Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.
Als wir vor knapp einem Jahr eine Retrospektive zum Meilenstein “North From Here” der (ehemaligen) Finnen-Deather SENTENCED veröffentlichten, meldeten viele von euch in den Kommentarspalten hier und auf Social Media an, dass eine Rückbetrachtung des Nachfolgewerkes “Amok” ebenfalls wünschenswert wäre. Ihr wünscht – wir wollen Folge leisten. Denn “Amok” unterscheidet sich zwar stilistisch radikal von “North From Here”, ist aber ein nicht minder außergewöhnliches Album und stellt für eine ganze Generation inzwischen gereifter Metalheads so etwas wie den Soundtrack zur Jugend dar.
Mit “Amok” waren SENTENCED ihrer Zeit fast 20 Jahre voraus!
Während “North From Here” noch technisch-progressiver Melodic Death Metal mit deutlich schwarzmetallischem Einschlag war, sind die Songs auf “Amok” hinsichtlich Härte und Arrangements signifikant entschlackt. Selten können wir inzwischen von Bassist und Sänger Taneli Jarva “richtige” Growls (wie etwa im rotzigen Opener “The War Ain’t Over!”) vernehmen. Für den Großteil der Platte passte Jarva nämlich seinen Gesangsstil zugunsten einer etwas klareren, aber konstant whiskeygetränkten Ausdrucksform an. Somit fungiert “Amok” als Scharnier zwischen dem heftigen Vorgänger “North From Here” und dem weitaus (gothic-)rockigeren Nachfolger “Down”, auf dem erstmals der melodiösere Ville Laihiala am Gesang zu hören war.
Zugleich brachten SENTENCED 1995 eine Atmosphäre von Gothic und Rock in ihre Musik, die seinerzeit absolut ungewöhnlich war und die später von Bands wie TRIBULATION oder SLÆGT vorangetriebenen Entwicklungen vorwegnahm. In Songs wie dem genialen Ohrwurm “New Age Messiah” oder “Dance On The Graves (Lil’ Siztah)” lässt sich zudem ein deutlicher Einfluss aus dem klassischen Heavy Metal vernehmen, der in dieser Form auf späteren Alben auch kaum noch zu finden war. Gleichzeitig prägte sich bei den Finnen musikalisch und textlich eine melancholisch-despressive Schlagseite heraus, die später das Image der Band stark dominieren sollte. In dem trostlos-deprimierenden Trinklied “Nepenthe” – auf eh und je der beste Song der Band –, aber auch in Stücken wie “Funeral Spring” oder “Forever Lost” ist diese Entwicklung sehr gut nachvollziehbar.
Die einzigartige Magie des skandinavischen Weltschmerzes
Was für “North From Here” gilt, kann ebenso für “Amok” konstatiert werden: Es gibt keine weitere Band, kein weiteres Album, das irgendwie nach SENTENCED zu jener Zeit klänge. Rückblickend war es zudem sinnvoll, dass sich auch die Band um den 2009 leider verstorbenen Gitarristen und Hauptsongwriter Miika Tenkula nicht wiederholte und mit “Down” ein Jahr später eine weitere stilistische Anpassung vornahm.
Es empfiehlt sich übrigens ausdrücklich, einen der Re-Releases von Century Media zu erwerben, wenn ihr das Album noch nicht euer Eigen nennt, denn da bekommt ihr die üppige “Love & Death”-EP als Bonus dazu. Mit dem darauf enthaltenen BILLY-IDOL-Cover “White Wedding” erklärt sich noch mal die Pionierstellung von SENTENCED bei der Vermischung von düsterem Metal und Post Punk, die ja seit knapp zehn Jahren eine szeneinterne Bewegung für sich darstellt.
Wenig objektive zehn Punkte von mir für ein Album, dass mich tief beeinflusst hat und dessen physical first press ich hüte wie einen Schatz. Nepenthe und Golden Streams allein rechtfertigen die Höchstnote.
Ich kann mich dem Review zu 100 Prozent anschließen.
Heute hör ich tatsächlich Cold white light am meisten, dann die Frozen, dann die Down. Amok mag ich aber auch sehr, das Niveau ist für mich hier insgesamt unheimlich hoch. Damals war Amok eine Offenbarung und kann mir beim Hören noch immer ganze Filme an Jugend-Erinnerungen entlocken. Ich gebe eine 9, da die 10 für mich nach heutigem Stand die obigen drei bekommen.
Was dieses Album bei mir wieder mal auslöst, ist ein wohliges Gefühl, dass die eigene Jugendzeit insgesamt auch echt viele ganz gute Tage hatte und nicht alles so schlecht war, wie es sich damals vielleicht dargestellt hat. Ich predige das meinen Kindern auch immer: schaut, dass ihr nicht nur Fotos mitm Handy macht, sondern Euch Erinnerungen schafft.
Danke Sentenced!
„Amok“ ist tatsächlich nach wie vor mein Favorit, dahinter kommen „North From Here“ und „Down“. „Frozen“ hingegen war für mich immer das schwächste Sentenced-Album.
„Amok“ war damals das erste Album, das ich von Sentenced gehört hatte. Kurz drauf eben die „Love & Death“-EP, die ich beide bis zum Erbrechen gehört habe. Deswegen ist keine objektive Bewertung möglich, die Nostalgie verblendet zu sehr, so dass nur 10 Punkte möglich sind. Die beiden höre ich heute noch am liebsten von Sentenced.
Von der „Down“ war ich zuerst enttäuscht, da das Fehlen von Taneli Jarva mir ziemlich auf den Magen schlug, aber schlussendlich konnte ich mich mit Ville auch anfreunden. Von Sentenced mag ich tatsächlich jede Phase. Durchwegs gute Musik und kein Totalausfall.
Wer auch noch etwas dem Sound der „Amok“ nachhängt, kann auch mal das schon ältere Album „Ichor“ von Taneli Jarvas anderen Band „The Black League“ anhören. Da sind noch einige Referenzen zu finden.
Auch von mir eine völlig un-objektive Wertung (ohne Punkte). Hab mich damals schwer getan und habe auch heute keinen Zugang: nicht Fisch, nicht Fleisch – weder richtig schwer&schwarz noch überzeugend progressiv. Ähnlich wie heutzutage bei TRIBULATION passen für mich die Vocs nur selten zur Musik. Aber: nur mein persönliches Empfinden.
Was für ein wundervolles Album! Der absolute Höhepunkt von Sentenced mit viel Heavy Metal, Dynamik, großartigen Gitarren, Abwechslungsreichstem und einem knarzigen Taneli Jarva, der den Liedern eine ganz eigene Note gibt. Wohliges Gefühl beim Hören trifft es gut, jeder Song ist ein Volltreffer. Danach waren Sentenced sicher nicht schlecht, aber im Vergleich zu „Amok“ relativ eindimensional und eher weinerlich.
Das Songfinale von „Forever Lost“ ist einfach unerreicht. Die Art, wie hier mit eigentlich schon damals konservativen ein unfassbarer Drive in den Song kommt, ist einfach Wahnsinn und ein Kennzeichen, das Sentenced auch auf späteren Alben immer wieder ausmacht. Ich finde auch die Vergleiche mit anderen, damals in ähnlichen Nischen musizierenden Bands, hinken, denn nicht nur hier, sondern auch später haben ihre Songs noch genügend Dreck mit drin. Schade, dass sie nie zurück kommen können
Achso, Wertung, sonnenklare 10 für die Northernmost Killers 😀
Was für eine Veränderung im Sound!
Ich hätte eigentlich nix gegen eine weitere Platte im Stile vom „North From Here“ gehabt, aber die Band hat sich damals ja wirklich dermaßen rasant weiterentwickelt, dass man nur staunen kann. Der Opener führt den Zuhörer noch ganz behutsam in diesen neuen Klangkosmos, denn hier geht es schon noch etwas brachialer zur Sache. Doch danach gibt es eine seltsam thrashige Variante vom Gothic-Metal und das ist soundtechnisch einfach einmalig! Die Vocals sind kaum zu greifen in ihrer Mischung aus Gesang und „Geräusper“, passen aber ideal und es geht zwar sehr melodisch zur Sache, jedoch keineswegs weichgespült. Heavy ist „Amok“ auf jeden Fall, aber eben anders, als seine beiden Vorgänger. Dass die andere Herangehensweise nun aber nicht dazu gedacht war, kommerziell erfolgreicher zu sein, erkennt man schon an den teilweise nicht gerade eingängigen Aufbau der Songs. Doch nach mehrmaligem Hören setzt sich das alles sehr fest. Geiles Teil und überraschende Entwicklung!