Craving
"Gut Ding will Weile haben."

Interview

Nachdem CRAVING Anfang bis Mitte der 2010er-Jahre recht flott drei Alben hintereinander rausgebracht haben, die zudem auch noch positiv aufgenommen wurden, hat es bis zum vierten Streich „Call Of The Sirens“ ganze sieben Jahre gedauert. Warum das so ist, das mussten wir die Band natürlich höchstpersönlich fragen und baten Ivan Chertov, Wanja „Nechtan“ Gröger und Jonas Papmeier zum Interview.

Hallo zusammen und danke, dass ihr euch die Zeit für unsere Fragen nehmt. Ich falle mal gleich mit der Tür ins Haus: es ist sieben Jahre her, seit „By The Storm“ erschienen ist. Warum habt ihr dieses Mal so lange gebraucht?

Ivan: Hi Jannik, danke, dass du dir Zeit nimmst für ein Interview mit uns! Wir haben 2017 nahtlos damit angefangen, weitere Musik zu schreiben. Das Album war an sich bereits 2020 fertig, wir wollten jedoch unbedingt mit einem neuen und passenden Label weitermachen und dies zu finden, nahm eine gewisse Zeit in Anspruch. Zudem kamen fast 3 Jahre Corona-Zwangspause dazu, was es uns jedoch ermöglicht hat, uns richtig gut vorzubereiten, indem wir das ganze Promo-Material inklusive vier Musikvideos fertiggestellt haben.

Wanja: An sich heißt es ja “Gut Ding will Weile haben” und durch die investierte Zeit ist das Album besser und ausgereifter als seine Vorgänger geworden, was sich auch in den vielen fantastischen Reviews ausdrückt, über die wir uns sehr freuen!

Ivan: Tatsächlich ist heute (19.06.23) das Einmonatige von “Call Of The Sirens” und wir haben alle bisherigen Reviews zusammengefasst, der größte Teil davon sind 9/10 und 8/10 Reviews, was a) überwältigend ist und b) das am besten bewertete Album ist, welches CRAVING bis dato veröffentlichten.

Genremäßig ist trotzdem viel beim Alten geblieben. Dafür scheint es so, als hättet ihr textlich euch etwas weiter weg von fantastischen Themen hin zu realen Themen bewegt. Wie kam das? Oder habe ich die alten Alben gar falsch gedeutet?

Ivan: Das erste Album war von Fantasy geprägt, denn als junger Mensch habe ich mir fälschlicherweise ein Zitat von einem damaligen Kumpel eingeprägt, dass man keine persönlichen Texte schreiben sollte. Was selbstverständlich völliger Quatsch ist.

So hatten wir bereits auf “At Dawn” beispielsweise ein Requiem an meine im Jahre 2013 verstorbene Mutter (“In die Nacht hinein”). Der Text “Breath After Breath” handelt vom entsprechenden derzeit anlaufenden Projekt. „Hellraiser“ und „Schwarze Flügel“ behandeln ebenfalls eine tief emotionale Thematik. „Dance With The Wind“ handelt vom Leben.

Das Album “By the Storm” hatte ebenfalls viele Lieder über Leid und Tod. Ich glaube, wir hatten dort nur einen Fantasy-Text und einen Fun-Text (Der Titelsong). Die Kernaussage von „Penelope’s Prayer“ ist beispielsweise Treue. „Fountain Of Memory“ handelt von dem Tod, „Seven Steps To Darkness“ vom Verkommen zum Negativen. Ich denke, wenn ein Zuhörer einmal ein Thema der Band erstmals erfasst, denkt dieser, dass sich das Konzept niemals ändert oder gar ausgeschöpft ist. Oder ist es gar so, dass man anhand der Ästhetik der Band von einem gewissen lyrischen Konzept voreingenommen ausgeht?

Als das Thema Narzissmus anno 2019 aufkam, war das so, als hätte bei mir jemand ein kreatives Fass aufgemacht. Den Text zu “Blood Of Franconia“, der im übertragenen Sinne auch vom Alkoholismus handelt, wurde auf der Altenburg in Bamberg geschrieben. Der Text zu „Gods Don’t Negotiate“ bei einer Wanderung um den Fichtelsee. “Death March” ist ein alter Text, der in das Konzept passte und handelt von einer Trennung. “Mich packt die Wut” handelt von blinder Wut. Allgemein sind alle Themen bis ins tiefste Detail auf unserer Website ausgeschrieben.

Das das Album umfassende Konzept oder Thema ist ja der Narzissmus. Wie seid ihr darauf gekommen und was für Erfahrungen hattet ihr im Privaten bisher mit diesem Charakterzug?

Ivan: Persönliche Begegnung mit einem Menschen, der dem Hörensagen über Narzissten verblüffend sehr ähnelte. Bis zu diesem Augenblick wusste ich noch gar nicht was das ist und dachte, dass es sich bei Narzissten einfach um selbstverliebte Menschen handelt, nicht um empathielose, kalkulierte pathologische Lügner, die einen mit allen Mitteln blenden, um ein positives Selbstbild aufrechtzuerhalten. Die Erfahrung war entsprechend sehr negativ und sehr lebensprägend, aber ich habe auch viel daraus viel gelernt.

Was sind eure persönlichen Beziehungen zu Bamberg, dass ihr ausgerechnet über diese Stadt mit „Blood Ov Franconia“ einen Song schreibt? Welches Bier aus all den Brauereien ist euer Liebstes und warum?

Ivan: Seit Ende 2017 wohne ich in Bamberg und arbeite in dieser Gegend für das Musikhaus Thomann. Die Stadt ist in meinen Augen einzigartig und erinnert mich stellenweise an Ankh Moorpork aus den Scheibenweltromanen von Terry Pratchett. Ich kenne jedenfalls keine Stadt in Deutschland, in der es zu Hochzeiten der Bierwirtschaft bis zu 64 Brauereien auf nur 10000 Einwohner gab und wo der Verbrauch an Bier pro Kopf heute bei 280 Litern im Jahr liegt (was weit über dem deutschen Durchschnitt liegt!). Ziemlich faszinierendes, historisches kleines Städtchen. Mein Favorit war neulich das Seidla im Spezial Keller, vielleicht war ich aber auch zu dem Zeitpunkt schon ziemlich blau.

Jonas: Wanjas Antwort wäre sicherlich das Schlenkerla Rauchbier. Mein Verhältnis ist da inzwischen ein bisschen gespalten, nachdem ich fast 1,5 Liter davon beim Videodreh exen musste.

Wanja: Mir schmeckt es, gerade WEIL ich beim Videodreh davon so viel davon trinken musste!

Ich kann mir vorstellen, um welchen YouTuber es in „Gods Don’t Negotiate“ geht, aber von welchem Videospiel ist denn nun der Songtitel abgeleitet? Was wird im CRAVING-Lager denn noch gerne gespielt?

Wanja: Der Titel ist von einem entsprechenden Ausspruch der Antagonistin aus „Borderlands 3“ entlehnt. Ich finde er reflektiert sehr gut dieses absolute Gefühl des “besser Seins” und den Mangel an Kooperationswillen, der mit dieser Arroganz einhergeht. Ansonsten wird im CRAVING-Lager gerade „7 Days To Die“ gespielt, „GTA V“ und sämtliche „Borderlands“-Teile waren aber auch schon dran.

Ivan: Das ist ein Zitat von den Calypso Twins aus „Borderlands 3“.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem CRADLE-OF-FILTH-Gitarristen Marek „Ashok“ Smerda?

Ivan: Wir sind allesamt ziemliche CRADLE-OF-FILTH-Nerds. Entsprechend ist Marek “Ashok” Smerda für uns ein Ehrengast auf „Call Of The Sirens“ und wir sind überglücklich, ihn auf „Gods Don’t Negotiate“ als Gast zu haben. Die Zusammenarbeit verlief super, professionell und für beide Seiten sehr zufriedenstellend!

Marek und ich lernten uns anno 2015 während meines Praktikums bei der Wacken Foundation in Wacken kennen. Im Jahr 2018 lud ich ihn und seinen Mitstreiter Charles auf einen Geartalk und eine Session zu meinem damaligen Marketing-Job im Musikhaus Thomann. Von daher kann ich übrigens Musikvideos filmen und editieren. Man kann meine Videoreferenzen übrigens auf meiner Website begutachten, falls es jemanden interessieren sollte.

Mit vier verschiedenen Sprachen ist das Album sehr divers ausgefallen. Wonach entscheidest du / entscheidet ihr, in welcher Sprache ein Text nun geschrieben wird?

Ivan: Wenn ich Texte schreibe, denke ich nicht weiter darüber nach, welche Sprache ich benutze, sondern schreibe einfach drauf los in der Sprache, in der mir gerade die Ideen kommen. An sich ist die Mehrsprachigkeit eine Tradition, die bereits seit dem ersten Album ein Teil der Band ist. Da ich sowohl Deutsch, Englisch und Russisch in Wort und Schrift beherrsche, nutzen wir diese drei Sprachen. Die russischen Texte sind Gedichte vom russischen Dichter des silbernen Zeitalters Nikolaj Gumilev. Das Lied “Shum” von GO_A hat uns damals so gut gefallen, dass wir dieses unbedingt covern wollten. Ich habe selbst Freunde und Verwandte sowohl in der Ukraine als auch in Russland – der Krieg nimmt mich entsprechend emotional sehr mit.

Die beiden Bonustracks sind Eurovision Song Contest Beiträge aus 2021 von Zypern und der Ukraine. Warum diese beiden Beiträge und warum beide aus dem gleichen Jahr?

Wanja: CRAVING haben schon einmal einen ESC-Song gecovert („Only Teardrops“) und „El Diablo“ wurde vom gleichen Songwriter geschrieben und so kam Ivan auf die Idee. Bei „Shum“ hat es sich einfach total angeboten, da wir den Song so richtig gefeiert haben! Und gerade mit den Tempowechseln etc. war sofort klar, dass man damit was richtig krasses machen konnte! Ivan hat es dann umgesetzt und ich brauchte nur noch die Drums beisteuern. Wie waren uns zuerst gar nicht sicher, ob wir diese Cover tatsächlich mit auf das Album packen wollten, aber diese Songs nur rein zum Spaß gemacht zu haben, wäre dann doch ein wenig Verschwendung gewesen.

Als wir die Coversongs ausgewählt haben, war der Krieg in der Ukraine noch nicht eskaliert und somit liegt der Auswahl von „Shum“ keine beabsichtigte politische Message zugrunde. Aber im Nachhinein ist es unter den Umständen sehr passend, ihn mit dabei zu haben!

Erneut vielen Dank für eure Zeit, ich hoffe es vergehen nicht wieder sieben Jahre bis zum nächsten Album und die letzten Worte gehören euch!

Wanja: Ich kann verraten, dass die Arbeiten am nächsten Album bereits beginnen – wir werden uns die nötige Zeit dafür nehmen, aber es werden garantiert nicht wieder 7 Jahre werden! Ansonsten vielen Dank an alle, die unser neues Album Call of the Sirens gehört, oder sich eine CD, LP und Merch zugelegt haben! Ohne eure Unterstützung wäre alles nicht möglich gewesen! Und an alle, die es noch nicht gehört haben: Hört unbedingt rein, z.B. auf YouTube oder Spotify – ich bin mir sicher, es wird euch gefallen!

Ivan: Vielen lieben Dank für dieses Interview, unser neuestes Interview mit metal.de liegt tatsächlich schon zehn Jahre her. Danke für deinen Support, wir freuen uns, dass “Call Of The Sirens” so gut ankommt. Danke an unser Label Massacre Records für die hervorragend, professionelle Handhabung von unserem Release sowie unsere Promoterin Mona von All-Noir. All Things Rotten, Iguana Studios, Fine Arts Merchandise und letzen Endes dich, der dieses Interview ganz bis zum Schluss gelesen hat. Keep the Flame Burning!

Like Odysseus will follow the sirens, you will follow her call!

Quelle: Interview mit Craving
24.06.2023

Redakteur für alle Genres, außer Grindcore, und zuständig für das Premieren-Ressort.

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