Warum stehen eigentlich nicht wenige Metalheads auf ST. MICHAEL FRONT, obwohl deren Mucke ja gar nichts mit Schwermetall zu tun hat? Sven von Ván Records dürfte dafür wohl durchaus mitverantwortlich gewesen sein, als er 2019 das ursprünglich bereits 2015 erschienene Debütalbum „End Of Ahriman“ auf seinem Label noch einmal neu veröffentlichte. Auf dem jetzt vorliegenden Zweitling geht das Hamburger Duo noch einen Schritt weiter – mit Gesang in deutscher Sprache. Ist das jetzt schon Schlager? Dem versuchten wir unter anderem im Interview mit Bruder Matthias (Gitarre) und Bruder Sascha (Gesang) nachzugehen. Prophecy Productions scheint das jedenfalls schon mal herzlich egal zu sein, immerhin reaktivierten sie eigens für „Schuld & Sühne“ kurzerhand das zwischenzeitlich eingeschlafene Neofolk-Sublabel Auerbach Tonträger.
ST. MICHAEL FRONT – KING DUDE auf Deutsch?
KING DUDE auf Deutsch ist wohl einer der am häufigsten gezogenen Vergleiche, wenn es darum geht die ST. MICHAEL FRONT irgendwo einzuordnen. Aber bereits der Opener „Knochen Und Blut“ zeigt, dass der Vergleich letztlich hinkt. Neben Akustikgitarre und Gesang, die natürlich in allen Songs recht stark im Mittelpunkt stehen, tauchen bereits die für die Band typischen Pauken und Trompeten auf – hier mit einem Mariachi-Flair, der das Rache-Epos in Richtung alter Mafiafilme bewegt, was auch im zugehörigen Video verdeutlicht wird.
„Ende Der Zeit“ atmet dann schon eher ein gewisses Western-Feeling, hier könnte man also noch am ehesten Parallelen zu düsterem Country á la KING DUDE oder auch ME AND THAT MAN sehen. Die Kombination mit Orgelklängen, die den Refrain untermalen und irgendwie nach Rummelplatz klingen, schafft dann aber wohl doch nur die Front des Engels mit dem Schwert. Während „So Weit Nach Draußen“ als Motivationshymne mit unfassbar ohrwurmigem Refrain die vergleichsweise leichtere Seite der Brüder bedient, wird es in „1000 Namen“ bereits wieder melancholischer. Mit Textzeilen á la „ein tiefer Russenchor, der ständig in Dir singt“ zeigt Bruder Sascha außerdem nicht nur seinen Sinn für skurrile Komik, sondern gleichzeitig auch einen gewissen Tiefgang.
„Dunkelheit“ und „Schwarzer Engel“ halten zwar weniger Überraschungen bereit als ihre Vorgänger, was aber auch daran liegt, dass der Hörer bis dahin endgültig in der Welt des Albums angekommen ist. Ganz andere Wege geht dafür das mysteriöse „Niemand“, das nicht nur erneut über einen hervorragenden Refrain verfügt, sondern auch den besungenen Nebel auf dem Meer geradezu fühlbar macht. „Keine Helden“ hat sie dann doch noch, eine folkige Gitarrenmelodie, nur um dann mit seinen Chören, kauzig-windschiefen Vocals und einer leichten Prise Schifferklavier in eine ganz andere Richtung abzubiegen.
Das auch bereits als Single veröffentlichte „Wir Sehen Uns Wieder“ baut abschließend eine Brücke zwischen Tragik und Hoffnung und spricht dabei Probleme an, die auch in der Metal-Szene irgendwie immer ein Thema sind: Einsamkeit und Alkohol. Muss eigentlich noch erwähnt werden, dass auch dieser Song trotz ernster Botschaft erneut zum absoluten Ohrwurm mutiert?
Macht auch die Schwiegermutter glücklich – „Schuld & Sühne“
ST. MICHAEL FRONT haben alles, damit es in Zukunft richtig weit nach vorne gehen könnte. Authentizität, gepaart mit einer gewissen Kauzigkeit und damit einen hohen Kultfaktor, der Musiknerds glücklich machen dürfte. Durch die Umstellung der Texte auf Deutsch wird das sogar noch ein wenig verstärkt. Die einfachen Songstrukturen und eingängigen Melodielinien dürften aber, achtet man mal nicht so auf die teils skurrilen und abgründigen Texte, sogar die ein oder andere Schwiegermutter glücklich machen.
Während „End Of Ahriman“ tatsächlich noch mit einem Bein im Neofolk verwurzelt war, haben die beiden Hamburger mit „Schuld & Sühne“ etwas ganz eigenes geschaffen. Zwar klingen einige Lieder bei den ersten Hördurchläufen noch etwas zu ähnlich, aber dran bleiben lohnt sich, da es der ST. MICHAEL FRONT trotz des simplen Aufbaus eben auch gelingt, echte Grower mit langer Halbwertszeit zu erschaffen. „Schuld & Sühne“ ist einfach eine Collage aus tollen Songs, die lange im Ohr bleiben, aber nicht schnell langweilen. Ganz groß und nah an der Bestwertung!
Mir ist das zu nah am Schlager, wie vieles aus dem sog. Neofolk. Liegt zT. bestimmt auch an der deutschen Sprache, die mich bei ORPLID hingegen nicht gestört hat. Die Stimme finde ich auch nicht ganz so gut.
Ich will nicht sagen, dass das schlecht ist, es trifft nur nicht ganz meinen Geschmack. Mit dem Stil grundsätzlich kann ich durchaus was anfangen..
Ich verstehe echt nicht warum diese Band so gehypt wird. Man kann ja mögen was man will, und Geschmack ist auch subjektiv, aber ich dachte eigentlich immer Schlager wäre einer dieser No-Go Genre. Die Musik an sich kann man ja noch halbwegs als Neofolk bezeichnen, aber der Gesang dazu… unglaublich cringe. Die passen bestimmt auch gut in den Musikantenstadl (sofern es den noch gibt).
Hört ihr überhaupt Schlager? Verwechselt ihr das gerade mit deutscher Volksmusik? Ich finde diese beiden Genres viel, viel schlimmer (meine Meinung). Das hier Dargebotene geht aber schon noch weit genug unter Neofolk, leichte Enio Morricone-Vibes. Kann verstehen, dass man sich in schlimmsten Fällen des Genres an dt. Volksmusik erinnert fühlt, aber hab das hier kaum. Stimme auch zu, dass der Gesang mindestens gewöhnungsbedürftig ist. Der verlinkte Song gefällt mir aber sehr gut. Das Video ist natürlich übler Trash. Aber sein wir ehrlich, das sind auch aus dem Metal-Bereich verdammt viele.