Herbstlethargie - Melancholie Im Blattfall

Review

Kühles Getränk, kalte Dusche, wieder ab an den Laptop. Das Gleiche erneut in derselben Reihenfolge. Bei Außentemperaturen nahe der 40°Celsius dieser Tage sicherlich keine Ausnahmehandlung in deutschen Wohnräumen. In der Anlage rotiert „Melancholie Im Blattfall“ vom Ein-Mann-Projekt HERBSTLETHARGIE. Depressive Black Metal. Passend. Kopf hinter dem Ganzen ist Multiinstrumentalist Herbst, der im Wesentlichen durch seine Tätigkeit an den Drums bei GERNOTSHAGEN bekannt sein dürfte. Prominente Unterstützung erhält dieser durch Alboîn (u.a. EÏS) an den Gitarren, sowie durch zwei weitere Protagonisten für Guest Vocals und Cello.

Von Vogelgezwitscher zum Schneestapfen

Auch wenn es mit dem sechsten Titel des Albums sogar als Song erfasst wurde („Von Herbst Zu Winter“), befassen sich HERBSTLETHARGIE musikalisch mit dem Fortschreiten der Jahreszeiten zum Ende eines Kalenderjahres. Im wahrsten Sinne des Wortes, da im Rahmen von Samples auch so verwendet, von Vogelgezwitscher zum Schneestapfen. Beginnend mit „September“ markiert das treibende Hauptriff die Vergänglichkeit – das Ende eines Blütezeitraumes. Dies verkündet der Song mit kühl windigen Passagen und den beklemmenden Schreien von Herbst, wechselt dabei immer mal wieder in gemäßigtere Regionen ohne den Hang zum Trademark-Riff zu verlieren. Auch „Umschwung“ beginnt tosend, ungezügelt. Wie schon beim Opener fühlt man sich stellenweise an WOODS OF DESOLATION erinnert.

Die schiere Intensität und die greifbare Melancholie gerade der weniger galoppierenden Parts geht HERBSTLETHARGIE im Vergleich zu den Australiern aber ein wenig ab. Das führt letztendlich auch dazu, dass auf „Melancholie Im Blattfall“ das Gesamtkonzept zwar einen gelungenen Eindruck macht, die emotionalen Brecher allerdings ausbleiben. Allen, die auf eine starke Präsenz von Duduk (armenische Flöte) oder Cello als metalferner Instrumentierung gehofft hatten, muss man hier ebenfalls eine Absage erteilen. Tatsächlich lag die Annahme u.a. angesichts der Partizipation von Alboîn, dessen ehemaliges Sideprojekt FERNDAL durchaus durch entsprechende Elemente überzeugen konnte, nicht unbedingt fern.

„Melancholie Im Blattfall“ als stereotypische DSBM-Platte

„Melancholie Im Blattfall“ ist letztendlich aber eine eher stereotypische Platte im Depressive-Black-Metal-Bereich geworden und die genrefernen Einsprengsel bleiben das, was sie sind – Einsprengsel. Spätestens mit „In Unendlichen Himmeln“ zeigen HERBSTLETHARGIE dann, auch von der gesamten Songanlage her betrachtet, ihre schwerfällige, schleppende Seite, die ansonsten eher partiell Anklang findet. Da die ganz großen Arrangements fehlen, braucht das Thüringer Projekt ein wenig, um die Strahlkraft ihres Erstwerkes entfalten zu können. Unterm Strich gelingt das aber und Herbst zieht die selbstbetitelte Jahreszeit um einige Wochen nach vorne.

20.08.2022

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