KISS
End Of The Road Tour 2022
Konzertbericht
KISS und der immerwährende Abschied: Kritiker:innen haben wieder Gelegenheit, diesen Mythos aufzuwärmen, wo nun nach dem 17. Juli 2021 noch Konzerte gegeben werden. Man kann den Herrn Simmons und Stanley an vielen Punkten vorwerfen, dass sie auf dreiste Weise Geld verdienen wollen, doch das Ankündigen des eigenen Ruhestands gehört nicht unbedingt dazu. Die Coronapandemie als Umstand höherer Gewalt darf als Argument gelten, um den Fall des letzten Vorhangs zu verschieben. Die Band knüpft jetzt da an, wo sie vor zwei Jahren aufgehört hat. Dieselben Songs auf der gleichen Bühne in den gleichen Arrangements. Also fast, denn der Versuch, KISS in Deutschland als Open-Air-act zu etablieren, dürfte wohl endlich der Vergangenheit angehören. Und so darf die heißeste Band der Welt endlich wieder in der Dunkelheit der Mehrzweckhallen zündeln.
Galerie mit 25 Bildern: The New Roses - End of the Road Tour 2022 in FrankfurtAuch DAVID GARIBALDI, der Maler der letzten Tour, ist nicht mehr mit von der Partie. Anstelle seiner Porträits gibt es mit THE NEW ROSES wieder eine richtige Vorband, wobei fraglich ist, warum sie noch über diesen Status verfügt. In den vergangenen Jahren hat sie sich eine respektable Fangemeinde erspielt. Und so gibt es auch bei diesem Konzert einige im Auditorium, die die Songs mitsingen. Obwohl die gesamte Band hart arbeitet, tut sich der Frontmann als einziger aus der Band mit einer richtigen Bühnenpräsenz hervor. So fängt er schon beim dritten Song mit den Publikumsspielchen an, die auch angenommen werden. Doch so richtige Begeisterung kommt nicht auf, weil es nach den zu Anfang verfeuerten Hits wie „It’s Hard For A Boy With Long Hair“ und „Long Way Down“ arg austauschbar und fade gerät. Am eindrücklichsten dafür war der Umstand, dass der Song „Usual Suspects“ vom kommenden Album so klang, als ob man ihn schon mal gehört hat.
Galerie mit 31 Bildern: KISS - End of the Road Tour 2022 in FrankfurtDer Rahmen der KISS-Show war vergleichsweise intim. Wegen der kleineren Größe der Festhalle konnten die überdimensionalen aufblasbaren KISS-Figuren nicht neben der Bühne platziert werden, die obendrein etwas enger war. Doch für die Pyrotechnik blieb genug Platz, so dass um zehn vor neun mit einem großen Knall der Vorhang fiel: KISS schwebten mit ihrem Evergreen „Detroit Rock City“ von der Decke und brachten die Halle wortwörtlich auf Betriebstemperatur. Direkt danach schoben sie „Shout It Out Loud“ hinterher, bei dem sich die ganze Halle den Titel zu Herzen nahm.
Die Band präsentierte sich gut aufgelegt. Simmoms stapfte herum, dass ihm das Make-Up zerfloss. Paul Stanley klang gut wie lang nicht mehr. Gerade für Laien ist es müßig zu spekulieren, welche Teile der Show jetzt live sind, doch nach den in letzter Zeit erhobenen Vorwürfen nach Backing-Tracks schaut man der Band schon genauer auf die Finger. Manchmal liegen Effekte auf dem Gesang und Stanley erreicht an einigen Stellen unwahrscheinliche Höhen, was an einigen Stellen stutzig macht.
Auch KISS machen Fehler
Instrumental ist das Konzert aber viel lockerer. Gerade Eric Singer haut ein paar Male daneben und Stanley und Thayer greifen einige Male die falsche Akkorde. Allerdings werden keine Backingtracks genutzt, um den Sound voller zu machen, wenn es wegen Stanley Poserei nur eine Gitarre zu hören gibt, so dass die Band auch anno 2022 stellenweise wie eines der zehn besten Trios klingt. Dennoch entsteht nicht der Eindruck, dass die Band vor allem zum Posen gekommen ist.
Obwohl auf dem Programm nach Paul Stanley „old, older and the oldest stuff“ stand, gab es einige Änderungen im Vergleich zum letzten Deutschlandbesuch: Die Reihenfolge der Setlist wurde im Mittelteil verändert und anstelle von „Let Me Go Rock ‚N‘ Roll“ und „Crazy Crazy Nights“ kam die KISS Army nun in den Genuss von „Tears Are Falling“ und „Do You Love Me“.
Aber auch bei der Platzierung der Showeinlagen schüttelte das Quartett ein bisschen durch: Gene spuckte Feuer bei „I Love It Loud“, Thayer spielte sein Solo nach „Cold Gin“ und rund um das Drumsolo, welches für Singer eine dankbare Gelegenheit darstellte, um sich den Schweiß abzuwischen, gab es einen kleinen Insiderwitz: Vor dem Solo wurde zunächst „Psycho Circus“ gespielt, ehe es nach dem Gitarrensolo abrupt abbrach und sich das Scheinwerferlicht auf den ehemaligen BLACK-SABBATH-Drummer richtete. Als er fertig war, spielte die Band das Ende von „100,000 Years“.
Nicht nur Stadien am „End Of The Road“
Das Publikum fraß der Band aus der Hand. Die Veränderung der Setlist wirkt sich positiv auf die Stimmung aus, so dass die Frankfurter:innen dieses Mal stärker dranbleiben. Und so bleibt am Ende die Erkenntnis, dass es wohl nicht immer eine brandneue Bühnenshow oder raritätengespickte Setlist braucht, es ist auch der Rahmen, denn viel zu oft vergisst man, dass selbst ohne die beeindruckende Show immernoch eine gute Liveband bleibt.
Setlist:
1. Detroit Rock City
2. Shout It Out Loud
3. Deuce
4. War Machine
5. Heaven’s On Fire
6. I Love It Loud
7. Say Yeah
8. Cold Gin
9. Lick It Up
10. Calling Dr. Love
11. Tears are Falling
12. Psycho Circus/100,000 Years
13. God Of Thunder
14. Love Gun
15. I Was Made For Lovin‘ You
16. Black Diamond
Zugabe:
17. Beth
18. Do You Love Me
19. Rock And Roll All Nite
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