Scar Symmetry
"Wir haben ChatGPT für zwei Social-Media-Posts genutzt, um das Album zu promoten."

Interview

Neun Jahre mussten wir auf die Fortsetzung der „The Singularity“-Trilogie von SCAR SYMMETRY warten. Dieses hatte diverse Gründe, welche wir im Interview mit Saitenhexer Per Nilsson herausgefunden haben. Mit „The Singularity (Phase II – Xenotaph)“ steht nun jedenfalls der zweite Teil der Albumserie ins Haus und zu der wildgewordenen künstlichen Intelligenz der Konzeptstory gesellen sich nun noch Aliens. Genug Stoff für ein futuristisch angehauchtes Gespräch.

Hallo Per, ich falle mal mit der Tür ins Haus. Warum hat es so lange gedauert, bis ihr „The Singularity (Phase II – Xenotaph)“ veröffentlicht hat? Für wann war die Veröffentlichung ursprünglich geplant?

Die ursprüngliche Idee dafür, eine Trilogie zu veröffentlichen war, dass ich müde war, ganze Alben zu veröffentlichen. Das war noch vor der Veröffentlichung von „Phase I“. Als Jonas [Kjellgren, Ex-Gitarrist, Anm. d. Redaktion] die Band verließ wurde ich zum Hauptsongwriter, also dachte ich mir, lass uns statt Alben EPs veröffentlichen. Daran haben wir angefangen zu arbeiten und die allgemeine Storyline der Trilogie ausgearbeitet.

Als es dann ans Songwriting ging, hat uns die Kreativität mit voller Kraft erwischt. Das erste Album ist schon 43 Minuten lang. Das ist jetzt nicht mega lang, aber zu lang für eine EP. Eigentlich wollten wir eine EP pro Jahr veröffentlichen, aber da aus den EPs auf einmal doch Alben wurden, wurde alles etwas komplizierter.

Wir haben mit dem Schreiben von „Phase II“ 2016 angefangen. Viele der Spuren wie Schlagzeug, Leadgitarre, Rhytmusgitarre, Lead Vocals wurden schon 2016 und 2017 aufgenommen, das meiste eigentlich. Wir hatten keine exakte Idee für ein Releasedatum. „Nächstes Jahr“ war der grobe Orientierungspunkt.

2016 wurde ich aber auch etwas müde von der Band. Ich liebe die Band, ich liebe die Leute mit denen ich zusammenarbeite, aber ich wollte für eine gewisse Zeit etwas anderes tun. Ich war gleichzeitig der Tourmanager und allgemeine Manager der Band und wollte einfach was anderes machen und habe das Universum danach gefragt. Das Universum antwortete in Form der Bands NOCTURNAL RITES und MESHUGGAH. Ich wurde ein Tourmitglied von MESHUGGAH für sieben Jahre und ein offizielles Mitglied von NOCTURNAL RITES. Damit habe ich mich ein paar Jahre beschäftigt gehalten.

Wir sind nie wirklich in eine Pause mit SCAR SYMMETRY gegangen, aber mein Terminkalender war einfach so voll, dass wir nur ein paar Shows spielen konnten. Wir haben immer mal wieder an dem Album gearbeitet und dann wieder aufgehört. Erst als Fredrik [Thordendal, Gitarrist, Anm. d. Redaktion] wieder zurück zu MESHUGGAH gekommen ist, bin ich zu dem Album längere Zeit zurückgekehrt.

Außerdem war da natürlich die Pandemie und ich bin Vater geworden, was viel Zeit in Anspruch nimmt, wenn du für dein Kind da sein willst. Ja, das waren all die Dinge die halt irgendwie passiert sind (lacht).

War es schwer für euch, die Aufnahmen des Albums zu beenden, weil ihr so lange Pausen dazwischen hattet?

Es war nicht schwer, an dem Album zu arbeiten. Das Schwere war, dass ich immer wieder die Liebe an der Band und der Musik verloren habe, was auch viel an der Situation meines eigenen Lebens lag. Was aber im Frühjahr 2021 passiert ist, als angekündigt wurde, dass Fredrik zurück zu MESHUGGAH geht ist, dass unsere Plattenfirma mich kontaktiert hat. Sie hatten von den Neuigkeiten gehört und gefragt, ob ich SCAR SYMMETRY wiederbelebe. Sie wären daran nämlich sehr interessiert.

Unser bisheriger Plattendeal war mit dem vorigen Album zu Ende und wir hätten uns ohnehin nach einem neuen Deal umschauen müssen für „Phase II“. Dass also Nuclear Blast den ersten Schritt gemacht hat und mit einem sehr guten Deal ankam, bevor ich überhaupt danach gefragt habe, war super. Sie haben alle Bedingungen, die ich gestellt hätte, erfüllt und teilweise sogar mehr, als ich erfragt hätte. Das gab mir viel positive Energie, zurück zu dem Album zu kehren.

Wir haben uns dann mit der Band getroffen, haben bei mir was gegessen und getrunken und sind so wieder zusammen gekommen. Wir leben alle an verschiedenen Orten, wenn wir nichts mit SCAR SYMMETRY machen, dann sehen wir uns selten. Als wir dann wieder alle in einem Raum saßen war es so, als wäre keine Zeit vergangen. Dann haben wir letztes Jahr wieder angefangen Shows zu spielen und nun ist das, was ich damals vermisst habe, wieder zurück.

Wir waren zudem eine schlecht gemanagte Band. Der Hauptgrund dafür ist, dass wir hauptsächlich von mir gemanagt wurden. Es gibt Dinge, da bin ich ziemlich gut drin, aber ich bin kein Unternehmer und kein Manager, ich bin eine kreative Person, ich sollte nicht verantwortlich für gewisse Dinge sein. Wir haben uns also ein Management geholt, eine neue Bookingfirma, rechtliche Beratung und all diese Sachen, von denen man eine gute Grundlage braucht, um die Show über die Bühne zu bekommen. Dass ich diese Bürde abladen konnte, war für mich der Grund, dass ich neue Energie hatte und nicht ständig gestresst war. Bisher ist es wundervoll.

Scar Symmetry - The Singularity (Phase II - Xenotaph)

Das klingt ja sehr gut. Also müssen wir wohl nicht weitere neun Jahre auf den abschließenden Teil der Trilogie warten?

Ja. Ich meine, mittlerweile habe ich mich ziemlich beschämt, weil ich das den Release des Albums mehrere Jahre hintereinander versprochen habe. 2018 habe ich am Album hin und wieder gearbeitet und dachte mir, ich sollte damit bald fertig sein. Die Leute haben gefragt, wann es rauskommt und ich habe gesagt, dass es mit großer Wahrscheinlichkeit „nächstes Jahr“ herauskommt. Ich habe es sogar versprochen, dass 2019 das Jahr werden soll.

Doch dann ist all der Kram passiert und es ist nicht 2019 rausgekommen. Dann dachte ich, es kommt bestimmt 2020 heraus. Das habe ich immer wieder gemacht die letzten paar Jahre. Ich habe meine Lektion gelernt, nichts zu versprechen, aber ich denke, es ist ziemlich sicher zu sagen, dass es einen weiteren SCAR-SYMMETRY-Release innerhalb der nächsten neun Jahre geben wird. Die einzige andere Option wäre, wenn wir aus irgendeinem Grund aufhören müssten, wenn jemand krank wird oder so.

Ich beginne gerade eine neue Schreibphase, ich muss mal sehen, was daraus wird. Aber ich freue mich darauf. Ich würde es toll finden, wesentlich eher als in neun Jahren ein neues Album herauszubringen. Damals haben wir fast jedes Jahr ein neues Album veröffentlicht. Wir waren sehr schnell. Vielleicht ist das jetzt nicht mehr machbar, aber schneller als neun Jahre sollte es auf jeden Fall gehen.

Hoffen wir das Beste! Das Kernthema des Albums ist ja der Aufstieg künstlicher Intelligenzen. Was fasziniert dich an dem Thema? Es gibt ja jetzt diese große Diskussion um ChatGPT, KI-generierte Bilder und so. Hatte das etwas damit zu tun oder warst du schon lange Fan solcher Dinge?

Genau genommen handelte „Phase I“ vom Aufstieg der KI und was das für uns bedeuten könnte als dystopische SciFi-Story, in welcher die Menschen ihren Körper und ihren Intellekt mit KI upgraden können. In unserer Geschichte wird die KI böse und die mit KI geupgradeten Leute werden ebenfalls böse und fangen an, die nicht geupgradeten Menschen zu jagen.

„Phase I“ ist natürlich ebenfalls dystopische Science Fiction, aber irgendwo doch in der Realität verwurzelt. Es ist nicht sonderlich plausibel, dass es so passieren wird, aber es basiert auf Dingen, die so passieren könnten. In „Phase II“ tauchen dann Aliens auf und bisher haben wir noch keine Aliens gesehen, jedenfalls soweit ich weiß. Diese Aliens tauchen mitten im Krieg zwischen Menschheit und KI auf und stellen sich auf die Seite der Menschen. Sie haben die Menschheit für Jahrtausende verfolgt, manchmal sogar die Evolution überwacht und darin eingegriffen, also wollen sie das, was ihrer Meinung nach ihre Schöpfung ist, beschützen.

Als die Story sich fortsetzt stellt sich heraus, dass diese Aliens auch ihre eigenen Motive haben. Wo „Phase I“ also mehr realitätsbasiert ist, geht „Phase II“ mehr in das fiktionale Territorium. Spannend dabei ist, dass wir „Phase I“ 2013 geschrieben haben und „Phase II“ 2016. Also ist „Phase II“ textlich gesehen schon ein altes Album. Wir wussten, dass KI etwas ist, das auftauchen und eine Rolle spielen wird. Aber, dass es so schnell relevant wird und so schnell von den Menschen akzeptiert wird, das hätten wir nicht gedacht.

Wenn du Bilder für verschiedene Dinge kreieren willst, dann kannst du es mit der KI gratis machen und die Resultate sind großartig. Und wir sind gerade erst in der ersten Generation dieser Dinge. Dann gibt es noch die Chat Bots, welche zwar nicht super klug sind, aber sehr nützlich. Wir sind mittlerweile alle daran gewöhnt, dass wir etwas googlen können, wenn wir etwas nicht verstehen. So kann man, jedenfalls ich und die Leute, die ich kenne, ChatGPT auch nutzen, wie eine Suchmaschine mit Gehirn.

Wir haben ChatGPT für zwei Social-Media-Posts genutzt, um das Album zu promoten. Ein Post ist mit Artwork aus dem CD-Booklet, auf welchem man das Innere eines Raumschiffs mit einem großen Fenster sieht, aus welchem man auf die Erde herunter guckt. Ich wollte eine Kurzgeschichte dazu schreiben, aber ich hatte eine schwere Zeit, etwas Passendes dafür zu erdenken. Es sollte eine gewisse Schwere haben und mein geschriebenes Englisch ist eigentlich sehr gut, aber es war nicht das, was ich wollte.

Also bin ich zu ChatGPT gegangen und habe es gefragt, mir ein Gedicht über ein mysteriöses Raumschiff, das über der Erde schwebt und die Menschen wissen nicht, was es bedeutet zu schreiben. „Schreibe mir ein Gedicht mit dem Titel ‚Watchers In The Sky‘ im Stil von William Shakespeare“. Es hat einen Text ausgespuckt, den ich in einer Million Jahre nicht hätte schreiben können, da ich diese Art Englisch nicht schreiben kann, auch wenn mein modernes Englisch sehr gut ist.

Es war wirklich großartig, ich habe nur ein paar Wörter geändert, damit es zu meiner Story passt. Ich habe für den nächsten Post dann das Gleiche gemacht. Ich habe nie gesagt, dass sie von einer KI geschrieben wurde, aber es war für mich ein spaßiges Experiment, da das Album ja von KI und ihren Gefahren handelt. Hilfe zu bekommen bei Dingen, zu denen ich nicht fähig bin ist sehr verführend denke ich.

Galerie mit 17 Bildern: Scar Symmetry - Rockharz 2022

Seiten in diesem Artikel

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Quelle: Interview mit Per Nilsson
14.06.2023

Redakteur für alle Genres, außer Grindcore, und zuständig für das Premieren-Ressort.

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