Behemoth
Im Gespräch mit Nergal über "Opvs Contra Natvram" und die menschliche Freiheit
Interview
Kurz vor der Veröffentlichung ihres neuen Albums „Opvs Contra Natvram“ haben wir uns einen gut aufgelegten und redseligen Nergal für ein Gespräch über das neue Werk seiner Hauptband BEHEMOTH, den Kampf für Freiheit und straffes Tourprogramm geschnappt. Was bei der Unterhaltung mit dem charismatischen Satansbraten herausgekommen ist, erfahrt ihr innerhalb der nächsten zwei Seiten.
Hey Nergal, schön, dass wir die Gelegenheit haben uns zu unterhalten und ich freue mich schon sehr auf das Gespräch. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass es echt schlauchen kann, wenn man so viele Interviews am Stück führt und oft die gleichen Fragen gestellt bekommt.
Nein, Nein, nicht unbedingt. Du wärst überrascht. Manche Interviews nehmen echt interessante Wendungen und sind nicht wirklich immer das Gleiche. Und ich bin glücklich, dass ich das sagen kann. Vielleicht liegt es am momentanen Stand der Dinge. Ich habe den Eindruck, dass dies das erste Album ist, bei dem wir natürlich über Musik usw. reden, aber manchmal wird auch über existenzielle Dinge gesprochen und Politik nimmt immer mehr Raum ein. Über Musik wird da nicht mehr ganz so viel geredet. Das fühlt sich seltsam an, ist aber auch sehr real. Viele Leute machen sich Sorgen über Dinge, über die man sich tatsächlich Sorgen machen sollte.
Da wir das Thema gerade ansprechen, wie ist denn die momentane Stimmung in Polen? Jeder weiß, dass der Krieg in der Ukraine schlimm ist, aber ihr seid viel näher an dessen Grenzen, als zum Beispiel wir hier in Deutschland.
Also, das betrifft uns natürlich schon, aber traurigerweise fängt man an sich daran zu gewöhnen. Leider, denn man sollte sich bewusst sein, dass die Situation dort nicht besser wird und es für die Bevölkerung wirklich schlimm ist. Das sollten die Leute nicht außer Acht lassen. Ich weiß nicht, ob du es bemerkt hast, aber ich nutze diese Plattform mit unserer Band und unseren Auftritten, um über das Thema zu reden. Ich rede auch über Frauenrechte. Das ist eine Sache, bei der ich denke, dass es sehr wichtig ist darüber zu sprechen und die nicht ignoriert werden darf. Auch wenn das jetzt alles nicht wirklich „Black Metal“ ist. Aber was ist denn „Black Metal“? „Hail Satan“ ist einer der meistgenutzten Slogans meiner gesamten Karriere. Es fühlt sich für mich einfach natürlich an das zu sagen. Warum? Weil Satan für mich immer ein Sinnbild für Freiheit war. Es wird immer für menschliche Freiheit stehen.
Aber was heutzutage mit Menschenrechten geschieht, ist eine starke Verletzung dieser Rechte. Also möchte ich „Hail Satan“ für ein „Erhebt euch für Frauenrechte“, oder ein „Erhebt euch für die Ukraine“ tauschen. Es hat die gleiche Bedeutung, ist aber deutlicher. „Satan“ ist eine Metapher und ist mehr universell. Aber ich werde immer die Seite wählen, die sich für mich richtig anfühlt. Ich wette, es gibt immer noch Leute, die denken: „Es ist die Schuld der Ukraine“, oder „die Frauen sind schuld“. Nein! Ich denke, dass es das Gegenteil ist. Das ist meine Sicht der Dinge und ich bin sicher, dass ich da richtig liege. Ich denke, dass ich mit „Opvs Contra Natvram“ erwachsener geworden bin. Mit all dem, was um uns herum geschieht und dreißig Jahren Bandgeschichte, geht es jetzt nicht mehr nur um Metaphern. Es geht nicht mehr nur um die Bilder, die ich in unseren Songs darstelle. Ich versuche immer eine wichtige Botschaft durch meine Songs zu verbreiten. Es fühlt sich an, als ob die Botschaft dieses Mal am stärksten ist.
Ich denke, es ist sehr gut, dass du diese Themen ansprichst. Denn viele Leute in der Metal-Szene und vor allem im Black Metal, scheinen sich da komplett raushalten zu wollen.
Nicht nur in der Black-Metal-Szene, sondern auch generell in Szenen. In der Rock-Szene ebenso. Aber ich muss sagen, als ich GUNS N‘ ROSES und JUDAS PRIEST live gesehen habe, haben sie massiv Solidarität mit der Ukraine gezeigt. Oder als ich THE CULT gesehen habe, hat Ian Astbury über Frauenrechte gesprochen. Das macht mich nur zu einem noch größeren Fan dieser Bands. Das gibt mir den Eindruck, dass diese Leute sich der Situation bewusst sind und sich darüber Gedanken machen. Da geht es dann nicht nur noch einzig um Entertainment. Denn wir sind nun mal Entertainer. Wir gehen auf die Bühne, um euch ein Lächeln zu bescheren und euch zu unterhalten. Aber auf der anderen Seite, habe ich auch eine Mission. Ich bin so eine Art Missionar. Das Wort macht natürlich direkt einen religiösen Eindruck. Ich bin natürlich kein religiöser Mensch, aber ich bin trotzdem ein Missionar. Ich verbreite eine Botschaft, aber es ist die Botschaft der Freiheit, der Selbstbestimmung und des Selbstbewusstseins.
Das ist besser, als ein religiöser Missionar zu sein. Liegt es denn auch an der heutigen Zeit, dass das neue Album sich aggressiver und roher anhört, als die beiden Alben davor? Die sind natürlich großartig, aber halt auch ein bisschen eingängiger und das neue Album hat bei mir ein bis zwei Anläufe mehr gebraucht. Das hat sich dann aber letztlich umso mehr gelohnt.
Ja, dieses Album wurde in der Isolation des Lockdowns geboren. Es war dazu bestimmt wütender und aggressiver zu sein. Ich liebe die letzten drei BEHEMOTH-Alben (das neue Werk eingeschlossen) und halte sie für das Beste, das wir gemacht haben. Alle drei Alben sind für mich gleich großartig. Vielleicht bilden sie sogar eine Art Trilogie. „Evangelion“ ist ebenfalls richtig, richtig stark. Es ist sicher eins unserer besten Alben und „Demigod“ auch. Aber die letzten drei sind die stärksten BEHEMOTH-Alben. „I Loved You At Your Darkest“ hatte diese Momente wie „Bartzabel“, die echt cool waren und die ich einfach machen musste. Das ist vielleicht die allererste, oder vielleicht sogar die einzige BEHEMOTH-Ballade (lacht).
Ja, das könnte man echt so sagen.
Aber es ist eine Ballade ohne weich zu werden. Es ist wie bei BATHORY. Songs, die sehr ruhig, aber trotzdem immer noch düster und großartig sind. Ich musste sowas einfach machen, aber dieses Mal wollte ich das nicht. Zuerst gab es Leute, die sich beschwerten, dass BEHEMOTH zu soft werden und sich dachten „Oh Shit, gibt es auf dem nächsten Album dann „Bartzabel“-Part 2?“. Fuck, No! So ticken manche Leute. Es gibt hier kein „Bartzabel“-Part 2, aber dafür „The Deathless Sun“-Part 1. Und auf dem nächsten Album gibt es dann wieder etwas anderes. Ich weiß nur zu diesem Zeitpunkt noch nicht, was es wird. Ich weiß noch nicht mal, ob es überhaupt einen Nachfolger gibt.
Aber extreme Zeiten verlangen eine extreme Musik. So sehe ich das und ich hoffe, dass das Album bei den Leuten gut ankommt. Denn es gibt so viel Spannung darin. Ich weiß noch, als ein Freund von mir das Album hörte und mir eine Nachricht schrieb, dass er doch zwischendurch auch mal durchatmen müsse. Es geht nur Schlag auf Schlag und dann kommt „Versvs Christvs“, das in Richtung Gothic geht. Aber auch nur für die ersten zwei Minuten, dann wird es zu einem echten Riff-Tornado und endet mit einem epischen Knall.
Das Album schlägt in alle Richtungen und hat dabei immer noch reichlich Hooks. „Once Upon A Pale Horse“ ist mein persönlicher MANOWAR-Tribute. Bis zu einem bestimmten Punkt ist das schon Power Metal. Ich bin zwar kein großer Power Metal-Fan abgesehen von RUNNING WILD, HELLOWEEN und MANOWAR, aber es gibt da diese bombastischen Parts. Manche der schnellen, aggressiven Parts erinnern wiederum an „Evangelion“ und sind eine Hommage an unsere Death-Metal-Roots. Mir haben auch Leute gesagt, dass „Malaria Vvlgata“ mit seinen ca. zwei Minuten schon fast Punk ist. Ich mag diesen Vergleich, da ich ein großer Punk-Rock-Fan bin. Der Song hat die gleiche Energie und klingt, als ob er kurz davor steht die Kontrolle zu verlieren und auseinanderzufallen.
Wir haben uns wirklich viel Mühe gegeben, dass „Opvs Contra Natvram“ sehr organsich klingt. Viele der Sachen, die ich heutzutage höre, verlieren irgendwie den Gefahrenfaktor. Von einer Extrem-Metal-Band erwarte ich einen gefährlichen Vibe. Ich nenne dir jetzt mal ein paar Alben, von denen ich persönlich denke, dass sie diesen Gefahrenfaktor haben: das erste Album und „Legion“ von DEICIDE, „Iowa“ von SLIPKNOT und „God Hates Us All“ von SLAYER. Diese Alben oder auch „Roots“ von SEPULTURA. Auch wenn es nicht die ganze Zeit über schnell ist, sondern eher Midtempo. Der Sound dieser Alben klingt, als ob er aus den Boxen kommt, dich am Hals packt und gegen die Wand schleudert.
Das gleiche Bild hatte ich auch im Kopf.
Ja, genau danach haben wir gesucht. „I Loved You At Your Darkest“ hatte das nicht so wirklich. Es war mehr glattpoliert und kontrollierter. Ich sichergehen, dass das neue Album komplett anders ist, als die letzten beiden, aber immer noch BEHEMOTH. Es ist also ein sehr rohes Album geworden, hat aber trotzdem noch eine Produktion mit großem Budget. Wir hatten Joe Barresi, eine Legende unter Mixern und Produzenten. Der Mann ist bekannt für seine Arbeit mit NINE INCH NAILS, QUEENS OF THE STONE AGE, SLIPKNOT, MONSTER MAGNET und viele, viele mehr. Nicht unbedingt Extreme Metal, aber ich wollte einen Produzenten mit einer Rock-Ästhetik. Er machte eine großartigen Job. Wenn du genau hinhörst, entdeckst vor allem beim Gesang viele verschiedene Nuancen. Nichts wiederholt sich, nichts ist vorhersehbar und außerdem ist jeder Song ein bisschen anders, als der andere. Hier steckt der Teufel so zu sagen im Detail (lacht).
Ich denke, das beschreibt es sehr gut. Als ich es das erste Mal hörte, war es genau das Gefühl, das ich hatte. Wie du schon sagtest, war „I Loved You At Your Darkest“ sehr eingängig und clean. Und das nicht mal im schlechten Sinne, denn ich liebe dieses Album. Das neue Album klingt aber halt wirklich roher und chaotischer, jedoch gibt es auch mehr Tiefgründiges.
Richtig, aber versteh mich nicht falsch. Ich denke, dass es viele großartige Dinge auf „I Loved You At Your Darkest“ gibt. Ich liebe „Ecclesia Diabolica Catholica“, „Bartzabel“ und „God=Dog“. Wir haben alles aus diesem Album herausgeholt. Wir haben so viele Singles daraus veröffentlicht und den Großteil des Albums auf Tour gespielt. Es ist ein großartiges Album, ich bin sehr stolz darauf und das gilt auch für „The Satanist“. Mit dem neuen Album werden wir es genau so machen und ein Statement setzten. Wenn ich mich so umschaue, ploppen jeden Tag so viele neuen Alben auf. Ich kann damit nicht umgehen, es ist zu viel.
Ich denke, der einzige Weg um heutzutage ein Statement zu setzten ist, sich bewusst zu machen, dass man gerade das Werk seines Lebens erschaffen hat und dann Gas zu geben. Man muss die Dinge direkt vor dem Gesicht der Leute veröffentlichen, sich weiterentwickeln und besser werden. Wenn du eine Show, oder eine Tour spielst und sie es nicht wirklich begreifen, musst du verdammt noch mal zurückkommen und so lange alles geben, bis sie es begreifen. Die Musik Schlag auf Schlag in die Köpfe der Leute hämmern. Das ist unser Plan und warum ich nicht still sitzen kann. Ich freue mich schon so sehr darauf, die Musik auf die Bühnen von Europa und Südamerika bringen zu können und hoffentlich nächstes Jahr im Sommer eine große Festivaltour zu machen.
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05.04.25 | Behemoth - "The Unholy Trinity" European Tour 2025Behemoth, Satyricon und Rotting ChristZenith, München |
06.04.25 | Behemoth - "The Unholy Trinity" European Tour 2025Behemoth, Satyricon und Rotting ChristColumbiahalle, Berlin |
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>Weil Satan für mich immer ein Sinnbild für Freiheit war. Es wird immer für menschliche Freiheit stehen.<
Nicht im religiösen Kontext und da man sich dieser Bildsprache bedient, kann man das nicht ausklammern, nach dem Motto: Für mich ist die Erde eine Scheibe. Jedenfalls nicht, wenn man schlüssig argumentieren will.
Wäre es nicht klüger, Freiheit dann einfach Freiheit zu nennen, ohne archaische Symbolik, die nur auf Nebenschauplätze führt, wenn einem das ein echtes Anliegen ist?
Naja, (Black) Metal ist halt keine Wissenschaft und den meisten wird's eh egal sein..