Ghost Brigade
Interview mit Janne Julin und Wille Naukkarinen zu "Until Fear No Longer Defines Us"
Interview
Drei beeindruckende Alben. Zwei Highlights des Jahres. GHOST BRIGADE haben sich innerhalb von nur wenigen Jahren eine Position im Dark-Metal-Olymp gesichert, die sich ähnliche Bands wie KATATONIA hart erarbeiten mussten. Zufall oder Kalkül? „Until Fear No Longer Defines Us“ ist jedenfalls vertonte Emotionalität in Bestform. Janne Julin (Bass) und Wille Naukkarinen (Gitarre) verraten uns auch warum…
Beim Hören des neuen Albums fällt es nicht sonderlich schwer sich von der Außenwelt zu lösen und in den Melodien zu versinken. Der Alltag wird verbannt, und wie bereits zuvor, so appelliert auch „Until Fear No Longer Defines Us“ an die Seele und spielt mit Emotionen. Doch alles im Leben sollte eine gewisse Balance ergeben. Deshalb: Wie wichtig sind denn materielle Dinge für GHOST BRIGADE?
Janne: Ehrlich gesagt… Ich kaufe mir viel zu viele Platten, für die ich kaum noch Platz finde und die ich mir aus Zeitmangel manchmal überhaupt nicht anhöre… Natürlich kannst du jetzt behaupten, dass ich ein materialistisches Schwein bin, genauso wie die meisten Menschen auch. (lacht) Aber ich wertschätze nicht nur Platten, sondern auch Bücher, Möbel und auch einige Kleidungsstücke…wobei das alles ja irgendwie auch ideellen Wert hat. Also… Ganz allgemein betrachtet setze ich wenig Wert auf materielle Dinge. Ich erfreue mich bereits an den notwendigsten Gebrauchsgegenständen des Alltags, genauso wie die anderen in der Band auch. Ich kann mit gutem Gewissen behaupten, dass wir ein bescheidenes Leben führen. Auf der anderen Seite aber spielen materielle Dinge, wenn es um die Musik geht, sehr wohl eine Rolle: Ich mag zum Beispiel gut ausschauende Instrumente lieber als schlichte. Außerdem liebe ich hochwertig hergestellte Band-T-Shirts und vieles mehr in dieser Richtung. Aber das sind nur Äußerlichkeiten und haben natürlich keinen Einfluss auf die Musik selbst.
„Until Fear No Longer Defines Us“ ist ein sehr bedeutungsvoller Albumtitel. Welche Ängste werden denn in den Songs verarbeitet, und wovor habt ihr persönlich Angst?
Janne: Meine persönlichen Ängste bewegen sich alle im existentiellen, physischen oder psychischen Rahmen. Ich stelle es mir extrem schrecklich vor, das Gedächtnis zu verlieren, oder meine Hände zum Beispiel… Das Album beschreibt keine bestimmten Ängste, wobei sich einige Songs ansatzweise schon mit eben diesen Ängsten auseinandersetzen, die ich bereits erwähnt habe. Das Album handelt mehr davon, bestimmte Ängste zu akzeptieren, mit ihnen klarzukommen und trotz allem immer weiter zu gehen, ohne dass sich diese Ängste in dir selbst manifestieren und dein Leben diktieren. Der Albumtitel ist insofern das genaue Gegenteil eines Sprichwortes, das besagt, dass die Angst uns formt. Allerdings kann auch alles ganz anders sein, so daß man plötzlich gar nicht mehr klar kommt… Wer weiß…
Was hat euch inspiriert oder bewegt diese Songs zu schreiben? Und welche Rolle spielt das Front Cover Artwork in Bezug zum Titel und den Inhalt des Albums?
Wille: Songs für GHOST BRIGADE schreibe ich immer am besten, in dem ich mich von unserem bisherigen Material inspirieren lasse. Ernsthaft. Du willst halt immer versuchen noch bessere Songs zu schreiben und ein noch besseres Album zu machen, als es das vorherige war, und genau darauf läuft immer alles hinaus. Du willst an die Spitze. Und so wie immer haben wir auch diesmal versucht, dass das Artwork den Inhalt des Albums wiedergibt…und ich glaube das ist uns gelungen: Es ist düster, wild, episch und immer voller Hoffnung. Das selbe gilt für den Titel.
Es ist sehr schwierig einen Favoriten auf dem Album auszumachen, denn alle Songs bewegen sich auf dem selben Niveau. Aber ich glaube der beeinduckendste Song für mich persönlich ist „Breakwater“. Ich liebe diesen aggressiven Anfang des Songs, der dann in einen sanfteren Part mit Clean Vocals hinübergleitet, um die folgenden aggressiven Parts mit epischen Melodielinien zu begleiten… Wovon handelt dieser Track? Was ging euch durch den Kopf, als ihr diesen Song geschrieben habt?
Wille: Wir hatten nicht geplant aus „Breakwater“ einen so langen und epischen Song zu machen, das hat sich erst ergeben, nachdem wir aufmerksam darauf geachtet hatten, wie sich der Song entwickelt und was der Song noch benötigen würde, damit er sich vollständig entfaltet. Ich fühlte bald, dass dieser Track nicht nach nur vier Minuten zum Ende kommen konnte, denn „Breakwater“ ist ein Song, der Zeit benötigt um seine Wucht und Schönheit zu offenbaren. Und so ist aus „Breakwater“ schließlich der längste Song geworden, den wir bisher geschrieben haben. Die Lyrics zu diesem Song handeln davon deine Schwächen und mögliche Ängste zu erkennen, mit ihnen umgehen zu können und letztendlich auch zu überwinden, um ein besseres Leben führen zu können. Wieder einmal ist dies auch ein sehr persönlicher Text.
Welches Zitat aus einem der neuen Songs hat für euch denn ganz besonderen Wert und warum?
Wille: Es gibt eigentlich nichts, das sich in besonderem Maße abhebt. In meinen Texten hat jedes Wort und jede Zeile eine bedeutende Funktion, denn ich versuche Geschichten zu erzählen. Deshalb ist in diesem Fall das große Ganze auch wichtiger als jedes Detail. Aber wenn ich tatsächlich ein Zitat wählen soll, dann entscheide ich mich für den letzten Refrain von „Soulcarver“. Warum? Ich weiß es nicht, aber ich mag die Lyrics. (lacht)
„When you have lost all direction
Let the silence speak the loudest words
When you have lost all direction
Let the undone come to life
And feel the love engraved
To the undivided presence of hope and innocence„
„Until Fear No Longer Defines Us“ ist bereits das zweite Album in Folge, das einfach nicht besser hätte gemacht werden können. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das nicht nur ich so sehe, sondern auch eine ganze Menge anderer Leute ebenso. Wie geht ihr mit diesem Erfolg um und was animiert euch auch weiterhin das Beste zu wollen und zu geben? Lastet da nicht ein gewisser Druck auf euch, auch das nächste Album wieder so zu gestalten, dass es keine musikalischen Ausfälle zu beklagen gibt, oder seid ihr immer noch ihr selbst und macht genau das, was ihr immer gemacht habt?
Janne: (grinst) Vielen Dank für das Kompliment! Bisher haben wir kaum etwas von diesem Druck gespürt, den du da ansprichst. Wir haben jeden Augenblick im Studio und auch auf der Bühne genossen, und ich bin mir ziemlich sicher, dass das auch so bleiben wird. Letztendlich haben wir immer genau das gemacht, was wir wollten. Wenn wir das eines Tages nicht mehr können, ist es Zeit den Hut zu nehmen und die Band ruhen zu lassen. Andernfalls betrügst du dich selbst, und das würde sich auch in den Songs niederschlagen. Uns ist es wichtig, ehrlich sich selbst und der Musik gegenüber zu sein, denn ich liebe Musik. Und ganz ehrlich gesagt, jeder weitere Erfolg für uns ist auch ein weiterer Ansporn immer alles zu geben. Für unsere Alben haben wir uns immer die Zeit genommen, die wir benötigten, um die Songs zu schreiben, die unserem Verständnis von Musik entsprechen und dann auch genau so klingen, wie wir uns das vorgestellt haben. Natürlich schwirrt dir immer im Kopf herum, was du mit dem letzten Album erreicht hast und welches Feedback wir bekommen haben. Aber unter Druck setzen lassen wir uns deswegen nicht. Wir versuchen immer wieder aufs Neue unsere Gefühle mit Musik auszudrücken und das kann ein unglaublich erleichterndes Gefühl sein und wirkt wie eine gewisse Balance im täglichen Alltagsmassaker unserer so genannten „zivilisierten Welt“.
In unserem letzten Interview, das ich mit dir, Wille, geführt habe, habe ich nach Remixen von euren Songs gefragt. Du hast mir damals gesagt, dass es großartig wäre, Remixe von MASSIVE ATTACK oder UNKLE zu hören. Hat sich in dieser Richtung mittlerweile etwas getan? Oder könnt ihr euch sogar vorstellen, eigene Songs selbst zu remixen oder mit Elementen aus anderen Musikstilen aufzupeppen?
Janne: MASSIVE ATTACK spielen in einer ganz anderen Liga und sind für uns noch völlig außer Reichweite. Aber wir haben mittlerweile einige hervorragende Kontakte geknüpft, so dass ich dir an dieser Stelle verraten kann, dass wir tatsächlich bereits an dieser Sache arbeiten. Da das ganze Projekt aber noch in den Kinderschuhen steckt, kann und möchte ich noch nicht viel mehr dazu sagen. Wir werden selbstverständlich früh genug darüber berichten, wenn es Fortschritte gibt. Ein Remix-Album selbst zu bearbeiten hört sich spannend an, aber ich kann mir das für GHOST BRIGADE im Moment nicht wirklich vorstellen. Ehrlich gesagt würde ich diese Sache auch jemandem überlassen, der sich damit bereits auskennt. Vielleicht könnte man mit unseren Songs in Richtung Industrial oder Power Electronic gehen, um die Extreme noch weiter auszuloten, aber eine bestimmte Vision von dieser Sache habe ich jetzt nicht wirklich…
OK. Vielen Dank für das Interview. Möchtet ihr noch etwas ergänzen oder unseren Lesern mit auf den Weg geben?
Janne: Vielen Dank. Es hat wirklich viel Spaß gemacht, diese Fragen zu beantworten. Wir möchten uns auch ganz besonders bei allen unseren deutschen Fans bedanken, für eure Unterstützung und die vielen wunderbaren Shows, die in unseren Köpfen verankert sind. Es macht immer unheimlich viel Spaß, in Deutschland zu spielen und wir freuen uns schon jetzt darauf, euch im Herbst wieder zu sehen. Bis dann, und passt auf euch auf!
Galerie mit 12 Bildern: Ghost Brigade - Tuska Open Air 2015Mehr zu Ghost Brigade
Band | |
---|---|
Stile | Dark Metal, Doom Metal, Melodic Death Metal |
Interessante Alben finden
Auf der Suche nach neuer Mucke? Durchsuche unser Review-Archiv mit aktuell 37235 Reviews und lass Dich inspirieren!
Kommentare
Sag Deine Meinung!