While Heaven Wept
Interview mit Tom Phillips zu "Fear Of Infinity"

Interview

Mit „Fear Of Infinity“ ist WHILE HEAVEN WEPT – trotz des diesmal fehlenden Überraschungseffekts – das schier unmögliche gelungen: Das Album übertrifft seinen bereits bärenstarken Vorgänger „Vast Oceans Lachrymose“ noch einmal. Dabei zünden beide Alben nicht auf Anhieb sondern bedürfen einer intensiven Auseinandersetzung seitens des audiophilen Zuhörers. Im Interview verrät uns Band-Kopf Tom Phillips einiges über die Entstehungsgeschichte des neuen Albums, seinen Bezug zum Vorgänger und wagt sogar einen Ausblick auf die mögliche Zukunft von WHILE HEAVEN WEPT.

While Heaven Wept

While Heaven Wept

Hallo Tom. Zunächst einmal Gratulation zu eurem neuesten brillanten Geniestreich! Wenn du „Fear Of Infinity“ mit „Vast Oceans Lachrymose“ vergleichst, wo siehst du die wesentlichen Unterschiede?

Danke für die Blumen, ich freue mich, dass dir das neue Album gefällt! Insgesamt ist „Fear Of Infinity“ ein wesentlich düstereres Album als „Vast Oceans Lachrymose“ – sowohl in musikalischer als auch in lyrischer, atmosphärischer und emotionaler Hinsicht. Spieltechnisch gesehen ist es weniger offensichtlich progressiv, weist dabei aber komplexere harmonische Strukturen auf und durchbricht immer noch die Grenzen eines einzelnen Genres. Es erinnert auch öfter an den Sound der älteren WHILE HEAVEN WEPT-Veröffentlichungen als „Vast Oceans Lachrymose“, aber mit deutlich erwachsenerem Ergebnis. Es ist ein sehr rohes, direktes und emotional intensives Album, das man definitiv einige Male hören muss, um es wirklich schätzen zu können.

Hier in Deutschland wurde „Vast Oceans Lachrymose“ geradezu enthusiastisch aufgenommen. Hast du damit gerechnet, dass so viele Leute das Album in ihr Herz schließen würden? Und wie sieht die Sache in eurer amerikanischen Heimat aus?

Wir hatten absolut keine Ahnung, wie die Leute auf „Vast Oceans Lachrymose“ reagieren würden, da seit dem „Of Empires Forlorn“-Album ja auch stolze sechs Jahre vergangen waren. Stilistisch war es deutlich vielschichtiger als alles, was wir je zuvor gemacht hatten, das, was noch an Doom-Elementen übrig blieb, war minimal, zudem war es unsere erste Scheibe mit einem neuen Sänger (dem großartigen Rain Irving – Anm. d. Red.) – und das, nachdem ich achtzehn Jahre lang selbst den Gesang übernommen hatte. Daher hätten die Reaktionen wirklich in jedwede Richtung gehen können – aber eigentlich waren wir uns sicher, dass das Feedback hauptsächlich negativ ausfallen würde. Dass es dann ganz anders kam, war eine echte Überraschung und ziemlich einschüchternd. Die Sache ist, dass wir unsere Entscheidungen niemals von Rezensionen oder anderer Leute Meinungen abhängig machen können – egal ob diese gut oder schlecht ausfallen. Diese Musik ist so persönlich und aus dem tiefsten Inneren heraus notwendig, dass wir immer in erster Linie uns selbst treu bleiben müssen – und das sind wir auch immer gewesen. Was die Reaktionen in den USA angeht, weiß ich, dass wir „einige“ Fans gewonnen haben, aber das Album wurde von der Mainstream-Presse größtenteils nicht weiter beachtet und in einigen Fällen sogar verlacht, was natürlich zu erwarten war; in diesem Land geht es immer nur um den Musikstil, der gerade angesagt ist, daher haben wir hier offiziell auch nie etwas veröffentlicht (abgesehen von der ersten Mini-CD und einigen seltenen 7″-Scheiben). Einige kleinere Webzines und Einzelpersonen haben „Vast Oceans Lachrymose“ aber begeistert aufgenommen, außerdem hat es uns den Gig auf dem zwölften „ProgPower USA“-Festival im kommenden September eingebracht, insofern war es nicht komplett für die Katz‘ – und darüber hinaus könnte es das auch gar nicht sein, wenn man bedenkt, was es mir selbst emotional und mental gebracht hat, wenn ich an die damit verbundene Katharsis denke.

Ich schätze, viele Labels dürften bei euch in den letzten Monaten Schlange gestanden haben, um euch unter Vertrag zu nehmen. Warum habt ihr euch letztlich dafür entschieden, bei Nuclear Blast zu unterschreiben?

Wir haben uns viele Monate lang ziemlich gründlich mit Nuclear Blast unterhalten; dabei wurden Freundschaften geschlossen, und als sie uns schließlich ein Angebot unterbreiteten, wussten sie bereits sehr genau, was nötig wäre, damit wir einen Vertrag unterschreiben würden, nachdem wir zwei Jahrzehnte lang die Zügel selbst in der Hand behalten hatten (alle bisherigen WHILE HEAVEN WEPT-Releases haben wir selbst finanziert und an frühere Geschäftspartner lizensiert). Bedenkt man, dass Nuclear Blast eindeutig das stärkste Metal-Label der Welt sind und sie uns genau das geboten haben, was wir haben wollten, haben wir den Deal ohne zu Zögern angenommen. Dennoch haben unsere Anwälte natürlich noch monatelang über die genauen Vertragsbedingungen verhandelt, haha!

Als ich dich das letzte Mal zu „Vast Oceans Lachrymose“ interviewt habe, hast du mir erzählt, dass „Fear Of Infinity“ schon fertig geschrieben war. Haben sich an dem Material während des Produktionsprozesses noch irgendwelche Änderungen ergeben? Oder ist das fertige Album genau so geworden, wie du es dir vorgestellt hattest?

In musikalischer Hinsicht ist „Fear Of Infinity“ mehr oder weniger mit dem identisch, wie es geklungen hätte, wenn wir die Songs gemeinsam mit denen vom „Vast Oceans Lachrymose“-Album aufgenommen hätten; im Hinblick auf die Texte wurde „Fear Of Infinity“ jedoch erst im frühen Herbst 2010 fertig gestellt, nachdem eine weitere Romanze zu einem Ende gekommen war (obwohl die Texte nicht auf diese anspielen, sondern auf jene, die schon der emotionale Katalysator für „Vast Oceans Lachrymose“ war). Wir haben noch ein paar Akkordfolgen geändert, um sicherzustellen, dass die Gesangsmelodien einen natürlichen Fluss hatten – ein Luxus, den wir uns auf dem vorigen Album nicht leisten konnten (Rain ist der Band ja erst einige Jahre, nachdem die Basis-Tracks für „Vast Oceans Lachrymose“ bereits aufgezeichnet waren, beigetreten). Letzten Endes ist „Fear Of Infinity“ genau dasselbe Album geworden, das wir gemacht hätten, unabhängig davon, ob wir es für Nuclear Blast oder für Cruz Del Sur Music machten, weil es aus einer echten emotionalen Notwendigkeit heraus entstanden ist.

Während für mich „Vast Oceans Lachrymose“ noch völlig aus dem Nichts kam, lag die Erwartungshaltung für das neue Album ziemlich hoch. Da aber das Material schon fertig geschrieben war, dürftet ihr euch in einer ziemlich komfortablen Situation befunden haben, als es darum ging, einen würdigen Nachfolger zu schaffen.

Wir haben ja nicht das Bedürfnis, uns in musikalischer Hinsicht selbst zu wiederholen; es wird niemals ein „Vast Oceans Lachrymose Part 2“ oder eine „Of Empires Forlorn V.2“ geben. Ich hoffe, dass beim Blick auf unsere gesamte Discografie deutlich wird, dass jede Veröffentlichung eine komplett eigenständige Einheit bildet, die eine individuelle Atmosphäre und einen eigenen Charakter aufweist. Sicherlich gibt es Parallelen zwischen ihnen, da sie alle dieselben Einflüsse aufweisen, aber in unterschiedlichen Verhältnissen. Was die von dir angesprochene „komfortable Situation“ angeht, kann ich nur sagen, dass wir die mächtige Katharsis des „Fear Of Infinity“-Materials stets genossen haben; es verlangt uns auf eine sehr „körperliche“ Weise genauso viel ab wie emotional, es also live zu spielen… nun, wir geben da unser Bestes! Was ich damit sagen will, ist, dass die Verbundenheit mit diesem Material besonders greifbar war, und obwohl wir wussten, dass wir im Prinzip unsere „stählerne Liebkosung“ als unser Major-Debüt einreichen, war es in emotionaler Hinsicht genau das, was ich brauchte, um mit meinem Leben weiterzumachen.

Habt ihr auch wieder bereits das Material für euer nächstes Album fertig geschrieben? Oder müsst ihr diesmal beim Songwriting komplett von vorne beginnen?

Auf „Fear Of Infinity“ ist als jüngster fertiggestellter Song „Finality“ enthalten, dessen Musik etwa 2008 entstanden ist (die Texte erst 2010). Und bedenkt man dass die Ereignisse in meinem Privatleben, die die Spitze dieses ganzen Prozesses bildeten, Anfang 2009 stattfanden, kannst du dir sicher sein, dass eine wahre Flut an neuem Material seitdem neu entstanden ist. Um es also kurz zu machen: Ja, ich habe genug Stoff für ein weiteres Album in den Startlöchern stehen, aber vielleicht fangen wir trotzdem wieder ganz von vorne an, falls es neue Inspirationen in meinem Leben gibt. Zumindest könnten wir quasi sofort mit den Arbeiten an einem neuen Album starten, wenn die Notwendigkeit bestünde, aber einiges von dem Material ist noch so neu… Es ist das beste, eine Weile „mit ihm zu leben“ und ihm zu gestatten, dabei wenigstens noch eine Weile lang zu reifen.

Ich finde, man kann hören, dass „Fear Of Infinity“ im selben Zeitraum wie „Vast Oceans Lachrymose“ entstanden ist. Beide Alben klingen, als wären sie Brüder, die zwar unterschiedlich sind, aber doch dieselben genetischen Wurzeln teilen. Wird das nächste Album so etwas wie der „dritte Bruder“ dieser beiden oder denkst du, dass es eine andere musikalische Richtung einschlagen wird?

Am besten lässt sich die Beziehung zwischen „Vast Oceans Lachrymose“ und „Fear Of Infinity“ wie folgt beschreiben: Das erste war der Beginn eines Heilungsprozesses für mich… die ersten Stufen der Trauer: Schock und Unglaube, gefolgt von Verleugnung und Täuschung. Dagegen beginnt „Fear Of Infinity“ mit Zorn, der sich zu Verzweiflung entwickelt und schließlich, ganz am Ende, Akzeptanz widerspiegelt. Das war für mich ein sehr realer Prozess, den durch diese Musik zu durchlaufen mir vor der Fertigstellung von „Fear Of Infinity“ überhaupt nicht bewusst war – tatsächlich war es Rain, der es als erstes bemerkte, aber inzwischen erkenne ich es klar und deutlich… und ich FÜHLE die Befreiung. Vor diesem Hintergrund wird das, was als nächstes kommt, natürlich nichts mit den letzten beiden Alben zu tun haben und wenn wir das Material verwenden, das ich bereits auf Halde liegen habe, kann ich euch versprechen, dass wieder alles anders werden wird… musikalisch, atmosphärisch und emotional.

Eure älteren Veröffentlichungen konnte ich mir immer noch nicht besorgen (zumindest nicht zu einem normalen Preis). Bis ich letztes Jahr erfahren habe, dass es da Re-Releases gab, waren die Dinger schon wieder ausverkauft. Besteht die Chance, dass eure bisherigen Scheiben nun bei Nuclear Blast noch einmal wiederveröffentlicht werden?

Zunächst einmal der Hinweis an dich und alle andere, die die Reissues der früheren Alben suchen, dass ich noch ein paar übrigen Kopien davon habe und alles, was ihr tun müsst, um sie zu bekommen, ist, mich direkt zu kontaktieren; ich für meinen Teil biete die Dinger auch immer noch zum „regulären“ Preis an! Im Hinblick auf mögliche Wiederveröffentlichungen bei Nuclear Blast: Falls wir die Zusammenarbeit nach „Fear Of Infinity“ fortsetzen werden (die Entscheidung liegt dabei weniger in der Hand von WHILE HEAVEN WEPT, sondern vielmehr bei NUCLEAR BLAST), sind die alten Scheiben alle Bestandteil des Deals. Aber es wird sie dann in völlig überarbeiteten Versionen geben, mit neuen Aufnahmen, neuem Mix und neuem Mastering… also stark erweiterte Fassungen, die weniger den Originalveröffentlichungen gleichen, sondern endlich die Umsetzung dessen sein werden, was ich dabei schon immer in meinem Kopf hatte. Hoffen wir also, dass wir die Chance haben, das gemeinsam mit Nuclear Blast umzusetzen, denn das ist genau das, was ich mir für unser „Vermächtnis“ wünsche.

Eure Show beim letztjährigen „Hammer Of Doom“-Festival (die ihr ja auch vor einigen Monaten auf der „Triumph:Tragedy:Transcendence“-DVD veröffentlicht habt), war ziemlich beeindruckend. Können wir darauf hoffen, euch bald wieder live hier in Deutschland zu sehen? Wird sich der Support durch ein großes Label auch in umfangreicheren Tour-Aktivitäten in diesem Jahr niederschlagen?

Tatsächlich sind wir schon dieses Wochenende in Deutschland und spielen wieder auf dem fünften „Hammer Of Doom“-Festival! Das findet natürlich wieder einmal in der Würzburger Posthalle statt, am 16. April, und wir sind schon total aufgeregt deswegen! Darüber hinaus spielen wir Ende Mai, Anfang Juni einige weitere Shows in Deutschland auf der Tour mit PRIMORDIAL und ALCEST… eine der Shows ist das „Metalfest Open Air“. Wir können leider nur eine gewisse Zahl von Shows im Jahr spielen, da mehr als die Hälfte der Band wichtige berufliche und familiäre Verpflichtungen haben, wenn jemand also noch überlegt, ob er zu einer der bestätigten Shows kommen will, sollte er die Gelegenheit nutzen, denn wir wissen nicht, ob wir in absehbarer Zeit wieder zu euch auf Tour kommen können. Ich bin mir sicher, dass wir als Teil der Nuclear-Blast-Familie bessere Touring-Angebote bekommen, aber letztlich sind es „Rock The Nation“, die alle unsere Bookings regeln.

Gibt es zum Schluss noch etwas, dass du euren Fans hier in Deutschland gerne noch mitteilen möchtest?

An alle in Deutschland – dem METAL-igsten Land im Universum – danke für euren überwältigende Support für WHILE HEAVEN WEPT über viele Jahre hinweg. Danke, dass ihr uns zu euch kommen lasst und uns die Chance gebt, für euch zu spielen – die Shows sind tatsächlich nur für euch! Ich hoffe, dass ihr „Fear Of Infinity“ die mehrmaligen Hördurchgänge geben werden, die nötig sind, um es wirklich beurteilen zu können; es ist kein „leichtes“ Album, sondern so tiefgängig wie es nur von ganzem Herzen und mit ganzer Seele werden kann!

While Heaven Wept

11.04.2011

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