Sweet 8 Bitterness
Nicht ohne meinen Game Boy
Interview
Game Boy, Floopy Disc, Vampire? Und wie kannst du eigentlich Musik mit deinem Game Boy machen? Alle Antworten im Interview mit dem Chiptune-Label SWEET 8 BITTERNESS.
Grüß dich Dennis, herzlichen Dank für die Zusage zu diesem spannenden und ungewöhnlichen Interview. Kannst du uns zu Beginn einen Überblick über SWEET 8 BITTERNESS und die darunter subsumierten Projekte NIHILISTIC VAMPIRE, NIHILISTIC WARLOCK und MUMMELRATZ geben? Gibt es weitere Projekte, die ich in diesem Kontext übersehen habe?
Moin Stefan, danke für dein Interesse an dem seltsamen Zeug, dass ich in die Welt haue! SWEET 8-BITTERNESS ist das Label; das Dach unter dem ich alles veröffentliche. Ins Leben gerufen, um meinen ersten musikalischen Erguss, NIHILISTIC VAMPIRE, unter die Leute zu bringen. Musikalisch gibt es bei mir nur Chiptune, genauer gesagt Dungeon Chip. Wer mit den Begriffen gerade gar nichts anfangen kann: Gameboy-Musik.
Anfangs war der Plan ausschließlich auf Game Boy-Cartridge zu veröffentlichen, meine Sucht nach Tapes hat dann aber Überhand genommen und mit dem Release von NIHILISTIC WARLOCK war es dann so weit – Veröffentlichung auf Cartridge, Tape und Floppy. Es wird in Zukunft auch Releases geben, die ohne Cartridge auskommen, da es zu viel guten Dungeon Chip da draußen gibt, der nicht für den Gameboy programmiert wurde, aber veröffentlicht werden muss! Sprich: auf Floppy und Tape – CDs kommen mir nicht ins Haus.
Bisher erschienen sind:
NIHILISTIC VAMPIRE – S/T (Gameboy Cartridge)
NIHILISTIC WARLOCK – COSMIC MELANCHOLIA (Gameboy Cartridge, Tape, Floppy)
MUMMELRATZ – KINDERMORD IM ZAUBERWALD (Gameboy Cartridge, Tape, Floppy)
Projekte übersehen hast du keins. Bis dato sind alle 3 in meinem Kopf entstanden, es sind aber bereits mehrere Alben und Singles anderer Dungeon-Chip-Musiker in Arbeit.
Da sicherlich nicht jeder Leser von metal.de etwas mit dem Genre Chiptune anfangen kann, kannst du uns ein wenig in deine Musik einführen? Wie bist du selbst zum Thema gekommen und seit wann bist du in der Szene aktiv?
Chiptune ist Musik, die mittels „primitiver“ Soundchips erzeugt wird, grob gesagt. Also alles was in frühen Konsolen, Handhelds und Computern verbaut war. Jeder der mal einen Gameboy in der Hand hatte, hat also schonmal Chiptune gehört (lacht). In der „klassischen“ Chiptuneszene selbst bin ich gar nicht aktiv. Ich bin durch Dungeon Synth zu dem Thema gekommen, genauer gesagt durch das Album „Bitmancer“ von FVRFVR. Dungeon Synth gemixt mit Chiptune – Dungeon Chip, genial!
Das Album hat bei mir die Initialzündung ausgelöst, mich damit zu beschäftigen, wie man überhaupt mit dem Gameboy Musik erzeugen kann. Zufälligerweise hatte ich kurz darauf Corona und war 2 Wochen in Quarantäne – in den 2 Wochen sind dann fast alle NIHILISTIC VAMPIRE Titel entstanden. „Kurz“ davor hab ich, bedingt durch die Lockdowns, begonnen einfach alles aufzuräumen und auszusortieren. Da mein alter Gameboy einfach verstaubt ist, ich aber wusste, dass es eine große Modding-Szene gibt, hab ich mich reingelesen wie ich den möglichst schick modden kann. Dadurch hab ich auch entdeckt, dass eben heute noch Spiele dafür entwickelt werden. Zack – Interesse geweckt – wie machen die das? Und dann kam eins zum anderen.
Ich denke Dungeon Chip(tune) ist nochmal deutlich „nischiger“ als Chiptune selbst. In der Dungeon Synth bzw. Dungeon Chip-Szene bin ich erst seit Anfang dieses Jahres aktiv.
Ich würde Chiptune daher, zumindest in der Form wie du diese Musik praktizierst, in den Kontext Dungeon Synth bzw. Dark Amient und damit mit Nähe zur Black-Metal-Szene einordnen. Mit NIHILSTIC VAMPIRE hast du zudem DARKTHRONE gecovert. Schließe ich also recht in der Deduktion, dass du wie viele Musiker und Fans der Dungeon-Synth-Szene über den Black Metal an diese Musik gekommen bist?
Korrekt, ich kam über Black Metal zu Dungeon Synth. Ich muss hier allerdings in die Bresche springen und festhalten, dass mein größter musikalischer Einfluss Oi! ist. Black Metal hat in den letzten Jahren nur vermehrt den Weg auf meinen Plattenteller gefunden – ich würde mich aber nicht als der Szene zugehörig bezeichnen. Mein musikalischer Werdegang ist ein Mix aus Oi!, Black Metal (sowie seiner vielen Unterarten) und EBM. Und irgendwo kommt dann elektronischer Black Metal gemischt mit Punk-Attitüde raus, anscheinend?!
Mit Dungeon Synth hatte ich meine Anlaufschwierigkeiten – ein Kumpel (Grüß dich, Palme) hat mich immer mal wieder auf die Musik aufmerksam gemacht, aber ich war mir lange nicht bewusst, wie umfangreich dieses Genre ist. Natürlich kannte ich die Ambient-Parts auf Alben wie „Filosofem“, nur wusste ich nicht, dass aus solchen Parts ein riesiges, eigenes Genre entstanden ist – und dass mir das auch noch so sehr gefallen könnte. Aber spätestens nach dem oben genannten Album „Bitmancer“ war ich gefangen.
Sucht man nach Dungeon Synth kommt man schnell auf Beispiele wie FIEF – und ich mach mir hier jetzt viele Feinde – mit dem ich absolut nichts anfangen kann. Mittelalterliche Ambient-Klänge sind einfach nichts für mich. Am anderen Ende des Spektrums stehen da Projekte wie EINHORN, die Harsh Noise mit Keyboard-Geklimper mixen. Und irgendwo dazwischen gibt es dann noch Raw Black Metal (GRIMDOR), Memphis Rap (OBSCURE CASTLE), Comfy Dungeon Chip (THE DARK OLD WIZARD), Raw Food Synth (KLETTTERMAX), und wer weiß was noch. Und das alles fällt am Ende unter das gleiche Genre „Dungeon Synth“. Ich glaube, ich habe zuletzt mit 14 derart viel Musik konsumiert wie in diesem Jahr. Wenn man diese Büchse der Pandora einmal geöffnet hat, gibt es kein Zurück mehr (lacht).
Dungeon Synth entstand ja aus den frühen Keyboard/Ambient-Parts von Black Metal Alben und daraus resultierenden Nebenprojekten. Bekanntestes Beispiel dürfte MORTIIS sein.
Wer aus dem BM kommt und noch keinen Anschluss an das Genre gefunden hat, dem kann ich die Releases von Narbentrage Produktionen ans Herz legen. Bei den Releases wird oftmals Raw Black Metal mit Dungeon Synth kombiniert. Für wen es mehr in die elektronische Richtung und teilweise Rap (ich mach mir hier schon wieder Feinde) gehen darf, der sollte mal bei Personal Uschi Records vorbeischauen. Grüße gehen raus!
„Kindermord im Zauberwald“ von MUMMELRATZ ist dein letztes Release und aus meiner Sicht auch das Unzugänglichste aus dem Sweet 8 Bitterness-Kontext. Kannst du uns mitnehmen in die Zeit der Entstehung dieses Albums und wie dein Angang an das Thema war?
Das hab ich jetzt öfter gehört! Mir selbst ist überhaupt nicht aufgefallen, dass das Album irgendwie „schwieriger“ wäre. Ich denke, die Lieder die mit MUMMELRATZ kamen, waren einfach das Ergebnis daraus, dass ich mit der Trackersoftware immer besser umgehen konnte. Aber stiltechnisch habe ich schon versucht, das Album auch im Horror-Thema zu verorten.
Aber wenn ich darüber nachdenke, sind auch die musikalischen Einflüsse andere gewesen zu der Zeit. Während ich bei NIHILISTIC VAMPIRE viel MEDWEGYA oder NIGHT OF THE VAMPIRE gehört habe, was durchaus einen spielerischen Charakter hat, lief bei der Entstehung von MUMMELRATZ mehr „Krach“ (lacht). Der MUMMELRATZ ist in der Gegend um Eisenach und Gotha der Kinderschreck. Kinder die sich nicht benehmen, zu spät draußen unterwegs sind oder nicht auf ihre Eltern hören, werden vom Mummelratz geholt! Das Lied „Nachtraben“ bezieht sich auf die gleichnamigen Vögel, die in Gotha des Nachts auftauchen, um diejenigen heimzusuchen, die noch unterwegs sind!
Die Thematik ist eine Mischung aus Nostalgie, Horror, Melancholie, Folklore. Thüringen ist geprägt durch WALD. Dörfer. Abgelegenheit. Wer einmal durch den Thüringer Wald gewandert oder gefahren ist, kann sich vorstellen, wie so ein Mummelratz dort umherstreift. Also „Kindermord im Zauberwald“ ist lediglich die Mischung aus der Umgebung in der man als Thüringer aufwächst und den Geschichten die man als Kind erzählt bekommt.
Aber abseits des „Kinderschreck“-Aspekts, versuche ich mich auch durch die Musik und Gestaltung der Alben kreativ auszuleben, und in meiner Gedankenwelt waren und sind Melancholie, Depressionen, eben die „dunklen“ (ich weiß wie bescheuert das klingt) Aspekte des Lebens, und Nostalgie ein nicht unerheblicher Teil. Bevor ich NIHILISTIC VAMPIRE gemacht habe, habe ich nie selbst Musik gemacht, und wäre dazu auch nicht in der Lage gewesen. Die Jahre davor waren eine krude Mischung aus Suff, Depression und der Scheiße, die man so macht, um damit klarzukommen. Ich denke, dass ich das irgendwie durch mein „künstlerisches“ Schaffen verarbeite.
Das Lied „Kein Morgen“ ist ein Cover des Titels „Not Tomorrow“ von AKIRA YAMAOKA, aus dem SILENT HILL-Soundtrack. Ich habe das Spiel erst vor ein paar Jahren durch meine Freundin entdeckt, und es hat einen starken Eindruck bei mir hinterlassen. Der Ort SILENT HILL ist ja nur eine Metapher, für den psychischen Zustand, in dem sich der Protagonist befindet. Vielleicht könnte man sagen, dort wurde die Grundlage für MUMMELRATZ gelegt (lacht).
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Ganz interessanter Artikel! Dungeon Chip muss ich ehrlich sagen, ist neu für mich. Liegt daran, da mir das Zeugs, so spannend und kreativ ich es auch finde, doch etwas zu schräg ist. ich bin auch eher ein Zeitgenoße des 16 Bit Sounds, besonders Musik die bei Spielen auf dem Amiga uns SNES begleitet wurden, haben sich in meine Gehörgänge gebrannt. Chiptune, Dungeon Chip und wie das Zeugs alles heißt, absoluter Geek Faktor und dann noch auf Cartridges veredelt, das ist schon ziemlich abgedrehte Kunst.
Ach ja, und dann haben Personen hier darüber gelacht, als ich in einer vergangenen Diskussion den eindeutigen Bezug zwischen DS und BM gezogen habe. Lest den Artikel und verstummt, wäre mein Vorschlag.
Einen gewisse Trash-Charme will ich dem nicht absprechen und irgendwie lustig ist es auch, aber ernsthaft Kunst? Muss (natürlich) jeder selber entscheiden. Heutzutage kann ja alles Kunst sein und wenn irgendeine Verbindung, selbst um 666 Ecken, zum Black Metal besteht, dann für manche sowieso.
Hier werden viel einzelne Elemente, die häufig gar nicht so im Einzelnen betrachtet werden, zu einem Gesamtkunstwerk verwoben. Bei vielen Metal Bands – und ich nenne jetzt kein spezielles Label – geht es doch darum, immer das Maximale herauszuholen, sei es aus der Produktion, musikalisch, vielleicht auch visuell… je teurer, je größer, je moderner, je Maximaler, desto besser. Genau das ist für mich keine künstlerisch ansprechende Herangehensweise. Dieses Dungeon Dings Zeugs hat dagegen ein rein künstlerisches Ziel vor Augen, dazu zählt natürlich auch ein großer Batzen Nostalgie. Darauf aufbauend wird in jeder einzelne Facette darauf hingearbeitet, diesem künstlerischne Anspruch gerecht zu werden, ohne jedwede Kompromisse einzugehen. Ob man das als künstlerisch wertvoll ansehen möchte, sei jedem selbst überlassen, aber die Herangehensweise entspricht für mich dem, wie ich wertvolle Kunst definiere.
In maximal oder minimalistisch selber liegt keine eigene Qualität. Es kommt auf den Einzelfall an. 😉