bands wie DEEP PURPLE, LED ZEPPELIN und BLACK SABBATH aufgewachsen. Später kamen dann noch RAINBOW oder auch BAD COMPANY dazu und an der Tatsache, dass ich all diese Bands sehr, sehr schätze hat sich auch nach all den Jahren nichts geändert. Außerdem sind in den späteren Jahren ja auch noch viele weitere gute Bands am Start gewesen, die jenen Esprit auf geniale Weise in deren Epoche transformieren konnten. So mag ich beispielsweise BADLANDS oder BLUE MURDER gerade deshalb sehr gerne, weil sie ungemein viel Gefühl in ihren Songs vermitteln. Und genau darum geht es mir auch bei DEVIL’S TRAIN: Ich bekenne mich auf der einen Seite ganz klar zu meinen Wurzeln und versuche dem Zuhörer mein innerstes Gefühl für Rockmusik weitergeben zu können.

Das ist dir gelungen, keine Frage! Obendrein hast du damit zumindest einen Teil meiner nächsten Frage auch schon vorweggenommen: Mit dem Opener „Fire And Water“ sprichst du mir aus der Seele. Ich kann mich mit dem Text absolut identifizieren, einzig das Geburtsjahr müsste man abändern. Also, wie viel Lia steckt im Opener?

100%, denn der Text ist autobiographisch! Ich habe meine persönliche Geschichte – begonnen beim Geburtsjahr, über jene Phase als Kind, in der ich zum Rock’n‘Roll gekommen bin, ebenso beschrieben, wie auch die spätere Zeit, als der Thrash und die „Hair“ Metal-Bewegung aufgekommen sind. Im Grunde ist Rock’n‘Roll für mich auch viel mehr als bloß Musik. Es ist mehr ein Lebensgefühl! Als ich ein kleiner Junge war kam ich mit den „alten Helden“ zum ersten Mal in Berührung und schon zu diesem Zeitpunkt hat mich ein Virus befallen, den ich bis heute – zum Glück, haha – nicht mehr losgeworden bin.

Bingo! Genau dieses Gefühl habe ich beim ersten Hören dieser Nummer empfunden – und jetzt lass‘ mich raten: Du bist über einen älteren Bruder mit Hardrock in Berührung gekommen?

Ja, aber warum die Frage?

Weil ich da eben noch eine Gemeinsamkeit entdecken konnte und ich deshalb wohl auch ziemlich genau verstanden habe, worum es dir bei DEVIL’S TRAIN geht!

Fein, das freut mich! Es ging mir ja auch darum allen alteingesessen Fans dieser Musik Freude zu bereiten und – mit Verlaub – auch so manchem Nostalgiker in den Arsch zu treten, haha! Die Leute sollen wissen, dass es endlich wieder eine Band gibt, die ihnen das Gefühl gibt, das ihnen ansonsten nur die frühen Heroen bescheren können. Und in Wahrheit ist es doch nicht nur bei uns beiden so, dass wir mit den Formationen dieser Epoche groß geworden sind. Es ist doch nicht wirklich glaubhaft, wenn jemand von sich gibt, er wäre mit METALLICA, EXODUS oder ANTHRAX aufgewachsen. Sicher waren und sind diese Bands immens wichtig für die Szene, doch es gab Hardrock und Heavy Metal ja auch schon viel früher.

Lass mich weiter raten: Auch du wirst seit Mitte der 80er Jahre sowohl die ganz heftigen Bands gehört haben, dazu aber auch reichlich melodiöses Zeug?

Ganz genau! Mir war und ist es immer noch viel wichtiger, dass eine Bands Emotionen zu vermitteln versteht und mit Gefühl spielen kann, als dass ich mich auf einen Stil festlegen würde. Egal, ob wir nun von der ersten Generation mit FREE oder DEEP PURPLE, oder von späteren Klassikern wie RAINBOW sprechen, all diese Bands waren einzigartig und verstanden es einfach den Zuhörer richtig zu packen. In den späteren 80ern war es vorwiegend Bands aus Amerika, die mich ansprechen konnten, denn die hatte irgendwer mehr Seele. Ganz so speziell ist diese Vorgehensweise für mich aber jetzt bei DEVIL’S TRAIN aber gar nicht, denn auch bei MYSTIC PROPHECY versuche mich dahingehend zu orientieren.

Apropos: Kann es denn sein, dass deine andere „Baustelle“ genau deshalb deutlich „amerikanischer“ klingt, als nach anderen europäischen Power Metallern?

Ganz ehrlich und ohne jetzt in irgendeiner Form eine der vielen, wirklich guten europäischen Metal-Formationen dissen zu wollen: Den geilsten Power Metal machen seit eher und immer noch die Amis!

In Ewigkeit Amen. Jetzt aber wieder zurück zum eigentlichen Thema. Als einmalige Sache werdet ihr „Devil’s Train“ hoffentlich nicht eingeplant haben?

Nein, auf keinen Fall! Wir haben die Band als solche gegründet und sind jetzt erstmals sehr glücklich und froh über die euphorischen Reaktionen auf das Album. Dass es uns damit offenbar wirklich überall gelingen konnte auf positive Reaktionen zu stoßen, hatten wir – zumindest in dieser Form – nicht wirklich erwartet! Vor allem bei euch in Österreich scheint man ja geradezu begeistert von uns zu sein! Immerhin gebe ich schon mein fünftes Interview für einen österreichischen Presse-Vertreter und das Echo auf die Scheibe war auch einheitlich euphorisch! Mehr kann man doch gar nicht verlangen! Sobald es sich also zeitmäßig wieder einrichten lässt, werden wir an einem zweiten Album schrauben. Erste Ideen sind auf jeden Fall schon vorhanden und ich denke weitere werden wohl bald folgen, denn an Inspiration mangelt es nicht.

Devil's Train

Wird es denn auch die Möglichkeit geben DEVIL’S TRAIN livehaftig bestaunen zu dürfen?

Auch das wird es geben, bestimmt. Allerdings wird auch das noch ein wenig dauern. Da wir für diese Festival-Saison zu spät dran sind, gibt es für heuer nichts mehr zu holen. Aber wir aber wissen auch, dass schon in wenigen Monaten die Slots für den nächsten Sommer ausgehandelt werden und so hoffen wir doch, dass wir spätestens dann zum Zug kommen. Wann und in welcher Form es davor live losgeht, kann ich leider auch noch nicht verraten. Klasse wäre es aber auf jeden Fall, keine Frage.

Mal sehen, was kommt. Fix ist jedenfalls, daß es nicht mehr allzu lange dauert, um dich mit MYSTIC PROPHECY zu bestaunen:

Korrekt. Ende März ziehen wir im Package mit POWERWOLF, LONE WOLF und STORMWARRIOR los, um die Fans zu beglücken. Und ganz ehrlich: Wer sich dieses Package um läppische € 18- entgehen lässt, der ist selber schuld.

Oder wohnt einfach zu weit von Wörgl entfernt – um auf die einzige Station dieses Tour-Trosses in Österreich hinzuweisen, wo diese illustre Kombination an Bands am 31. März Station macht. Über mangelnde Auslastung kannst du dich ohnehin nicht beschweren. Aber sag‘, wie schafft man eigentlich eine solche „Vollzeit-Belastung“ wie du, wobei für dich da ja wohl die Tätigkeit als Produzent die zeitintensivste sein dürfte. Sind deine Tage länger als unsere?

Hähä, ich hab‘ vor kurzer Zeit bei Frau Merkel meinen 30-Stunden-Tag eingereicht, aber irgendwie kam da kein Feedback, haha. Im Ernst, alles steht und fällt einfach mit der richtigen Planung und abgesehen davon muss der „Job“ auch Spaß machen, egal, ob ich da jetzt als Musiker antworte, oder als Produzent. Was meine Produktionen betrifft, ist es mir auch viel wichtiger, auf eine Band einzugehen um ihr dann das nötige Feeling geben zu können, damit die Sache auch glaubwürdig rüberkommt. Als Beispiel dafür kann ich die von mir produzierten Alben meiner Landsleute SUICIDAL ANGELS anführen. Klar gibt es viele andere Bands, die einen viel „saubereren“ Sound haben, aber ist das denn nötig? Gerade bei rohem Thrash wie sie ihn spielen ist es doch viel wichtiger, authentisch zu klingen. Was nützt es denn einer Band wenn man ihr einen glattpolierten Klang verabreicht, den Songs dabei aber jegliches Feeling nimmt? Da haben der Christian (Schmid – der zusammen mit Lia im „Music Factory Prophecy Studio“ tätig ist – der Verf.) und ich eine ganz andere Herangehensweise. Wir entscheiden viel mehr nach Bauchgefühl, welcher Klang zu welcher Band passt und legen erst dann los.

Klingt plausibel. Zu einer Band passend sollte auch das Umfeld sein. Mitunter kommt es einem doch „verdächtig“ vor, welche Form von Musik auf welchem Label aufgelegt wird…

Stimmt! Und genau deshalb haben wir uns auch mit Edel zusammengetan! Glaubt mir, es gab mehrere namhaftere Firmen, die sich für DEVIL’S TRAIN interessiert haben, uns aber war es wichtig, uns in den richtigen Händen zu wissen. Und zwar in den Händen von Menschen, denen wir vertrauen können und die zudem auch das richtige Gefühl für unsere Art von Musik in sich tragen. Alles andere war zweitrangig.

Zurück zum Album: Wie viele aufmerksame Leser wohl bereits festgestellt haben werden, war bislang lediglich von elf Songs die Rede – auf „Devil’s Train“ sind aber derer zwölf verewigt. Mit „American Woman“ habt ihr Euch einen Klassiker herangewagt, den ihr in mächtiger Version eingespielt habt. Warum gerade dieser Track?

Weil das einfach eine geile Nummer ist! Ich fand das Original von THE GUESS WHO schon immer fantastisch und hatte diesen Song schon verdammt lange auf einer Liste an Classics, die ich mal interpretieren wollte. Da „American Woman“ vom Feeling her perfekt zum Album passt und auch die andere Mitglieder Feuer und Flamme gewesen sind, als ich den Vorschlag einbrachte. Auch die Fans scheinen darauf abzufahren, denn auf unser Video auf YouTube gab es schon nach so kurzer Zeit über 30.000 Clicks, das ist wahrlich beeindruckend.

Apropos Video: Da gab es ein dummes, extrem dummes Gerücht kurz nach der Fertigstellung, das besagte…..

Ja, ich weiß. So ein Schwachsinn! Da hat doch irgendein Idiot verzapft, bei unserem Video-Dreh wäre es zu einem Terror-Anschlag gekommen und ich wär‘ der einzige Überlebende gewesen. Was für ein Blödsinn! Ich hab ja wirklich viel für Scherze über, aber so was hatte ich zuvor echt noch nie gehört. Das Allerschlimmste an der Geschichte war aber, dass man uns seitens der Presse vorgeworfen hat, wir würden derlei Stumpfsinn für Promo-Zwecke nutzen. Dabei haben DEVIL’S TRAIN so was aber überhaupt nicht nötig! Wir lassen lieber die Musik für sich sprechen und denke damit ausreichend Promotion machen zu können!

Stimmt, absolut! Denn „Devil’s Train“ selbst würde wohl nicht mal wirklich Promotion brauchen, so sehr knallt das Teil! Danke, Lia!

19.03.2012

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