Fair To Midland
Interview mit Sänger Darroh Sudderth und Schlagzeuger Brett Stowers
Interview
FAIR TO MIDLAND schlugen mit ihrem neuen Album „Arrows & Anchors“ nicht nur bei mir schon vor Release ein, wie eine Bombe, auch Tausende andere Fans weltweit können das Release des Albums am 12.07.2011 kaum noch erwarten. Das sowie der Labelwechsel und die Songs, mit denen die Band ihrer Ausrichtung zwar treu bleibt, aber definitiv ein Pfund zulegt, was die Härte angeht, sind Grund genug für ein Gespräch mit Sänger Darroh Sudderth und Drummer Brett Stowers.
Hallo Jungs.
Zunächst einmal Gratulation zu eurem großartigen neuen Album, meiner Meinung nach eurem besten (bis jetzt). Was könnt ihr mir über die Aufnahmen und das Songwriting erzählen? War das „Making Of ‚Arrows & Anchors'“ in irgendeiner Weise speziell oder einzigartig oder ist sowas für euch Routine?
Brett:
Vielen Dank – wir stimmen dir zu.
Jeder Aufnahmeprozess ist für uns bisher auf seine Weise einzigartig gewesen. Was diesen für mich besonders gemacht hat, ist wahrscheinlich, dass wir, als die Schlagzeugaufnahmen erstmal fertig waren, ständig herumgesprungen sind und dauernd verschiedene Instrumente aufgenommen haben. Das heißt, wir haben nicht einfach für jeden Song den Bass fertig gemacht, dann die cleane Gitarre, dann die verzehrte etc. Das hat jeden während des ganzen Prozesses beschäftigt und auf den Beinen gehalten, was eine gute Sache ist.
Seit der Veröffentlichung von „Fables From A Mayfly“ (2007) seit ihr sehr viel bekannter geworden, ihr habe sozusagen die „Underground-Ebene“ verlassen und seit mehr zu einer High-Profile-Band geworden – hat euch das während des Schreibens der neuen Stücke und während der Aufnahmen beinflusst?
Darroh:
Das hatten wir beim Schreiben nicht bewusst im Kopf. Wir wollten uns einfach nur darauf konzentrieren, etwas zu machen, was besser war, als unser letztes Album.
Und wie schreibt ihr eure Songs im allgemeinen? Wie fängt es an und welchen Weg geht ein Song bei euch von der ersten Idee hin zu dem, was dann auf dem Album zu hören ist?
Darroh:
Das variiert von Song zu Song. Manchmal kommen Matt (Langley, Keyboard – Anmk. d. Red.) oder ich mit einem fast fertigen Song, den wir als Demo mit dem Computer erstellt haben, manchmal hat einer einfach eine coole Idee für ein Riff und manchmal ist es ein komplett gemeinschaftlicher Prozess.
„‚Arrows And Anchors‘ könnte das heavieste Nicht-Metal-Album sein, dass ihr dieses Jahr zu hören bekommt“, zitiert der Pressezettel Darroh. Das würde ich unterschreiben – aber ich denke, dass es auf dem Album trotzdem einige Parts gibt, die sehr, sehr metallisch klingen. (Nehmt als Beispiel nur mal „Whiskey And Ritalin“.) Deshalb würde mich interessieren, wie groß der Metal-Anteil bezüglich eurer Einflüsse ist.
Brett:
Das hängt davon ab, wie du „Metal“ definierst. Sicherlich gibt es eine Menge heavy Teile auf dem Album, wahrscheinlich heavier als das meiste andere was wir in der Vergangenheit gemacht haben. Trotzdem bin ich mir nicht sicher, ob sie in die moderne Definition von „Metal“ hineinpassen.
Und was sind eure Einflüsse ganz im allgemeinen? Könnt ihr ein paar eurer Lieblingsbands nennen, ohne den Rahmen des Interviews zu sprengen?
Brett:
Ich schätze, da würde dir jeder in der Band eine andere Antwort geben. Wir alle haben sehr unterschiedliche Musikgeschmäcker. Was mich angeht, ich höre momentan eine Menge QUEENS OF THE STONE AGE, CLUTCH und ich bin gerade auch auf einem Neunziger-Trip-Hop-Trip, sowas wie PORTISHEAD, SNEAKER PIMPS etc., auch wenn ich dir hier nicht sagen kann, warum … außer dass es gut zum einschlafen ist. 😉
Was sind denn eurer Meinung nach die Unterschiede zwischen „Fables From A Mayfly“ (und euren älteren Veröffentlichungen) und „Arrows & Anchors“ im allgemeinen, abgesehen von dem größeren Maß an Heaviness?
Brett:
Ich denke, „Arrows“ hat einen viel rauheren In-Your-Face-Vibe. „Fables“ war etwas verträumter. „Arrows“ ist, wenn dir jemand nach dem Traum einen Eimer kaltes Wasser ins Gesicht kippt. 😉
Ihr habt „Arrows & Anchors“ mit dem Produzenten Joe Barresi (hat unter anderem mit KYUSS, QUEENS OF THE STONE AGE, COHEED AND CAMBRIA und PARWAY DRIVE zusammengearbeitet) aufgenommen. Warum? Und wie kam das?
Brett:
Wir wollten jemanden, der die beste Performance aus jedem von uns herausquetschen konnte. Jemanden, der weiß, wie man aus den Instrumenten die perfekten Töne für das, was wir versuchen zu erreichen, herausbekommt, und jemanden, der das Album nicht „überproduzieren“ würde. Was das angeht, hatte Joe definitiv den richtigen Lebenslauf.
Wie war es mit ihm zusammenzuarbeiten? Und was sind die Unterschiede zwischen der Arbeit mit ihm und der mit David Bottrill (Produzent von „Fables From A Mayfly“)?
Brett:
Mit Joe zu arbeiten war ein bisschen, wie eine Platte mit deinem Highschool-Football-Coach aufzunehmen. (Das meine ich im bestmöglichen Sinne.) Dave tendierte dazu, in seinem Ansatz etwas entspannter zu sein, was gut für „Fables“ war. Joe hat uns viel mehr auf den Beinen gehalten, hat dafür gesorgt, dass wir es uns nicht zu bequem machen, und ich denke, dass man das dem Album anhören kann. Was genau das ist, was wir wollten.
Nicht nur die Songs selbst, sondern auch der Sound auf „Arrows & Anchors“ ist meiner Meinung nach um einiges härter als auf euren älteren Alben. Würdet ihr zustimmen? Und wenn ja, war der härtere Sound von Anfang an geplant oder kam das während des Aufnahmeprozesses? Und was ist Joe Barresis Anteil daran?
Darroh:
Ich würde dir zustimmen. Ich denke, wir haben schon früh während des Songwriting-Prozesses gemerkt, dass diese Songs dunkler und härter werden würden. Das haben wir bereitwillig angenommen. Einiges davon kam sicher aus unserer Frustration über die Musikindustrie heraus, deshalb saßen wir alle in einem Boot voller Unsicherheit und Angepisstsein.
Nachdem ihr die EP „The Drawn And Quartered“ (2006) und „Fables From A Mayfly“ via Serj Tankians (SYSTEM OF A DOWN) Label Serjical Strike veröffentlicht hattet, habt ihr jetzt einen Deal mit E1 Music. Aus welchen Gründen?
Brett:
Serj konzentriert sich stark auf seine Solokarriere und Serjical Strike hat keine wirklich nennenswerten Label-Ressourcen, dementsprechend war das ein ziemlicher No-Brainer.
Was sind die Unterschiede zwischen der Arbeit mit Serjical Strike und E1 Music?
Brett:
Das eine ist ein tatsächlich funktionierendes Label. Das andere ist mehr ein Ratgeber. Wir lieben Serjical und Serj, aber es war nicht der richtige Ort für uns und das Album.
Bisher war es mir nicht möglich, die Texte von „Arrows & Anchors“ zu lesen – was könnt ihr mir darüber erzählen? Was ist das Konzept dahinter?
Darroh:
Nun ja … ich bin ein bisschen zugeknöpft, wenn es um meine Texte geht. Das ist auch einer der Gründe, warum sie nicht in unseren Album-Booklets erscheinen. Was ich erzählen kann, ist, dass ich ein großer Fan von Wortspielen und Redensarten bin und versuche, beides einzubringen, wenn ich denke, dass es funktionieren könnte und kein unnötiger Overkill ist. Die Texte auf diesem Album sind ein bisschen kryptisch und indirekt und scheinen ein bisschen lose zu sein. Aber sie sind in einem geschlossenen Zusammenhang und nicht einfach dahingeklatscht, um eine Melodie zu unterstützen. Sie bedeuten mir eine Menge und dafür sind sie auch geschrieben … für mich. Sie müssen natürlich etwas sein, das ich mit Überzeugung singen kann, für mich wäre es also kontraproduktiv, für jemand anderes zu schreiben. Die Texte auf diesem Album kommen aus einem sehr dunklen und verzweifelten Ort. Dieses Mal gibt es nicht so viel Sonnenschein und Lollipops und das Textkonzept ist dieses Mal offen für die Hörer: Was sie mir bedeuten und was sie jemand anderem bedeuten sind zwei verschiedene Dinge und ich mag die Idee, dass jeder in der Lage ist, die Texte zu seinen eigenen zu machen.
Was inspiriert dich denn zu deinen Texten?
Darroh:
Ich schreibe einfach über das, was ich kenne und verstehe nicht wirklich, was es bedeutet inspiriert zu werden. Ich schreibe, wenn ich kann und scheine nicht allzu viel Ärger damit zu haben, Dinge auszuspucken. Ich schätze, ich habe zu jeder Zeit genug zusammengewürfelte Dinge in meinem Kopf, sodass ich keinen „Anstoß“ brauche, um anzufangen. Wenn ich sagen müsste, dass ich von etwas inspiriert wäre, würde ich sagen, dass es die Tatsache ist, dass sich jemand tatsächlich um das kümmert, was ich zu sagen habe, schätze ich. Egal, wie verrückt das ist.
Und wie schreibst du deine Lyrics? Immer und überall? Oder brauchst du eine bestimmte Umgebung, um Texte für FAIR TO MIDLAND zu produzieren?
Darroh:
Yup … ich schreibe meine Texte überall und nirgendwo. Ich bevorzuge es definitiv, alleine zu schreiben und dabei ein bisschen isoliert zu sein, aber es hat mich nie vom Schreiben abgehalten, wenn es nicht so war. Ich MUSS nicht in meiner Wohlfühlzone sein, um Lyrics zu schreiben. Musik ist da allerdings eine andere Geschichte.
Deine Lyrics haben immer Elemente von Märchen enthalten. Was ist dein privates Verhältnis zu Märchen, Legenden etc.?
Darroh:
Nun ja, was den Storytelling-Aspekt unserer Songs angeht bin ich ein Opfer meiner Erziehung, denke ich. Ich bin mit einer Menge Folk und Country Music um mich herum groß geworden, mein Storytelling-Ansatz ist also eher ein unbeabsichtigtes Nebenprodukt. Ich bin mir nicht sicher, warum ich diese Fixierung auf Legenden und Märchen habe. Die guten sind immer ein bisschen indirekt, düster und voll von Doppelbedeutungen. Sie haben diese naive und unschuldige Ebene, gepaart mit dunklen und verstörenden Untertönen. Und immerhin haben sie eine lange Zeit überstanden.
Und was für Zeug liest du sonst noch gerne? Hast du Lieblingsautoren, -romane, -dramen, -gedichte, … ?
Darroh:
Ich wüsste nicht, wo ich anfange sollte und habe auch seit einiger Zeit keinen Roman mehr gelesen. Ich bin ein riesiger Comic-Nerd. Ich liebe Eliot. Ich nehme aber aus allem, was ich lese, irgendetwas mit und kann da wirklich keine Lieblings nennen. Dickens ist ein Meister. Scheiße, das ist eine harte Frage.
Und inwiefern beeinflusst dich das, was du liest, wenn du Texte für FAIR TO MIDLAND schreibst?
Darroh:
Nichts, was ich lese, beeinflusst in direkter Weise, was ich schreibe. Ich schreibe auf die einzige Art, die ich kenne. Das Ergebnis mag nicht großartig sein, aber es ist aufrichtig und ich mag den Gedanken, dass es aufrichtig anders ist. Ich weiß, dass ich besser werde, je mehr ich schreibe, also schreibe ich einfach immer weiter. Dabei kommt das heraus, was dabei heraus kommt. Es geht um Musik. Mein Kram ist nicht Hawthorne, Auden oder Yeats … einfach nur Rock Musik.
Hier in Deutschland haben eine jede Menge Leute eine sehr klischeehafte Sichtweise auf eure Heimat Texas. Ich schätze, die meisten Leute würde bei Texas zuerst an Cowboys, wüstenähnliche Landschaften, Öl und eine starke konservativ-republikanische Lobby denken. Inwiefern könnt ihr Texas mit diesen Klischees identifizieren? Oder, mit anderen Worden: Was heißt Texas wirklich aus eurer Sichtweise? Und würdet ihr sagen, dass eure Herkunft eure Musik beeinflusst?
Brett:
Diese Dinge gibt es hier in Texas definitiv, aber das Ding ist, dass Texas ein wirklich riesiger Ort und von Ecke zu Ecke unterschiedlicher ist, als die meisten Leute denken. Wir kommen aus dem Nordosten von Texas und wir haben hier genauso viel grünes Gras und Bäume, wie jeder andere Ort auch. Unsere Hauptstadt, Austin, ist wahrscheinlich einer der liberalsten Orten im ganzen Land (jeder, der auf dem SXSW Music Festival gewesen ist, wird das bestätigen können).
Eine Sache, die ich durch das ganze Reisen mit der Band gelernt habe, ist, dass es überall so ziemlich dasselbe ist. Und nur sehr selten kommen Orte in die Nähe der Klischees, mit denen sie identifiziert werden.
Glaubt ihr, eure Biographie als Band, aber auch euer eigener, eigenständiger Sound würde heute anders aussehen (bzw. klingen), wenn ihr nicht in einer eher ländlichen Gegend wie Texas angefangen hättet, sondern in einer Metropole wie New York oder L.A.?
Brett:
Ich bin mir nicht sicher, ob wir in New York oder L.A. so einfach bemerkt worden wären. In der Gegend um Dallas anzufangen hat uns ein bisschen herausstechen lassen und die Leute sind darauf eingegangen. Wenn wir in einer anderen Stadt gewesen wären, wäre ich mir nicht sicher, ob wir nicht in der Masse verloren gegangen wären.
Das war’s soweit von mir – danke für eure Antworten. Habt ihr noch irgendwelche letzten Worte oder Kommentare?
Vielen, vielen Dank für deine Zeit und dein Interesse an unserer Band. Wir hoffen, dass wir diesen Spätherbst für eine Tour nach Deutschland kommen. Bis dahin!
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